Frage an Peter Danckert von Matthias J. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Danckert,
mit Interesse habe ich Ihre Stellungnahme zu der Frage von H. S. gelesen. Doch könnte es nicht sein, dass die Ursache grundsätzlich in der Marktstruktur liegt? Die Preisträger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften von 2010 haben nachgewiesen, dass Märkte mit sogenannten "Reibungseffekten" auf Monopolpreise hinauslaufen. Was halten Sie von dem Vorschlag, die Reibungseffekte im Treibstoffmarkt dadurch zu minimieren, dass Sprit-Girokonten eingeführt werden, mit denen der Verbraucher in Echtzeit Preise vergleichen und unabhängig vom aktuellen Aufenthaltsort und der aktuellen Tankfüllung Spritguthaben erwerben kann (auch antizyklisch)?
Sehr geehrter Herr Junk,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Reibungseffekte auf Treibstoffmärkten sowie die Einführung von Sprit-Girokonten.
Aus meiner Sicht ist es nicht möglich, das Modell der drei Nobelpreisträger auf den Treibstoffmarkt zu übertragen. Diamond, Mortensen und Pissarides gehen von einem Markt aus, indem die Konsumenten den Preis für das gewünschte Gut einzeln beim Verkäufer nachfragen müssen, da die notwendigen Information nicht offen zugänglich sind. Auf dem Treibstoffmarkt besteht dagegen die Möglichkeit, u.a. auf diversen Internetseiten, dass der Konsument schon vor dem Zusammentreffen mit dem Verkäufer den Treibstoffpreis erfährt und so den Anbieter im Voraus (je nach Standort) auswählen kann.
Hinzu kommt, dass sich die Ökonomen auf ein Gut beziehen, welches nur selten erworben wird (wie z.B. einen Arbeitsplatz) und bei dem sich die Suche in der Folge als umfangreich erweist. Treibstoff wird dagegen regelmäßig erworben, sodass auch hier keine Vergleichbarkeit gegeben ist.
Letztlich gehen ökonomische Modelle von Annahmen aus, die aus meiner Sicht mit der Realität nicht vollständig übertragbar sind. So unterstellt das Modell, dass alle Konsumenten über die gleiche Geldsumme sowie die gleichen Suchkosten verfügen. Auch diese Annahme sollte hinterfragt werden.
Selbst wenn ich die Anwendbarkeit des Modells der Reibungseffekte auf den Treibstoffmarkt kritisch betrachte, stimme ich Ihnen doch zu, dass die Probleme im Wesentlichen bei der oligopolistischen Marktstruktur liegen. Diese gilt es aufzubrechen und in der Zukunft für mehr Wettbewerb in der Branche zu sorgen (die Initiativen der SPD-Bundestagsfraktion habe ich in der Anfrage von Herrn Schulz geschildert).
Wenn ich Ihr Instrument der Sprit-Girokonten richtig verstehe, sollen die Konsumenten die Möglichkeit erhalten, den Treibstoff ortsunabhängig von den verschiedenen Anbietern (z.B. über das Internet) zu erwerben und sich dann später an der Tankstelle „auszahlen“ zu lassen. Diese Methode könnte zwar die Suchkosten in Form des Fahrtweges zu den verschiedenen Tankstellen verringern, würde aber aus meiner Sicht nicht verhindern, dass es unter den Oligopolisten zu Preisabsprachen kommt. Des Weiteren würde ich annehmen, dass die Unternehmen die möglichen Folgen eines Sprit-Girokontos im Preis internalisieren und in der Folge die Preise bei geringer Nachfrage weniger stark senken.
Auf der anderen Seite könnten Sprit-Girokonten ein geeignetes Mittel sein, um starke Preisschwankungen zu unterbinden und für mehr Transparenz auf dem Markt zu sorgen. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, Ihren Vorschlag der zuständigen Arbeitsgruppe in der SPD-Bundestagsfraktion zu übermitteln, die sich intensiver mit dem Instrument auseinandersetzen wird.
Ich hoffe ich konnte Ihnen behilflich sein und verbleibe
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Peter Danckert