Frage an Peter Alberts von Kolja J. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Sehr geehrter Herr Alberts,
die GRÜNEN wollen nicht, dass die EU-Agrarsubventionen (EU-AS) abgeschafft werden. Diese Aussage wird so begründet:
"Die nachhaltige Landbewirtschaftung ist ein wichtiger Schlüssel zur Bewältigung der großen Herausforderungen Welternährung, Klimawandel und Artenschutz. AS sind dann gerechtfertigt, wenn damit Leistungen, die von der Gesellschaft gewünscht sind, für die es aber keinen Markt gibt, honoriert werden. Das können z.B. die Umweltleistungen des Ökolandbaus sein. Wir wollen den konsequenten Umbau der AS nach dem Motto: öffentliches Geld für öffentliche Güter."
Durch die Handelshemmnisse der EU-AS wird es für Nicht-EU-Länder stark erschwert, Agrarprodukte in EU-Länder zu exportieren, auch wenn sie nachhaltig produziert wurden. Während also auf der einen Seite finanziell Entwicklungshilfe für Entwicklungsländer geleistet wird, drücken die europäischen AS die Preise für Agrarprodukte in Entwicklungsländern in den Keller. Eine selbstständige wirtschaftliche Entwicklung in armen Ländern wird verhindert und geographische Disparitäten und die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von Industriestaaten werden verstärkt. Wo die freie globale Marktwirtschaft also ausnahmsweise einmal sozial ist, wird sie durch die AS eingeschränkt und dadurch asozial.
Um einen Weg aus der Wirtschaftskrise finden zu können, wurde beschlossen, dass keine Handelshemmnisse zwischen Staaten geschaffen werden sollen. Werden diese für Sekundärgüter geschaffen, gibt es internationalen Aufruhr, werden sie für Primärgüter geschaffen, beschwert sich niemand, weil es ja "nur" die ärmeren Länder sind, die vom primären Sektor abhängig sind.
Müsste die Aussage der GRÜNEN also nicht eher lauten: " Wir wollen nachhaltige Landwirtschaft innerhalb der EU auch weiterhin durch Subventionen fördern, diese Subventionen aber auch an Landwirte außerhalb der EU zahlen, die eine nachhaltige Landwirtschaft betreiben und Agrarprodukte in die EU exportieren"?
Mit freundlichen Grüßen
Kolja Jörns
Sehr geehrter Herr Jörns,
wir GRÜNE wollen nicht, dass die EU-Agrarsubventionen von einem Tag auf de anderen komplett abgeschafft werden, das ließe sich auch realistischerweise in der politischen Praxis überhaupt nicht umsetzen. Aber natürlich wollen wir eine deutliche Verringerung und Umsteuerung bei den Agrarsubventionen. Die Exportsubventionen der EU wollen wir allerdings sofort abschaffen.
Ich weiß nicht, woher das Zitat stammt, dass Sie in Ihrer Frage anführen, aus unserem Europawahlprogramm stammt es jedenfalls nicht. Ich finde es auch schwierig, auf Zitate ohne Quellenangabe einzugehen. Aber ich will mich von der Aussage des Zitates gar nicht distanzieren. Natürlich kann es gerechtfertigt sein, ökologische Leistungen auch der Landwirtschaft zu unterstützen, wenn diese im Sinne des globalen ökologischen und sozialen Gleichgewichts einen positiven Effekt erzielen. Die derzeitige Praxis der EU-Agrarsubventionen tut allerdings das genau Gegenteil und muss deswegen dringend korrigiert und auch quantitativ sehr deutlich zurückgeschraubt werden. Der zur Zeit größte Profiteur der Agrarsubventionspraxis der EU ist das britische Königshaus, und allein dieser Umstand zeigt, dass hier das System ganz grundsätzlich nicht funktioniert.
Insofern ist der Eindruck, den Sie in Ihrer Frage erwecken, wir wären für die gegenwärtige Subventionspraxis, falsch und irreführend.
Ich bin völlig mit Ihnen einverstanden, dass wir uns als EU nicht vor der landwirtschaftlichen Produktion der Entwicklungsländer abschotten dürfen. Unsere Märkte sollten für diese Produkte offen sein. Andersherum gibt es manchmal gute Gründe für mehr Protektionismus. Die Entwicklungsländer müssen die Chance haben, ihre heimischen Märkte vor der subventionierten Überproduktion Europas zu schützen.
Der Vorschlag, Agrarsubventionen außerhalb der EU an Entwicklungsländer zu geben, scheint mir problematisch. Wir setzen stattdessen mehr auf Hilfe zur Selbsthilfe, direkt die Produktion zu fördern und damit das Subventionsmodell, dass in Europa die Märkte verzerrt, auch noch weiter zu exportieren, scheint mir da nicht der richtige Ansatz. Stattdessen müssen wir ernst machen mit unserer Selbstverpflichtung, die Milleniumsziele der VN zu erfüllen und müssen deswegen deutlich mehr in der Entwicklungszusammenarbeit tun und dafür auch deutlich mehr Geld ausgeben.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Alberts