Frage an Paul Raphael Wengert von Jutta A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wengert,
eine Frage, die nicht Sie persönlich betrifft, die Sie mir aber sicher beantworten können. Das Vertrauen und der Glauben an "unsere" Politiker und die SPD hat in den letzten Jahren sehr gelitten. Vollmundige Versprechungen wurden durch geschaffene Reformen und Gesetze häufig zum Nachteil der Wählerinnen und Wähler ersetzt (Agenda 2010, Gesundheitsreform). Der Glaube in Erneuerung und Wahlprogramme ist verloren gegangen. Der Wähler ist verunsichert.
Wie kann der Wähler wieder Vertrauen in die SPD finden?
Vielen Dank und mit freundlichen Grüßen
Jutta Aumüller
Liebe Frau Aumüller,
gerne beantworte ich Ihre Frage, auch wenn dies gar nicht so einfach ist, weil Sie zwar von "Vollmundigen Versprechungen" schreiben, aber diese nicht näher konkretisieren und bestimmten Parteien zuordnen. Sicherlich ist es ärgerlich, dass die von der Schwarz-gelben Koalition in der Tat vollmundig versprochenen großen Reformen, z.B. im Bereich Gesundheit und Steuern, nicht einmal ansatzweise erfolgt sind. Dass dies das Vertrauen der WählerInnen nicht gerade stärkt, liegt auf der Hand. Allerdings bitte ich darum, zwischen den Parteien zu unterscheiden.
Die Agenda 2010 hat vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen Forderungen aufgenommen, die zu einer Stabilisierung der Sozialen Standards und Verstetigung des Wachstums führen sollten. Dabei ging es u.a. auch um Maßnahmen wie die Umsetzung des Lohnabstandsgebots. Dass ein Teil der Reformen ihre Ziele verfehlt und teilweise zu sozialen Verwerfungen geführt haben, hat die SPD selbstkritisch zum Anlass genommen, ihre Positionen durch entsprechende Parteitagsbeschlüsse zu revidieren und in das Regierungs- programm für die Zeit nach der Bundestagswahl aufzunehmen. Unbestritten ist weiterhin, dass ein Teil der Reformen von Unternehmerseite missbraucht wurden, wie wir es im Bereich der Zeit- und Leiharbeit, der rechtsgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen oder des Grundsatzes "Equal pay and treatment" in erschreckender Weise ebenso erleben wie im massenhaften Missbrauch des Werkvertragsrechtes. Dies war für die SPD seinerzeit so nicht vorhersehbar und daraus folgt z.B. auch die unmissverständliche Forderung nach einem gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 €. Die SPD ist zudem auch von einem starren Renteneintrittsalter abgerückt. So sollen künftig 45 Beitragsjahre zum vollen Rentenanspruch führen, unabhängig in welchem Alter der/die Betroffene in Rente gehen möchte. Zur Verhinderung von Kleinstrenten und damit verbundener Altersarmut soll es künftig eine Grundrente von 850 € geben, die steuerfinanziert ist.
Vielleicht stärkt es Ihr Vertrauen in die SPD, dass diese im Gegensatz zu den regierenden Parteien und einem Teil der Opposition klar sagt, in welchen Bereichen sie mehr Geld ausgeben möchte und vor allem, wie sie diese Ausgaben finanzieren will. Es ist kein leichtes Unterfangen, in einem Wahlkampf Steuererhöhungen anzukündigen, um in Bildung, Forschung, Kinderbetreuung, Soziale Sicherung und Infrastruktur investieren zu können - auch wenn die höheren Leistungen nur den starken 5 Prozent unserer Gesellschaft abgefordert werden sollen. Die Regierungsfraktionen werden nicht müde, den Menschen zu erzählen, dass dies Steuererhöhungen z.B. auch Facharbeiter betreffen würde, obwohl der künftige Spitzensteuersatz ein zu versteuerndes Einkommen für Einzelverdiener von 100.000 € voraussetzt (da muss man also brutto rd. 130.000 im Jahr verdienen! Wer WählerInnen auf diese Weise zu täuschen versucht, verliert zu recht deren Vertrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Paul Wengert, MdL