Frage an Peter Hintze von Reiner K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Hintze,
was ist das Ziel des Afghanistan-Einsatzes?
Bis wann muß es erreicht sein?
Wie sehen die Milestones aus?
Wie sieht die Exit-Strategie aus?
Falls Deutschland keine hat, werden Sie sich dafür einsetzen, daß eine entwickelt wird?
Was halten Sie von dem Vorschlag, vorrangig muslimische Bundesbürger zur Bundeswehr zu rekrutieren und nach Afghanistan zu entsenden? Damit könnten wir bei unseren Integrationsbemühungen einen großen Schritt nach vorne machen, könnten bildungswillige Migranten in der Schule der Nation disziplinieren und hätten eine Truppe an der Front, die sich leichter mit den Einheimischen verbrüdern kann.
Mit freundlichen Grüßen
Reiner Krämer
Sehr geehrter Herr Krämer,
Ihre Fragen möchte ich gerne wie folgt beantworten:
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist in Deutschlands Interesse. Er dient unserer Sicherheit. Die Sicherheitslage in Afghanistan ist immer noch schwierig. Dennoch wurden in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Diese Erfolge müssen wir sichern und ausbauen.
Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr riskieren bei dem Einsatz in Afghanistan ihr Leben. Dafür verdienen sie - und auch die in Afghanistan tätigen Polizisten und zivilen Aufbauhelfer - unseren Dank, unsere Anerkennung, unser Vertrauen und unsere Unterstützung.
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verhindert, dass Afghanistan erneut zum Rückzugs-, Ausbildungs-, Planungs- und Operationsraum für international agierende Terroristen der Al-Quaida wird, die auch uns bedrohen. Auch Deutschland steht im Fadenkreuz von islamistischen Terroristen: Die Mitglieder der so genannten Sauerland-Gruppe, die verheerende Anschläge planten, wurden in Afghanistan ausgebildet.
Der Einsatz ermöglicht auch den Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte,
damit die Zentralregierung zukünftig selbständig in der Lage ist, das
Land zu kontrollieren. Dann ist ein Abzug der ausländischen
Sicherheitskräfte und damit auch der Bundeswehr möglich. Das ist ein
Kernbestandteil einer „Übergabestrategie in Verantwortung“.
Der Einsatz hat auch entwicklungspolitische und humanitäre Motive. Die Gefahr, dass nach einem Abzug der ausländischen Streitkräfte das menschenverachtende Regime der Taliban wieder an die Macht kommt, hält noch immer an. Unter den Taliban wurden Frauen ihrer Rechte beraubt und unterdrückt. Es gab Massenhinrichtungen im Fußballstadion von Kabul. Afghanistan hat eine bessere Zukunft verdient.
Schließlich ist der Einsatz die Voraussetzung für weitere politische und wirtschaftliche Fortschritte. Ohne Sicherheit gibt es keine Entwicklung, ohne Entwicklung gibt es keine Sicherheit. Nach dem Sturz der Taliban konnten fast fünf Millionen Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Seit 2001 wurden in Afghanistan 3.500 Schulen gebaut, die heute wieder für Mädchen offen stehen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung hat heute Zugang zu einer gesundheitlichen Grundversorgung. Der Drogenanbau ist in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen. Und nicht zuletzt ist die afghanische Wirtschaft seit 2001 jährlich mit zweistelligen Raten gewachsen.
Das weitere Engagement Deutschlands in Afghanistan kann nur in enger Abstimmung mit unseren Partnern in der EU und in der NATO erfolgen. Alles andere hielte ich für unverantwortlich. Bundeskanzlerin Angela Merkel will zusammen mit dem britischen Premierminister Brown und dem französischen Präsidenten Sarkozy noch 2009 eine internationale Afghanistan-Konferenz einberufen. Dabei soll die Staatengemeinschaft für die nächsten fünf Jahre mit Afghanistan im Rahmen einer Übergabestrategie konkrete Ziele vereinbaren - für die wirtschaftliche Entwicklung, für die Ausbildung von Polizei und Armee, für die Bekämpfung von Drogenhandel und Kriminalität, für gute Regierungsführung und die Beachtung der Menschenrechte. Dies findet meine Unterstützung.
Nach der zweiten Präsidentenwahl in Afghanistan geht es vor allem darum, wie die afghanische Regierung Schritt für Schritt Verantwortung für das eigene Land übernehmen kann. Deutschland muss dabei weiter Unterstützung leisten. Nur so schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass schließlich unsere Soldatinnen und Soldaten abziehen können.
Was Ihren Vorschlag anbelangt, mit Blick auf den Einsatz in Afghanistan vermehrt Muslime in die Bundeswehr aufzunehmen, so hielte ich es grundsätzlich für problematisch, die allgemeine Personalentwicklung der deutschen Streitkräfte von einem konkreten Auslandseinsatz abhängig zu machen; abgesehen davon können bei der Einberufung zum Wehrdienst nur allgemeine Tauglichkeitskriterien und nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft entscheiden. Deutschland und die Bundeswehr genießen schon heute bei den Afghanen hohes Vertrauen und große Wertschätzung. Dafür verantwortlich ist insbesondere auch die Tatsache, dass die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr intensiv auf die kulturellen Besonderheiten Afghanistans vorbereitet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Peter Hintze