Frage an Peter Hettlich von Bob F. bezüglich Recht
Wie ist Ihre Einstellung zu den folgenden Themen bzw. wie werden Sie an der Mitgestaltung der Politik in diesen Bereichen wirken?
- Recht auf Privatsphäre und Datenschutz
- Studiengebühren
- Deregulierung
- weitere europäische Integration
Nennen Sie mir bitte ein Beispiel wie Sie sich Bürokratieabbau vorstellen. Das ist so ein geflügeltes Wort das nach der Wahl offensichtlichtlich immer wieder in Vergessenheit gerät.
Da Sie sicher viel zu tun haben reichen mir kurze Stichpunkte ich möchte lediglich einen Eindruck bekommen wo Sie stehen. Die allgemeinen Parteiprogramme sind mir leider viel zu abstrakt formuliert.
P.S. die Schornsteinfegersache finde ich auch sinnlos. Das ist eine vom Bürger subventionierte ABM
Sehr geehrter Herr Foster,
gerne beantworte ich Ihre Fragen (ist doch etwas länger geworden):
Recht auf Privatsphäre und Datenschutz:
Dieses Recht ist für mich eines der höchsten Güter unserer Demokratie. Ich habe in den letzten drei Jahren im Bundestag oft erlebt, wie terrorristische Aktionen (im Ausland) oder Kriminalfälle (z.B. Sexualmorde im Inland) quasi reflexartig zu Forderungen insbesondere seitens der CDU/CSU aber auch z.T. auf Seiten der SPD (insbesondere: Schily, Wiefelsspütz) führen, den Schutz der Privatsphäre einzuschränken und den Datenschutz aufzuweichen. Als Mitglied einer rot-grünen Koalition weiß ich, wie schwer es ist, diesen Druck auch in der öffentlichen Meinung auszuhalten. Für Bündnis 90/Die Grünen stehen auch weiterhin der Schutz der Privatsphäre und der Datenschutz (wie haben schließlich einen "grünen" Datenschützer) ganz vorne.
Studiengebühren:
Ich bin gegen Studiengebühren, da diese zu keiner qualitativen Verbesserung der Studienbedingungen führen (werden). Die Begehrlichkeiten der Bundesländer sind groß, da ihre Kassen leer sind. Die Gebühren werden daher lediglich der Verbesserung der Länderfinanzen dienen, bei den Hochschulen wird jedenfalls nicht mehr Geld ankommen.
Darüberhinaus haben wir in Deutschland immer noch zu wenige junge Menschen, die studieren. Die soziale Herkunft entscheidet immer noch über den Zugang zu Bildung. Auch aus diesem Grunde wären Studiengebühren kontraproduktiv.
Ich könnte mir Studiengebühren allenfalls unter der Voraussetzung vor- stellen, daß diejenigen, die die Gebühren aufbringen müssen, auch darüber bestimmen, was damit gemacht wird. D.h. eine Demokratisierung unseres immer noch verstaubten und verknöcherte Hochschulsystems müßte die Voraus- setzung dafür sein. Allerdings bin ich da sehr skeptisch, ob die Akteure das wollen.
Last but not least: Es sei natürlich in diesem Zusammenhang die Frage erlaubt, warum eigentlich die Betreuung von Kindern im Vorschul- alter die Eltern viel Geld kostet, während ein Studium kostenlos ist. Auch hier stellt sich die Frage der Zugangsgerechtigkeit. Eine Lösung kann aber nur ganzheitlich erfolgen.
Deregulierung (und Bürokratieabbau):
Das ist ein Problem auf allen Ebenen! Wir werden als Parlament immer wieder für die überbordende Bürokratie verantwortlich gemacht, leider finden diese Akte vielfach auf Seiten der Exekutive statt. Aus einem Gesetz mit vielleicht 10 Seiten werden dann ganz schnell Verordnungen von mehreren 100 Seiten. Verantwortlich sind da nicht nur der Bund sondern auch die Länder z.T. sogar die Kommunen. Leider hat das Parla- ment als Legislative wenig Einfluß auf die Arbeit der Exekutive, das ist aus meiner Sicht ein immerwährendes Ärgernis. Das müßte eigentlich geändert werden.
Deregulierung und Bürokratieabbau bedeuten auch, daß viele Sonder- regelungen abgeschafft werden müssen. Das bedeutet jedoch auch, daß es dann mehr zu Härtefällen kommen wird. Das führt ganz sicher zu Protesten.
Im Bundestag müßte es einen gesonderten Ausschuß geben, der sich mit den bürokratischen Auswirkungen von Gesetzen beschäftigt, quasi eine Bürokratiefolgenabschätzung macht. Dieser Ausschuß müßte dann ein Mitbestimmungs- und Mitbefassungsrecht haben. Weiterhin finde ich, daß Gesetze befristet bzw. nach einer Frist von 5 oder 10 Jahren auf ihre Wirksamkeit überprüft werden sollten.
Die bisherigen Bemühungen von Wirtschaftsminister Clement zum Bürokratieabbau sehe ich im übrigen als weitgehend gescheitert an.
weitere europäische Integration
Entgegen der aktuellen Meinung halte ich die Integration der 10 neuen Mitgliedsländer für gelungen. Das ist ja kein Prozess, der erst gestern angefangen hat, die Probleme in unserem Land haben mit unseren eigenen Fehlern und mit der zunehmenden Globalisierung zu tun. Nicht Polen oder die Tschechische Republik sind unsere Hauptkonkurrenten sondern China und Indien!
Ich bin der Meinung, daß auch Rumänien und Bulgarien in die EU auf- genommen werden sollen, so wie es bereits beschlossen ist. Ob der Zeit- plan eingehalten werden kann, hängt von der Erledigung der Auflage ab.
Die Frage der Mitgliedschaft von Kroatien sehe ich in einem ähnlich Kontext, aber hier steht meines Wissens noch gar kein richtiger Zeitplan.
Bezüglich einer Integration der Türkei in die EU rate ich zu Gelassenheit. Es wird suggeriert, daß wir schon morgen über einen Beitritt abstimmen müssen. Das entspricht in keiner Weise der Realität, jeder ernsthafte Politiker weiß, daß es viele Jahre dauern wird, bis dieser Prozess mit offenem Ausgang abgeschlossen ist. Alles andere ist Panikmache - vor allem seitens der CDU/CSU! Wenn wir diesen Prozess jetzt stoppen, werden wir alle Demokratisierungs- und Reformbemühungen in der Türkei zum Erliegen bringen und letztlich nur den radikalen Bewegungen in die Hände spielen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Hettlich