Frage an Peter Hettlich von Andreas R.
Sehr geehrter Hr. Hettlich,
in meinem Heimatort, ca. 1400 Einw., expandiert seit der Wendezeit ein vormals kleiner privater Schrottplatz zum industriellen, europaweit tätigen Recyclingunternehmen für Eisen- und Nichteisenschrotte in unmittelbarer Nachbarschaft zur reinen Wohnbebauung und emittiert in zunehmend unerträglichem Maße Lärm und Dreck .
2013 und 2014 wurden im Rahmen weiterer geplanter Erweiterungen o.g. Firma 2 Verfahren der öffentl. Bürger- und TöB-Beteiligung zum vBPL gem. §3 BauGB durchgeführt. Leider hat es bisher keinerlei (lt. BauGB vorgeschriebene) behördliche Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen gegeben. Persönlich erstellte und im Rahmen der öffentlichen Auslegung der vBPL im Gemeinderat abgegebene Stellungnahmen sind unkommentiert und ohne erfolgte behördliche Abwägung direkt als Kopie an das planende Ing.-Büro o.g. Firma weitergeleitet worden. Die Art der dort erfolgten „Verarbeitung“ der privaten Stellungnahmen ist nicht bekannt.
Im Rahmen der Vorbereitung auf die anstehende Wahl stellen sich für mich diesbezüglich folgende Fragen an Sie, deren Antwort für mich entscheidend zur Meinungsbildung beiträgt:
1. Wie stehen Sie zum Problem des Datenschutzes / Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Bürger, speziell bei der Durchführung der vorgezogenen bzw. regulären Beteiligung der betroffenen Bürger bzw. TöB in Bauplanungen?
2. Halten Sie die existenten behördlichen Kontrollmechanismen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte (speziell auch im aktuellen „digitalen Zeitalter“) für ausreichend, wie wollen Sie dies verbessern?
3. Wo sehen Sie die Prioritäten des Sächs. Landesentwicklungsplans bzw. des Regionalplan Westsachsen – in der Stärkung der Attraktivität des ländlichen Raumes als Lebens- und Wohnmittelpunkt (incl. des angepassten ländlichen Gewerbes) oder in der Stärkung als Industriestandort zu Lasten der ansässigen Wohnbevölkerung?
Danke für Ihre Antworten!
Sehr geehrter Herr Rother,
leider komme ich erst heute dazu, Ihre Fragen zu beantworten, da wir bis gestern in Familienurlaub waren.
Ich habe heute ein Luftbild (www.sachsenatlas.de) von Elstertrebnitz durchforstet und nehme an, daß es sich um den Betrieb im nördlichen Teil des Ortes in der Nähe des Wohngebietes "Am Wasserturm" handelt.
Ich habe lange in Nordsachsen gelebt und kenne leider ähnliche Fälle aus den Altkreisen Delitzsch und Torgau-Oschatz, bei denen versucht worden ist, die öffentliche Bürgerbeteiligung zu sabotieren und zu konterkarieren. Da braucht es einen langen Atem und leider oftmals juristischen Beistand.
Im BauGB heißt es in § 3 etwas schwammig, die Beteiligten "sollen" informiert werden, die fristgemäßen Stellungnahmen "sind" zu prüfen, das Ergebnis "ist" mitzuteilen. Ich bin kein Baurechtler, aber aus meiner Sicht muß die Genehmigungsbehörde Ihnen Einblick in das Ergebnis der Prüfung gewähren. Da das Bauverwaltungsrecht eine komplizierte Materie ist, schlage ich Ihnen vor, daß´Sie sich an Rechtsanwalt Wolfram Günther aus Mittelsachsen wenden, der auf der Landesliste von Bündnis 90/Die Grünen auf Listenplatz 4 gewählt wurde und mit großer Wahrscheinlichkeit dem künftigen sächsischen Landtag angehören wird. Sie können sich gerne an mich wenden, um seine Adresse zu erhalten.
Ich bin auch gerne bereit, mich vor Ort mit Ihnen in Elstertrebnitz zu treffen, ich werde evtl. im Rahmen der 975-Jahresfeier anwesend sein, und habe in der letzten Augustwoche in Elstertrebnitz für den 28.08.2014 einen Wahlkampfstand eingeplant.
Zu Ihren Fragen:
1) Wir haben uns als Bündnis 90/Die Grünen immer wieder für mehr Informations- und Beteiligungsrechte von Bürgern eingesetzt und unter der rotgrünen Regierung 2004 das Umweltinformationsgesetz und 2005 das Informationsfreiheitsgesetz auf den Weg gebracht. Es waren zwar keine perfekten Gesetze, denn sie konnten nur in Abstimmung mit dem damals schwarz dominierten Bundesrat umgesetzt werden. Aber es war ein großer Fortschritt und seitdem hat sich auch keine der folgenden Bundesregierungen mit dem Thema groß beschäftigt. Und Lücken der Gesetze sind leider z.B. beim Informationsfreiheitsgesetz durch überhöhte Gebühren als Abschreckungsmaßnahmen zutage getreten. Wir müssen die USA an vielen Stellen kritisieren aber der "freedom of information" act ist ein gutes Beispiel, wie Transparenz hergestellt und auch eingeklagt werden kann.
2) Nein, ich halte die existierenden Kontrollmechanismen behördlicher Institutionen zum Schutz von Persönlichkeitsrechten in keiner Weise für ausreichend. Es fehlt bei vielen Behörden die grundsätzliche Einsicht und der Wille zur Umsetzung. Ganz im Gegenteil müssen wir sogar feststellen, daß Behörden offensichtlich Persönlichkeitsrechte mißachten und ihre Befugnisse mißbrauchen.
3) Nach der Verabschiedung des Landesentwicklungsplans 2013 müssen jetzt die Regionalpläne (darunter der für Westsachsen) innerhalb von vier Jahren angepasst werden. Eine Öffentlichkeitsbeteiligung ist für 2015 angekündigt, der Entwurf des Regionalplans noch für dieses Jahr. Ich fürchte allerdings, daß dem Schutz der Attraktivität des ländlichen Raums vor der Ausweisung von Industrie- oder Gewerbegebieten - wie schon in der Vergangenheit - wenig Vorrang eingeräumt werden wird. Das Arbeitsplatzargument war und ist seit 25 Jahren in Sachsen das Totschlagargument für einen besseren Schutz der Menschen und der Umwelt..
Mit freundlichen Grüßen
Peter Hettlich