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Peter Danckert
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Frage von Regina D. •

Frage an Peter Danckert von Regina D. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Danckert!

Ich bin grundsätzlich dafür, allen Menschen Hilfe und Unterstützung zu geben, die diese benötigen, soviel sei vorausgeschickt. Ich halte einen ESM für sinnvoll, der in erster Linie NICHT die Bevölkerung, sondern die Verursacher der Notlage der Staatsfinanzen zur Kasse bittet, andauernde Spekulationen gegen Krisenstaaten eindämmt UND soziale Komponenten zum Schutz der Bevölkerung vor Verarmung enthält. Ich liebe mein Heimatland mit allen seinen Besonderheiten und den Möglichkeiten meiner demokratischen Einflussnahme auf dessen Entwicklung. Meinem Land und den Menschen darin soll es gut gehen. Ich wünschte mir, es würden Gesetze verabschiedet, die dazu beitragen, jene, die über ein Vielfaches des Durchschnittseinkommens verfügen, in die gesellschaftliche Mitverantwortung zu nehmen. Die Abstimmung zum ESM-Vertragsentwurf steht bevor. Sie hatten im Oktober 2011 bereits auf den Brief von Herrn M. geantwortet: "Meine Zustimmung zum dauerhaften Rettungsschirm hängt dann im Detail von der konkreten Vorlage ab, die dem Deutschen Bundestag übermittelt wird.." Nun hat das ESMFinG den Deutschen Bundestag passiert, dessen Wortlaut mir vorliegt. ich befürchte, wenn dieser ESM-Vertrag Gesetzeskraft erlangt, wird das Mitbestimmungsrecht der Länderparlamente und des EU-Parlamentes in ESM-Finanzierungsfragen schlichtweg ausgehebelt und wir bewegen uns weg von jeglicher Demokratie in ein Zeitalter der Finanz-Herrschaft des eingesetzten, unantastbaren EU-Gouverneursrates. Die Mitgliedsstaaten der EU haben dann vorrangig den Finanzanforderungen dieses Gouverneursrates zur Stabilisierung hilfbedürftiger Mitgliedsstaaten Folge zu leisten, die nationalen Haushalte werden zweitrangig. Der deutsche Staat stemmt 27% des Rettungsfonds und wird eine einflussreiche Stimme im EU-Gouverneursrat haben- um den Preis der Demokratie! Sehr geehrter Herr Danckert, werden Sie dem ESM-Vertragsentwurf am 25.Mai 2012 zustimmen?

