Frage an Peter Hettlich von Jana E. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Hettlich,
mich interessiert Ihre Meinung zum Umbau der bestehenden Sozialsysteme weg von der Finanzierung über Lohnnebenkosten hin zu einer Finanzierung durch allgemeine Steuern. Wie denken Sie und Ihre Partei die Sozialsysteme in Zukunft zu finanzieren?
Vielen Dank, Jana Erdmann
Sehr geehrte Frau Erdmann,
ich bin der festen Überzeugung, daß wir ein zukunftsfestes Sozialsystem über Beiträge und nicht über Steuern finanzieren müssen.
Wir haben in Deutschland das Problem, daß rd. 39 Mio. Erwerbstätigen nur rd. 26 Mio. sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gegenüberstehen, die derzeit hauptsächlich die Lasten der Sozialversicherungssysteme tragen müssen.
Daher muß unser vordringliches Ziel sein, die Beitragsbasis zu erweitern und daher auch Selbstständige, Beamte und sonstige nicht sozialversicherungspflichtige Erwerbstätige aber auch sonstige Einkünfte mit in das beitragsfinanzierte solidarische Sozialsystem zu nehmen. Dieses Ziel werden wir zunächst mit der Bürgerversicherung bei der Krankenversicherung in Angriff nehmen, für die Rentenversicherung ist auch ein derartiges Modell angedacht, was allerdings noch nicht soweit gediehen ist.
Ein beitragsfinanziertes Sozialsystem hat u.a. den Vorteil, daß es nicht unter Haushaltsvorbehalt steht, d.h. die soziale Sicherung findet nicht in Abhängigkeit von der Kassenlage statt. Dies ist übrigens auch ein gewichtiges Argument gegen die von der CDU/CSU geplanten Kopfpauschale.
Denn dieses Modell sieht einen erheblichen steuerfinanzierten Teil vor, mit dem die unteren Einkommensgruppen entlastet werden sollen. Außerdem würde z.B. die Umstellung der Rentenzahlungen auf ein steuerfinanziertes System viele Jahre (50 Jahre?) dauern, es löst also in keiner Weise unsere aktuellen und zukünftigen Probleme.
Entgegen der üblichen Meinungen sehe ich die Quote von derzeit 42% bei den Sozialversicherungsbeiträgen als relativ unproblematisch an. Die wesentlichen Kosten entstehen Unternehmern im Bereich der übrigen Personalzusatzkosten (bezahlter Urlaub, Berufsgenossenschaftsbeiträge u.v.m.).
Insgesamt betragen diese Personalzusatzkosten (inkl. Sozialversicherungsbeiträge) für die Arbeitgeben rd. 80%, d.h. der Arbeitgeberanteil von 21% bei den Sozialversicherungsbeiträge macht nur 25% der Personalzusatzkosten aus, dementsprechend geringe sind die Effekte einer Beitragssenkungen insbesondere bei klein- und mittelständischen Unternehmen.
Im übrigen sehe ich keine oder nur sehr geringe Beschäftigungsseffekte durch die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge. Hier empfehle ich Ihnen die Studie der IAB aus dem Jahre 1998. Ich werde diese Ihnen gerne zumailen. Je nach Gegenfinanzierungsmodell kommt das IAB zu einer Schaffung von bis zu 60.000 Arbeitsplätze je Beitragspunktsenkung je nachdem aber auch zu negativen Ergebnissen, d.h. sogar zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen. Das beste Ergebnis bringt eine Gegenfinanzierung aus reinen Bundessteuern (z.B. Mineralölsteuer).
Das ist mit ein Grund, warum die Ökosteuereinnahmen zur Senkung der Renten- versicherungsbeiträge um 1,7% verwendet wurden und werden. Eine Erhöhung der Mehrwertsteuer hat dagegen nur sehr geringe Effekte (ca. 10.000/je 1%) bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Auch aus diesem Grund lehne ich eine Mehrwertsteuererhöhung zur Gegenfinanzierung von Beitragssenkungen bei der Arbeitslosenversicherung ab.
Grundsätzlich sei auch noch gesagt, daß unser großes Ziel bleiben muß, die hohe strukturelle Arbeitslosigkeit zu senken, denn damit entgehen uns jedes Jahr hohe Beitragssummen. Aber das wäre ein anderes Thema und würde den Rahmen dieser Antwort bei weitem sprengen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Hettlich