Frage an Peter Danckert von Thomas N. bezüglich Gesundheit
Herr Dr. Dankert,
wie beurteilen Sie als Rechtsanwalt und Befürworter der Gesundheitreform folgendes persönliches Fallbeispiel?
Mit einem Jahres Brutto von 3.501,- Euro (E-ST Bescheid 2006) als hauptberuflich Selbstständiger veranschlagt mich die Aok Berlin durch den am 01.04.2007 inkraftgetretenen Kontrahierungszwang auf ein weiterhin fiktives Mindesteinkommen von 1.837,50 Euro mit einem monatlichen Beitrag von 272,80 Euro das sind nach Adam Riese 93,5% meines Jahresbrutto inkl.Zinseinkünften.
Um einen verminderten Beitrag nach fiktiven 1225.-Euro (181,90 Euro) zu erwirken werden alle imateriellen und Geldwerten Mittel über 9.800.-Euro wie z.B.Aktien,Fond,Kapitallebensversicherungen,priv.Rentenversicherungen, Bausparverträge,bebaute o.unbebaute Grundstücke,Kraftfahrzeuge,Wertsachen, Gemälde,Schmuck u.v.m.selbstverständlich auch alles Hab und Gut des Lebenspartners für den fiktiven Beitrag aufgebraucht .Daß alles nur um einen sozial gerechten dem tatsächlichen Einkommen entsprechenden Beitrag zu verhindern um sich auf diesem Weg die Erspanisse zu erschleichen,skrupellos bis zur privat Insolvenz. Bekräftigt durch Ihre Vorgaben durch Zwangsvollstreckung die Beiträge beizubringen.
Im selben Atemzug genehmigt sich ein Aok Vorstandsvorsitzender 240.000.-Euro Jahreseinkommen ohne Dienstwagen aus dem Topf der Solidargemeinschaft.
Glauben Sie das diese Methoden des Diktats mit unserer freiheitlich,demokratischen Grundordnungn vereinbar sind?
Ein Souverän von Vielen
Sehr geehrter Herr Niedermaier,
vielen Dank für Ihre Frage vom 5. Mai 2007. Auch wenn Sie hier nicht alle Fakten erläutern, die nötig wären, um Ihren Fall abschließend zu beurteilen, ergibt sich in Ihrem Fall für mich folgendes Bild:
Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ist zu großen Teilen am 1. April 2007 in Kraft getreten. Ein Schwerpunkt des Reformgesetztes liegt darin, dass all jene Bürger der gesetzlichen (GKV) oder privaten (PKV) Krankenversicherung zugeführt werden sollen, die bisher nicht versichert waren. Das sind nach Aussagen des Bundesministeriums für Gesundheit etwa 300.000 Bundesbürger.
Sie, Herr Niedermeier, sind nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V zum 1. April 2004 versicherungspflichtig in der GKV geworden. "Kontrahierungszwang" ist in diesem Zusammenhang der falsche Begriff, denn damit ist die Verpflichtung zum Vertragsabschluss/ Aufnahmezwang in der PKV gemeint. Sie sind jedoch einfach nur versicherungspflichtig in der GKV geworden, so wie auch Arbeitnehmer versicherungspflichtig werden, wenn sie eine Beschäftigung aufnehmen.
Die Versicherungspflicht zieht mit dem ersten Tag der Mitgliedschaft auch eine Beitragspflicht nach sich. Für die Höhe der Beiträge sind in der GKV, anders als in der PKV, nur die Faktoren Einkommen und Beitragssatz relevant.
Bei dem Personenkreis der "Rückkehrer" wird für die Beitragsbemessung § 240 SGB V angewendet, der vorschreibt, wie beitragspflichtige Einnahmen für freiwillig Versicherte festgelegt werden. Da Sie selbständig sind, gilt für Sie explizit § 240 Abs. 4 SGB V.
