Frage an Peter Hintze von Jürgen S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Hintze,
dieser Tage hat das Kabinett die Einführung eines elektronischen Einkommensnachweises (ELENA) beschlossen. Man muss also damit rechnen, dass das entsprechende Gesetz bald im Bundestag zur Abstimmung kommen wird. Deshalb interessiert mich die Haltung der Abgeordneten aus meinem Wahlkreis zu dieser Thematik besonders.
Ich selbst habe gegen eine solche zentrale Einkommensdatenbank schwere Bedenken.
Ist es aus datenschutzrechtlicher Sicht vertretbar, die Einkommensdaten von allen Bürgern regelmäßig zu sammeln, nur weil ein Bruchteil dieser Bürger irgendwann einmal seine Einkommensverhältnisse vor einer Behörde darlegen muss? Ich meine das verstößt gegen den Grundsatz der Datensparsamkeit.
Ist es tatsächlich ein Bürokratieabbau, wenn statt gelegentlich zu erstellender Einkommensnachweise nun von den Unternehmen regelmäßig und flächendeckend diese Einkommen gemeldet werden müssen?
Wie kommt der Gesetzgeber auf die Zahl von 82 Mio. €, die die Unternehmen durch die Einführung von ELENA jährlich sparen würden?
Wie ernst muss man die Kostenschätzung der Einführung von ELENA vor dem Hintergrund der Kostenschätzungen und der Kostenentwicklung bei der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) nehmen?
Warum soll sich jeder Bürger für jetzt geschätzte 10 € eine Signatur kaufen müssen, und das alle 3 Jahre aufs Neue, wenn die Daten doch nur für einen Bruchteil der Bürger genutzt werden sollen?
Im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung, der eGK, den immer mehr ausgeweiteten Video-Überwachungen werden hier gigantische Datenpools über immer weitere Lebensbereiche der Bürger aufgebaut. Wie sicher solche Datenpools sind hat man ja nun im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung erlebt. Als sicher kann jedenfalls angenommen werden, dass diese Datensammlungen jedenfalls zum Missbrauch einladen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Schwarz
Sehr geehrter Herr Schwarz,
ich halte die Einrichtung einer zentralen Datenbank im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Einkommensnachweises (ELENA) in der geplanten Form unter verfassungs- und insbesondere datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten für verantwortbar. Auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hält die Regelungen für unbedenklich.
Bei der Einrichtung des ELENA-Verfahrens im Sozialgesetzbuch finden die Datenschutzbestimmungen des Sozialgesetzbuchs volle und zum Teil noch verschärfte Anwendung. Eine von Ihnen befürchtete unzulässige Datenbevorratung wird dadurch vermieden, dass die Daten nur so lange gespeichert werden sollen, wie dies für die Erreichung ihrer Zweckbestimmung erforderlich ist. Daher ist ein differenziertes Konzept zur Löschung der jeweils nicht mehr erforderlichen personenbezogenen Teildatensätze vorgesehen. Danach löscht die sogenannte Zentrale Speicherstelle die vom Arbeitgeber übermittelten Daten, wenn diese für kein vom ELENA-Verfahren unterstütztes Verwaltungsverfahren mehr erforderlich sind. Das Gesetz beinhaltet überdies ein Auskunftsrecht, das ohne erhöhten Aufwand für den Bürger in Anspruch genommen werden kann und über das der Teilnehmer vor seiner Mitwirkung hingewiesen wird.
Richtig ist, dass die Speicherung einer derart großen Datenmenge besonders hohen Sicherheitsstandards entsprechen muss, zumal es sich um vertrauliche Daten handelt. Aus diesem Grund ist die Zentrale Speicherstelle nach dem Stand der Technik durch modernste Sicherheitsvorkehrungen geschützt, die einen Einbruch von außen extrem schwierig und unwahrscheinlich machen.