Mit freundlichen Grüssen-
Regina Drescher

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Drescher,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie Ihre Sorgen bezüglich der Verfassungsmäßigkeit des dauerhaften Stabilisierungsmechanismus (ESM) erläutern und mich um meine Meinung bitten.
Ich möchte voranstellen, dass ich grundsätzlich für die europäischen Rettungsschirme eintrete. Sie sind Ausdruck der innereuropäischen Solidarität. Diese Solidarität ist selbstredend keine Einbahnstraße. Die von der Refinanzierungskrise betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung für den Abbau ihrer Verschuldung gerecht werden. Wir in der SPD Bundestagsfraktion werden uns auch weiterhin für eine Wachstumsstrategie stark machen, denn ohne wirtschaftliches Wachstum in den Krisenstaaten, kann die notwendige Konsolidierung ihrer Haushalte nicht gelingen. Ein Auseinanderbrechen der Währungsunion hätte gerade für unser Land dramatische und unvorhersehbare Folgen. Es ist meiner Ansicht nach richtig und absolut notwendig, den temporären Rettungsschirm EFSF in einen dauerhaften umzuwandeln, um ein starkes Zeichen gegen Spekulanten zu setzen.
Wir stimmen jedoch überein, dass die bisher getroffenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen. Wir brauchen endlich auch die von uns bereits seit Jahren geforderte Finanztransaktionssteuer, eine stärkere Beteiligung der Gläubiger (Banken etc.), klare Regeln für die geordnete Insolvenz von Banken sowie Wachstumsprogramme für die notleidenden Staaten. Wir lehnen es ab, dass in erster Linie stets die Steuerzahler statt der Krisenverursacher die Zeche zahlen. Leider scheitern diese Forderungen an den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundestag.
Zu den konkreten Verhandlungen zum dauerhaften Rettungsschirm - dem ESM -kann ich Ihnen mitteilen, dass die parlamentarischen Beratungen in Deutschland gerade erst begonnen haben und voraussichtlich bis Juni andauern. Der endgültige Vertrag wurde am 30. Januar 2012 bei dem informellen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs als völkerrechtlicher Vertrag verabschiedet und soll zum 1. Juli diesen Jahres in Kraft treten. Dieser Vertrag wurde dem Bundestag inzwischen zwar zugeleitet, dabei handelt es sich aber um ein völkerrechtlichen Vertrag, der keine konkreten nationalen Bestimmungen enthält, da er für alle 17 Eurostaaten gilt. Die nationale Umsetzung erfolgt durch zwei Gesetze (Finanzierungs- und Ratifizierungsgesetz), in denen alle Modalitäten der parlamentarischen Mitbestimmung und der Kapitalflüsse geklärt werden. Der Entwurf dieses Ausführungsgesetzes wurde am Mittwoch, den 14. März 2012, vom Bundeskabinett verabschiedet. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung enthält jedoch noch keine konkreten Vorgaben zu den Mitspracherechten des Bundestags. Diese Art Leerstelle wird höchstwahrscheinlich durch die Koalition gefüllt werden, es sei denn, es kann ein interfraktioneller Konsens erzielt werden. Wir als SPD-Bundestags-Fraktion arbeiten parallel an einem eigenen Gesetzentwurf, um insbesondere die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Februar 2012 ausnahmslos umzusetzen. Der Gesetzentwurf wurde am 29. März in erster Lesung gemeinsam mit den Entwürfen zur Umsetzung des Fiskalpaktes im Plenum beraten und wird jetzt im federführenden Haushaltsausschuss beraten. Erfahrungsgemäß ergeben sich dabei unter Umständen noch weitreichende Änderungen bzw. Anpassungen. Geplant sind im Rahmen dessen auch mehrere Expertenanhörungen, sowie eine Öffentliche Anhörung Anfang Mai. Die von Ihnen aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen werden dort von Experten und Sachverständigen thematisiert. Basierend darauf werden die Entwürfe dann erneut von den zuständigen Fachgremien des Bundestages (Haushalts- und Rechtsauschuss) intensiv erörtert und geprüft. Es findet also eine umfassende Debatte und thematische Auseinandersetzung mit dieser komplexen Materie statt. Ich stimme Ihnen zu, dass es als Normalbürger kaum noch möglich ist, sich in den komplizierten Vertragswerken Europas zurecht zu finden.
Mein Abstimmungsverhalten wird sich an dem Ergebnis dieser Beratungen und Anhörungen orientieren. Die Zustimmung der SPD zum ESM-Vertrag hängt im Einzelfall von der Vorlage ab, die uns übermittelt wird. An diesen Beratungen wird sich die SPD-Bundestagsfraktion konstruktiv und verantwortungsbewusst beteiligen.
Obgleich ich Ihre Sorgen aufgrund der finanziellen Tragweite dieses Vertrags gut verstehen kann, erlaube ich mir, Sie abschließend darauf hinzuweisen, dass viele der Informationen, die in der Presse oder entsprechenden Portalen wie „Abgeordnetencheck“ kursieren, gar nicht oder nur partiell zutreffen. So hat Deutschland beispielsweise ein de-facto Vetorecht im Gouverneursrat, da für eine Mehrheit (auch im sog. Dringlichkeitsverfahren) 80% der Gesamtstimmen notwendig sind. Deutschland hat mit rund 27 Prozent anfänglichem Stimm- und Kapitalanteil somit ein faktisches Vetorecht im ESM-Direktorium. Die Begleitgesetze zur Ratifizierung sehen –angelehnt an dem derzeitigen parlamentarischen Verfahren beim temporären Rettungsschirm EFSF- vor, dass der deutsche Vertreter in den beiden Gremien, nur an Abstimmungen teilnehmen kann, wenn Ihm ein entsprechendes Votum des Bundestags (sog. Parlamentsvorbehalt) vorliegt. Ist dies nicht der Fall, muss er sich enthalten. Es ist also ausgeschlossen, dass Deutschland sich an neuen Milliardenhilfen für Krisenstaaten beteiligt, ohne dass dies vorher im Bundestag abgestimmt wurde. Es ist korrekt, dass es sich beim ESM um eine internationale Finanzinstitution handelt; diese verfügt jedoch über keine Banklizens. Diese Möglichkeit wird zwar von einzelnen verlangt, ist aber derzeit nicht Gegenstand des Vertrages.
Ich hoffe, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben und versichere Ihnen, dass ich meine Verantwortung als direkt gewählter Abgeordneter auch weiterhin sehr ernst nehme.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Peter Danckert