Frage an Peter Herbert Müller von Guido L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Müller,
das AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland sagte am 02.09.17 beim sog. AfD-Kyffhäuser-Treffen in Thüringen, dass die Rolle deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg neu bewertetet werden und dass "ein Schlusstrich" unter die deutsche Nazi-Vergangenheit gesetzt werden muss (siehe http://www.spiegel.de/politik/deutschland/alexander-gauland-provoziert-mit-rede-zu-deutschlands-nazi-vergangenheit-a-1167750.html und http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/afd-alexander-gauland-relativiert-verbrechen-der-wehrmacht-15199412.html ).
Unstrittig dürfte sein, dass deutsche Wehrmachtssoldaten während des 2. Weltkriegs systematisch Gräueltaten an der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen begangen haben (siehe z.B. http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/systematische-verbrechen-der-wehrmacht/ , https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article114693474/Diese-Verbrechen-begingen-Deutsche-in-Russland.html , http://www.n-tv.de/leute/buecher/Die-Plaudereien-der-Wehrmachtssoldaten-article3624951.html und https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrechen_der_Wehrmacht ).
Meine Fragen:
- Distanzieren Sie sich vom AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland?
- Befürworten Sie ein Parteiausschlussverfahren gegen A. Gauland wg. dessen jüngsten Äußerungen zur Rolle der Wehrmacht im 2. WK?
In Erwartung Ihrer Antwort vor den Bundestagswahlen am 24.09.17 verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
G. L.
Sehr geehrter Herr L.,
es befremdet mich doch etwas eine Frage aus einem Ort zu erhalten, der über 600 km von meinem Wahlkreis entfernt ist. Das lässt die Intention schon erahnen.
Die Rede von Herrn Gauland ist mir nicht bekannt, aber ich habe davon gehört. Bevor ich zu einem Urteil komme, hätte ich aber schon gerne mehr Informationen darüber, was Herr Gauland denn mit "Schlussstrich" und neuer Bewertung meint. Sollte dies strafrechtlich relevant sein, distanziere ich mich selbstverständlich und würde auch den Ausschluss von Herrn Gauland aus der AfD fordern. Aufgrund der Bruchstücke bin ich allerdings schon gänzlich anderer Meinung als Herr Gauland. Inwieweit diese aber toleriert werden kann ist noch zu prüfen.
Aber wie relevant ist dies wirklich?
Als ich im März 1997 zum ersten Mal in Bosnien an einem Massengrab stand, habe ich mir die Frage gestellt, warum wir erst jetzt gekommen sind. Die damalige Begründung lautete, dass wir uns wegen unserer historischen Belastung zurückhalten müssten. Heute bin ich der Ansicht, dass das III. Reich vorzugsweise als Ausrede genommen wird um zu verdecken, dass der eigentliche Grund politische Feigheit ist. Wie viele Menschenleben wir hätten retten können, bei einem rechtzeitigen und wirksamen Eingreifen, lässt sich nicht mehr beziffern. Es wären aber sicherlich Tausende gewesen. Gerade diejenigen, die gerne von historischer Verantwortung sprechen und der AfD nationalsozialistische Tendenzen anhängen wollen, verfallen in Schweigen wenn es um die eigene Schuld durch Unterlassung geht. Der Kosovo, Afghanistan und Palmyra sind nur weitere Stationen.
Immer wieder treffen wir auf eine erstaunliche Feigheit in der Politik vor der Übernahme von tatsächlicher Verantwortung und dem Tragen der Konsequenzen.
Das mittlerweile bekannteste Beispiel dürfte die Grenzöffnung im Herbst 2015 sein. Wie wir in Robert Alexanders Buch, Die Getriebenen, nachlesen können, waren hierfür nicht humanitäre Gründe ausschlaggebend. Der immerhin 30 seitige Einsatzbefehl für die Polizei wurde aus Angst vor "unschönen Bildern" nicht unterschrieben.
Aktivitäten um den Menschen in Nordkorea, Kuba und Venezuela zu helfen suche ich auch vergeblich. Und wenn Abgeordnete der SED Nachfolgepartei aus diesen Ländern zurückkehren, schämen sie sich nicht von den tollen Fortschritten dort zu berichten.
Feigheit aller Orten, auch im aktuellen Wahlkampf. Eigentlich weiß jeder, der die Grundrechenarten beherrscht, dass eine Rente mit 63 Jahren in Zukunft nicht mehr möglich ist. Trotzdem habe ich bei den verschiedenen Podiumsdiskussionen nur gehört, dass die Situation der Rentner verbessert werden muss. Das wie blieb dabei im Raum stehen.
In den selben Runden wurde auch ausgeklammert, wie viele Migranten denn Deutschland überhaupt schaffen kann. Es ging immer nur um Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Als wenn Deutschlands Ressourcen unendlich wären. Aber logisch, nachdem die Kanzlerin Prügel dafür bezogen hat, als sie zur Abwechslung einmal ehrlich sagte, es könnten nicht alle bleiben. An den Fakten ändert dies aber nichts.
Auch hier Feigheit aus allen Poren. Davon distanziere ich mich und schäme mich auf für mein Land und seine Vertreter.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Müller