Frage an Peter Danckert von Michael S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Danckert !
Sie sind Mitglied im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages. Ich habe drei rechtliche Fragen zur Quotenregelung. In jedem Fall, in dem die Quotenregelung zur Anwendung kommt, wird eine Frau aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt und ein Mann aufgrund seines Geschlechts benachteiligt. Genau das verbietet das Grundgesetz:
Niemand darf aufgrund seines Geschlechts bevorzugt oder benachteiligt werden.
Im Grundgesetz steht auch:
Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Männern und Frauen.
Gleichberechtigung bedeutet: Wenn ich als Mann gleich gut qualifiziert bin wie meine (einzige) Mitbewerberin, dann habe ich eine 50%-ige Chance auf den Job. Als 20- jähriger Mann kann ich ja schließlich nichts dafür, daß in der betroffenen Behörde schon 70 Männer und nur 30 Frauen arbeiten. Ich werde im konkreten Fall aufgrund meines Geschlechts benachteiligt.
1. Frage: Wie vereinbaren Sie die Quotenregelung mit Artikel 3 GG? Ich erbete mir eine ausschließlich juristische Antwort auf meine Frage und bitte Sie, auf meine obige Argumentation einzugehen.
2. Frage: Sind Gleichberechtigung und Gleichstellung für Sie dasselbe? Für mich sind es Gegensätze! Gleichstellung bedeutet: Aufgrund einer vermuteten Diskriminierung von Frauen in der Vergangenheit werden konkret, nachweislich und per Gesetz Männer benachteiligt, um einen Ausgleich zu schaffen. Es sind aber nicht dieselben Männer, es ist eine andere Generation. Sie schaffen durch die Quotenregelung und Geichstellung neue Diskriminierung.
3. Frage: Warum wird die Quotenregelung in Kitas Kindergärten und Grundschulen, wo bis zu 100% Frauen arbeiten, nicht zugunsten von Männern angewandt? (Bitte antworten Sie jetzt nicht: Es gibt zu wenig männliche Bewerber! Das ist natürlich richtig, aber gerade deshalb müßte ja die Quotenregelung zugunsten der wenigen Bewerber angewandt werden!)
Mit freundlichen Grüßen
Michael Schreiber
Sehr geehrter Herr Schreiber,
vielen Dank für Ihre Fragen.
Sie haben völlig Recht mit Ihrer Annahme, dass niemand aufgrund seines Geschlechts diskriminiert werden darf. Diese Ungleichbehandlung ist auch nicht durch Artikel 3 des Grundgesetzes gerechtfertigt. Dennoch ist die Quotenregelung mit diesem Gesetz vereinbar. In Deutschland sieht § 8 Abs. 1 des Bundesbeamtengesetzes (in der aufgrund § 3 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung geänderten Fassung) ausdrücklich die Möglichkeit einer Quotenregelung vor:
(1) Die Bewerber sind durch Stellenausschreibung zu ermitteln. Ihre Auslese ist nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen. Dem stehen gesetzliche Maßnahmen zur Förderung von Beamtinnen zur Durchsetzung der tatsächlichen Gleichstellung im Erwerbsleben, insbesondere Quotenregelungen mit Einzelfallprüfungen, sowie gesetzliche Maßnahmen zur Förderung schwerbehinderter Menschen nicht entgegen.“ Diese Normierung verfolgt den Zweck, eine zwischen Männern und Frauen ausgewogene Stellenbesetzung zu erreichen, ihre Zulässigkeit ist jedoch - insbesondere im Hinblick auf das grund- (Art. 3 GG) und europarechtlich (Art. 141 IV EGV) geschützte Gleichbehandlungsgesetz - problematisch. Eine „starre Quote“, wonach Frauen ohne Rücksicht auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung bevorzugt eingestellt werden, ist verfassungswidrig und deshalb unzulässig. In Ihrem Fall kommt die Quotenregelung zum Einsatz, da in diesem Betrieb nur 30 Frauen und 70 Männer arbeiten und somit unterrepräsentiert sind. Sind zwei Bewerber im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG gleichqualifiziert, verbleibt dem öffentlichen Arbeitgeber ein Auswahlermessen. Er kann Hilfskriterien zur Entscheidung heranziehen. Diese sind nicht zwingend festgelegt. Sie dürfen allerdings nicht sachwidrig sein, insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen.
Hinsichtlich der Frage, ob Gleichberechtigung und Gleichstellung dasselbe sind, bin ich folgender Ansicht: Bei der Gleichberechtigung geht es um die formelle Gleichbehandlung durch das Recht. Gleiche formale Rechte gewährleisten noch nicht gleiche Chancen, daher wird der Begriff heute (wie auch Gleichbehandlung) kaum mehr verwendet, sondern es wird von Gleichstellung gesprochen. Natürlich ändern sich die Generationen, dennoch ist unsere Gesellschaft teilweise von Männern dominiert. In den Vorständen sitzen mehr Männer als Frauen, weil Männern oft mehr Aufstiegsmöglichkeiten geboten werden als Frauen. Diese Ungleichbehandlung muss bekämpft werden. Die Gleichstellung von Männern und Frauen wird durch Maßnahmen erreicht, die darauf abzielen, Frauen wie Männern gleiche Chancen zu geben, Barrieren zu beseitigen und die unterschiedlichen Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichermaßen zu berücksichtigen. Eine Diskriminierung der Geschlechter gilt es vorzubeugen.
Nun möchte ich zu Ihrer letzten Frage kommen. Natürlich haben Sie Recht mit der Annahme, dass zu wenig Männer in Kitas, Kindergärten und Grundschulen arbeiten. Ein Grund ist sicher, dass der Kindergarten vielfach noch eine ,rein weibliche Welt‘ ist, in der kulturübliche weibliche Atmosphären, Spiele und Tätigkeiten gefragt sind. Es ist sinnvoll, mehr Männern diesen Beruf schmackhaft zu machen: Männer spielen anders und gehen anders mit Kindern um. Sie bringen eine andere Stimmung in die oft reinen Frauenteams, sehen Konflikte anders. Ein Quotenregelung zugunsten von Männern wäre die logische Konsequenz. Aber was bringt eine „Männer“-Quote, wenn es zu wenig Bewerber gibt. Bei einer solchen Regelung bestünde die Gefahr, dass auch die Bewerber die weniger qualifiziert wären, die Stelle bekommen würden. Dies wäre im schlimmsten Fall schädlich für das Kindeswohl. Aber ich möchte hier nicht den Teufel an die Wand malen. Natürlich sind Männer in Kitas notwendig, um eine optimale Erziehung unserer Jüngsten zu gewährleisten. Auf dem zweiten bundesweiten Fachtag für Männer in Kitas wurden bereits viel in Bewegung gesetzt, z.B. der Anstieg des männlichen Fachpersonals seit der ersten Fachtagung in Dresden im Jahr 2007. Der noch längst nicht zu Ende diskutierten Brisanz der Thematik „Männer in Kitas“ wird mit der Zuversicht gegenübergetreten, dass sich bis zur Fachtagung in Köln (2011) weiterhin vieles bewegen wird. „Vieles Bewegen“ heißt hier auch, wenn der von der EU bereits 1996 angestrebte Männeranteil von 20% in der Kita erreicht werden kann.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen Ihre Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Danckert, MdB