Bei Selbständigen hat sich der Gesetzgeber veranlasst gesehen, Mindestbeitragsbemessungsgrenzen einzuziehen. Bei ihnen wird als Einnahme zum Lebensunterhalt regelmäßig das Arbeitseinkommen herangezogen. Dies ist nichts anderes als der Gewinn aus der Unternehmertätigkeit, der vom Finanzamt auf Grund steuerrechtlicher Bestimmungen festgelegt wird. Nun kommt es häufig vor, dass Unternehmer zumindest aus steuerlicher Sicht Verluste haben oder zumindest der Gewinn stark reduziert wird. Würde man keine Mindestbemessungsgrundlagen einziehen, hätte dies zur Folge, dass Selbständige kostenlos in der GKV zu versichern wären, weil sie beispielsweise auf Grund der Saldierung verschiedener Einkunftsarten einen Verlust in ihrem Steuerbescheid ausweisen.
So geht man gemäß § 240 Abs. 4 SGB V zunächst von der Beitragsbemessungsgrenze (2006: 3.562, 50 Euro) aus, es sei denn, der Selbständige weist geringere Einkünfte aus. Dann gilt ein Mindestentgelt von 1.837, 50 Euro (2006). Für Existenzgründer nach dem SGB III gibt es darüber hinaus noch einmal eine geringere Mindestbeitragsbemessungsgrundlage (2006: 1.225,00 Euro).
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz wurde den Krankenkassen ein Optionsrecht an die Hand gegeben, die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage von 1.225 Euro auch in anderen Fällen anzuwenden. Dies können die Kassen selbständig in Ihren Satzungen regeln. Das hat offensichtlich auch die AOK Berlin gemacht.
Sie geben an, dass die AOK-Satzungsregelung vorsieht, dass Rücklagen und Ersparnisse oberhalb von 9.800 Euro zunächst aufgebraucht sein müssen, ehe die abgesenkte Mindestbeitragsbemessungsgrenze angewandt wird. Da wir als Bundesgesetzgeber den Kassen nicht explizit vorgeschrieben haben, wie sie das Optionsrecht auszuüben haben, ist dies von uns auch nicht zu beanstanden.
Sehr geehrter Herr Niedermaier, eine große Errungenschaft dieser Gesundheitsreform ist, das es zum ersten Mal in der Geschichte unseres Landes einen Versicherungsschutz für alle Menschen gibt. Zu gewährleisten, dass wirklich alle Menschen die für sie notwendigen medizinischen Behandlungen zu bezahlbaren Beiträgen erhalten, ist ein Ergebnis, auf das wir in der SPD - zu Recht, wie ich finde - stolz sind. Dass Sie bisher offenbar ohne Krankenversicherungsschutz gelebt haben, halte ich weder Ihnen selbst, noch der Gemeinschaft gegenüber für verantwortungsbewusst. Zu einer verantwortlichen Daseinsvorsorge gehört nun einmal auch ein Krankenversicherungsschutz - genauso wie beispielsweise eine private Haftpflichtversicherung. Wie hätten sie jemals einen Krankenhausaufenthalt aus eigener Tasche bezahlen sollen? Letztendlich hätte die Solidargemeinschaft dafür aufkommen müssen - auch deshalb wurde die Versicherungspflicht für alle im Gesetz verankert.
Ihre Krankenkasse gehört meinem Wissen nach zurzeit zu den teuersten Deutschlands -- ihr Beitragssatz ist am höchsten. Die Differenz zur billigsten Krankenkasse macht fast vier Prozentpunkte aus. Als Versicherungspflichtiger steht Ihnen nach § 173 Abs. 1 SGB V das Kassenwahlrecht zu. Vielleicht finden Sie eine Kasse, die Ihnen günstigere Satzungsregelungen bezüglich der Beitragserhebung anbieten kann.
Bezüglich der von Ihnen angesprochenen Bezüge des in Ihrer Frage nicht namentlich genannten AOK-Vorstandsvorsitzenden stelle auch ich fest, dass diese natürlich in keinem Verhältnis zum Jahreseinkommen, beispielsweise eines Bundestagsabgeordneten, stehen.