Dazu trägt bei, dass die Daten aus der Zentralen Speicherstelle nur mit Einwilligung des Bürgers abgerufen werden können, der diese Einwilligung mittels seiner qualifizierten elektronischen Signatur erteilen muss, die gleichwertig zur eigenhändigen Unterschrift ist. Wichtig ist auch, dass die Datenströme nur von der Arbeitgeberseite in die Datenbank fließen können, während ein Datenfluss aus der Datenbank ausschließlich in Richtung abrufende Behörde möglich ist. Durch diese Festlegung der Fließrichtungen wird ein Einbruch verhindert. Zudem liegt die Datenbank in einer inneren Sicherheitshülle, die keinen Zugang zu öffentlichen Netzen hat. Mittels eines Zubringers müssen ankommende Daten abgeholt und abgerufene Daten zu einer äußeren Abrufstelle gebracht werden. Außenstehende können nie selber in die Datenbank vordringen. Schließlich sind die Daten in der Datenbank nicht unter einem individuellen Zuordnungsmerkmal gespeichert, sondern verschlüsselt abgelegt. Zuordnungs- und Speicherungskriterium ist die Nummer des qualifizierten Zertifikats der Person, erweitert um die Nummer des Zertifizierungsdienstleistungsanbieters. Sollte ein qualifiziertes Zertifikat des Teilnehmers nicht vorhanden sein, wird nach gleichen Strukturmerkmalen eine Ersatznummer (vorläufige Identitätsnummer) gebildet. Auch wird die Verknüpfung zwischen dieser Nummer und der Versicherungsnummer nicht von der Datenbank selber vorgenommen, sondern von einer außen stehenden und technisch getrennten öffentlichen Stelle (Registratur Fachverfahren). Nur bei Bedarf stellt diese die Verknüpfung her, übermittelt sie an die Zentrale Speicherstelle und ermöglicht so eine sinnvolle Zuordnung. Selbst bei einem gelungenen Einbruch in die Datenbank, für den die aufgezeigten Hürden bestehen, kann der Einbrecher ohne die Zuordnung von Zertifikatsidentitätsnummer zur Person nichts mit den verschlüsselten Daten anfangen. Die Registratur Fachverfahren alleine vergibt auch die vorläufige Identitätsnummer. Dieses System wurde gemeinsam mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit für das ELENA-Verfahren entwickelt.
Was die von Ihnen angesprochene Kostenersparnis für die Unternehmen anbelangt, so beträgt sie für die zunächst vorgesehenen sechs Bescheinigungen schätzungsweise rund 85,6 Mio. Euro jährlich. Diese Schätzung beruht auf einem Gutachten des Nationalen Normenkontrollrates. Für die ersten drei Bescheinigungen in bisheriger Form wurden nach dem sogenannten Standard-Kosten-Modell jährliche Gesamtkosten der Wirtschaft von 106,88 Mio. Euro ermittelt. Für die weiteren drei Bescheinigungen in bisheriger Form liegen derzeit zwar noch keine Ergebnisse nach dem Standard-Kosten-Modell vor. Die Kosten wurden auf der Grundlage einer Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) jedoch mit einem pauschalen Ansatz von je 5 Mio. Euro im Jahr berücksichtigt. Für alle sechs Bescheinigungen in bisheriger Form ergeben sich so ca.122 Mio. Euro jährliche Kosten für die Wirtschaft, die mit dem ELENA-Verfahren eingespart werden können. Diesen Kosten stehen nach dem Gutachten des Normenkontrollrats 36,4 Mio. Euro als jährliche Kosten des ELENA-Verfahrens für die Wirtschaft gegenüber. Hieraus ergibt sich für die Unternehmen eine Gesamtentlastung durch das ELENA-Verfahren von rund 85,6 Mio. Euro pro Jahr in der Einführungsphase. Die Erweiterung um weitere Bescheinigungen und Nachweise führt jeweils zu einer weiteren Entlastung von rund 5 Mio. Euro im Jahr.
Die Kosten für das auf der Karte benötigte qualifizierte Zertifikat werden nach Aussage der Wirtschaft zukünftig bei rund 10 Euro für 3 Jahre liegen. Muss ein Bürger ein Zertifikat gerade für das ELENA-Verfahren erstmals erwerben, so werden ihm die Kosten jedoch auf Antrag erstattet. Dies gilt für jeden Bürger. Die einmalige Anmeldung zum Verfahren ist kostenfrei und wird nur rund fünf Minuten in Anspruch nehmen. Auch die Genehmigung zum Datenabruf ist lediglich mit einem Zeitaufwand verbunden, der vergleichbar mit der Geldentnahme an einem Geldautomaten ist. Dies ist erheblich weniger als der mit der Antragstellung bislang verbundenen Zeitaufwand.
Ungeachtet dessen wird im anstehenden parlamentarischen Verfahren ausreichend Gelegenheit bestehen, die von Ihnen angesprochenen Fragen eingehend zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Peter Hintze