Frage an Peter Danckert von Florian G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr, Danckert,
Warum behaupten die Befürworter der Vorratsdatenspeicherung immer wieder fälschlicher weise:
1. Dass man unter den Vorgaben der EG-Richtlinie geblieben ist?
Dies stimmt nicht.
Wie sie sicher wissen, erlaubt die Richtlinie den Zugriff auf die Verbindungsdaten nur bei schweren Verbrechen.
Der deutsche Gesetzesentwurf hingegen erlaubt den Zugriff bei ALLEN mittels Telekommunikation begangenen Vergehen. (Also auch bei Bagatelldelikten)
2. Dass die Verbindungsdaten jetzt auch schon bis zu 3 Monaten gespeichert werden.
Das stimmt ebenso nicht. Nach aktueller Rechtslage dürfen Verbindungsdaten nur solange gespeichert werden, wie sie zu Abrechnungszwecken nötig sind.
Bei Flatrates (Pauschaltarifen) dürfen Verbindungsdaten demnach gar nicht gespeichert werden . Ebenso werden auch keine verbindungsdaten bei E-mail -Anbietern gespeichert.
Gerade kleinere E-mail Anbieter stehen, da der Gesetzentwurf keine Entschädigung vorsieht, vor dem Aus.
3. Dass man verpflichtet sei, die Richtlinie umzusetzen.
Das stimmt auch nicht.
Die Richtlinie ist eindeutig nichtig, da das Europäische Parlament, das sie beschlossen hat, dafür gar nicht zuständig war.
Der EuGH wird in den nächsten Monaten über eine Klage Irlands entscheiden. Warum wird mit der Abstimmung nicht bis nach dem Urteil gewartet?
4. Dass es sich bei der Richtlinie um einen "Kompromiss" handelt.
Hat der Bundestag nicht im Jahre 2005 eine Vorratsdatenspeicherung abgelehnt?
Und haben sich Frau Zypries und Herr Schily, die damals schon die größten Befürworter dieser Sammelwut waren, darauf nicht auf Europäischer ebene für die Vorratsdatenspeicherung stark gemacht, nach dem sie damit im Bundestag gescheitert sind?
Wieso hat Deutschland die Richtlinie nicht einfach blockiert?
Und wieso wollen Sie immer noch für ein Gesetz stimmen, von dem fast sicher ist dass es vom BVG kassiert wird?
Mit freundlichen Grüßen,
Florian Grannemann
Sehr geehrter Herr Granneman,
für Ihre E-Mail vom 07. November 2007 danke ich Ihnen.
Der Deutsche Bundestag hat am Freitag, 09. November 2007, das Gesetz zur Novellierung des Telekommunikationsüberwachungsrechts verabschiedet. Zu Ihren einzelnen Anmerkungen möchte ich Folgendes antworten:
Zu 1.
Ziel der Novelle ist es, die verfassungsrechtlich gebotene effektive Strafverfolgung so grundrechtsschonend wie möglich zu gewährleisten. Eine Telefonüberwachung wird deshalb künftig nur noch bei schweren Straftaten zulässig sein, also bei Straftaten, die im Höchstmaß grundsätzlich mit mindestens fünf Jahren Haft bedroht sind. Die Entscheidung über den Einsatz verdeckter Ermittlungsmaßnahmen fällt weiterhin das Gericht. Ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen, ist eine Telefonüberwachung von vornherein verboten. Insbesondere bei den Berufsgeheimnisträgern wie beispielsweise Ärzten, Journalisten oder Rechtsanwälten wird der nach geltendem Recht vorhandene Schutz nicht nur vollumfänglich erhalten, sondern ausgebaut, indem eine weitere Verhältnismäßigkeitsprüfung eingeführt wird. Zudem sorgen verfahrenssichernde Regelungen wie Benachrichtigungspflichten, einheitliche Löschungsregelungen und ein umfassender nachträglicher Rechtsschutz für so viel Grundrechtsschutz wie noch nie zuvor im Bereich der heimlichen Ermittlungsmaßnahmen.
Zu 2.
Die wegen der Umsetzung künftig zu speichernden Daten sind im Wesentlichen die Verkehrsdaten, die von den Telekommunikationsunternehmen schon heute üblicherweise zu Abrechnungszwecken gespeichert werden. Das sind insbesondere die genutzten Rufnummern und Kennungen sowie Uhrzeit und Datum der Verbindungen. Neu hinzu kommt nur, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort (Funkzelle) bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird. Daten, die Aufschluss über den Inhalt der Kommunikation geben, dürfen dagegen nicht gespeichert werden.
Zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben den Daten über Telefonverbindungen auch solche Daten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen. Diese müssen nach der EU-Richtlinie künftig ebenfalls gespeichert werden. Auch in diesem Bereich werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert. Dabei speichert das TK-Unternehmen lediglich, welchem Teilnehmeranschluss eine bestimmte Internetprotokoll-Adresse (IP-Adresse) zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war sowie die Daten über die E-Mail-Versendung, nicht dagegen, welche Internetseiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hatte.
Die Daten werden – wie bisher – nur bei den TK-Unternehmen gespeichert. Wie bisher schon können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde. In diesem Beschluss legt der Richter genau fest, welche Daten das Unternehmen aus seinem Bestand herausfiltern und den Strafverfolgungsbehörden übermitteln muss.
Zu 3.
Hintergrund für das Gesetz ist die Notwendigkeit, die EU-Richtlinie zur sogenannten Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht umzusetzen. Bei den Verhandlungen auf europäischer Ebene ist es Deutschland gegen den Widerstand vieler anderer Mitgliedstaaten gelungen, dass die Mindestspeicherungsdauer auf sechs Monate statt der ursprünglich auf EU-Ebene diskutierten 36 Monate beschränkt wurde.
Zu 4.
Es ist richtig, dass die Novelle bereits unter rot-grüner Regierung ihren Anfang genommen hat. Der vom Bundesministerium der Justiz erarbeitete Entwurf konnte aufgrund des vorzeitigen Endes der 15. Legislaturperiode zunächst nicht weiter verfolgt werden. Das nun vorliegende Gesetz hat diese Arbeiten weitergeführt. Zwischenzeitliche Entwicklungen sind in ihm berücksichtigt. Zum einen sind es Anpassungen wegen der Notwendigkeit, die eingangs erwähnte EU-Richtlinie umzusetzen, zum anderen waren es Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unter anderem zum einfachgesetzlichen Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung zu beachten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Danckert