Frage an Peter Alberts von Frank H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Alberts!
Die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) ist ein Sozialverband, der immer die Menschen in den Mittelpunkt allen gesellschaftlichen Handelns stellt. Grundlage für die Arbeit der KAB ist die Katholische Soziallehre die 1891 in der Enzyklika "rerum novarum" von Papst Leo XIII ihren Anfang genommen hatte. Das Thema "Arbeit und Löhne" war seitdem immer ein Schwerpunkt in den päpstlichen Schreiben. "Schließlich ist die Arbeit so zu entlohnen, dass dem Arbeiter die Mittel zu Gebote stehen, um sein und der Seinigen materielles, soziales, kulturelles und spirituelles Dasein angemessen zu gestalten (…)." verfassten Anfang der 60er Jahre die Teilnehmer des zweiten Vatikanischen Konzils in ihrem Schreiben "Gaudium et Spes". Auf dieser Grundlage richten wir unsere Fragen an Sie als Kandidat für das Europaparlament:
"Wir, die KAB St. Johannes Baptist Rietberg, halten es für verheerend, dass sich der Niedriglohnsektor ausweitet, immer mehr Hungerlöhne gezahlt werden und die Leiharbeit in einem großen Ausmaße missbraucht wird. Welche Wege sehen Sie und wollen Sie gehen, um diese Entwicklung zu stoppen?"
Sehr geehrter Herr Henrichfreise,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich will mich bei der Antwort auf den europäischen Aspekt des von Ihnen angesprochenen Themas beschränken.
Sie haben völlig recht, dass in vielen Bereichen unseres heutigen Arbeitslebens sittenwidrig niedrige (und auch auf der Kehrseite der Medaille auch sittenwidrig hohe) Löhne gezahlt werden. Dagegen muss dringend etwas unternommen werden. Menschen müssen von dem Lohn für Ihre Arbeit menschenwürdig leben können, alles andere ist Ausbeutung.
Die Europäische Union ist dabei leider zu Teilen ein Teil des Problems, weil wir einen europäischen Binnenmarkt, aber keinen europäischen Sozialraum haben. So werden die Mitgliedsstaaten und die Unternehmen geradezu dazu eingeladen, in einen Dumpingwettbewerb bei Löhnen, Sozialstandards aber auch bei Unternehmenssteuern zu treten. Das setzt eine Abwärtsspirale in Gang, die nur durch europäische Mindestregelungen aufgehalten werden kann. Genau deswegen fordern wir Grüne die Einrichtung eines Europäischen Sozialpaktes, der neben der politischen und wirtschaftlichen Integration eine soziale Integraition als drittes Standbein der europäischen Einigung bringen würde. Dazu gehören Mindestlöhne in jedem Land der EU - Deutschland hinkt hier hinterher. 20 der 27 EU-Staaten haben Mindestlöhne und haben damit gute Erfahrungen gemacht. Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass durch Einführung eines Mindestlohns keineswegs der Sozialismus ausbricht. Das entsprechende Geschrei von CDU/CSU und FDP, die diese Forderung mit dem Kampfbegriff "Planwirtschaft wie in der DDR" versehen, ist deswegen nichts anderes als Panikmache und Propaganda. Und natürlich fordert niemand, jedenfalls nicht wir Grünen, einen einheitlichen Mindestlohn von Sofia bis Stockholm, natürlich muss es um prozentual vergleichbare Zahlen gehen, beispielsweise 60 % des jeweiligen Durchschnittlohnes in einem Land.
Der Lohn ist dabei nicht das einzige. Sozialstandards beinhalten natürlich sehr viel mehr. Die Auseinandersetzung um die Arbeitszeitrichtlinie zeigt leider, dass das Europäische Parlament wieder einmal sehr viel weiter war im Schutz der Interessen von ArbeitnehmerInnen als die Regierungen der Mitgliedsstaaten. Dass eine fortschrittlichere Arbeitszeitrichtlinie, die verhindert hätte, dass weiterhin Höchstarbeitszeiten von 68 Stunden pro Woche Europaweit zugelassen sind, im Europäischen Rat gescheitert ist, lag leider auch am deutschen, sozialdemokratischen Arbeitsminister Olaf Scholz. Für weitere Informationen zum Thema empfehle ich Ihnen die Website meiner geschätzten Parteifreundin Elisabeth Schroedter MdEP: http://www.elisabeth-schroedter.de
Ich freue mich sehr, dass meine Partei auf Ihrem letzten Bundesparteitag die Forderung der Gewerkschaften nach einem flächendeckenden Mindestlohn von € 7,50 in Deutschland aufgegriffen und sich zu eigen gemacht hat. Um diese Forderung umzusetzen, brauchen wir allerdings die Unterstützung der WählerInnen: jede Stimme für CDU/CSU und FDP, sowohl bei der Europa- als auch bei der Bundestagswahl, verhindert die Einführung einer gesetzlich garantierten menschenwürdigen Mindestentlohnung. Von der FDP kann mensch wohl nichts anderes erwarten, aber bei den Unionsparteien halte ich das für untragbar, so lange sie in ihrem Namen das Christentum für sich reklamieren. Ich hoffe, dass Sie als Katholik mir darin zustimmen können.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Alberts