Frage an Paul Lehrieder von Ulrich W. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Lehrieder,
während der Rede von Katja Kipping am 24.03.2011 vor dem Bundestag zum Antrag "Sanktionen im SGB II und Leistungseinschränkungen im SGB XII abschaffen" meldeten Sie sich mit einem Zwischenruf zu Wort. Der Vortrag liegt als Videobeitrag vor.
Frau Kipping kritisierte die Sanktionspraxis des SGB II mit den Worten: „Jährlich werden mehr als 700 000 Sanktionen verhängt. Eine Sanktion bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die ohnehin niedrigen Regelleistungen gekürzt werden. Die Wirkung dieser Sanktionen ist verheerend. Zum einen widersprechen sie dem Grundrecht auf ein soziokulturelles Existenzminimum, zum anderen führen sie bei den Betroffenen zu Existenzangst, ja, zu richtiger existenzieller Not. Um das noch einmal zu verdeutlichen:
Jeden Monat sind im Durchschnitt 12 000 Menschen vom kompletten Entzug der Hartz-IV-Leistungen betroffen. Ja, selbst Schwangere werden mit dem kompletten Entzug der Leistungen bedroht, wenn sie nicht jeden 1-Euro-Job, nicht jedes Jobangebot annehmen.“
Das Stenoprotokoll (Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge, DIP) zitiert sie mit dem Zwischenruf: (Paul Lehrieder: Zumutbar!)
Ich möchte Sie bitten hierzu Stellung zu beziehen. Vertreten Sie tatsächlich die Auffassung, die Sanktionierung von Schwangeren unter das Existenzminimum sei zumutbar? Oder beziehen Sie Ihre Aussage auf die Sanktionierung bei „Arbeitsverweigerung“ schlechthin? Der Bundesrechnungshof kritisiert seit Jahren den Missbrauch von 1-€-Jobs und die Mitnahmeeffekt der Träger. Halten Sie Sanktionen bei illegaler Zwangsarbeit wirklich für angemessen?
Auf meinem persönlich verantworteten Internetauftritt dokumentiere ich anhand anonymisierter Dokumente mehrere Beispielklagen von rechtswidrigen 100%-Sanktionen im Bereich des Jobcenters MK. Ich bitte um Ihre persönliche Stellungnahme zu solchen nachgewiesen, rechtswidrigen Sanktionen.
Sehr geehrter Herr Wockelmann,
haben Sie Dank für Ihren Beitrag. Ich möchte Sie allerdings auf meinen eigenen Redebeitrag am selben Tag hinweisen, in dessen Kontext mein Zwischenruf zu verstehen ist. Mein Ausruf "zumutbar" bezog sich nicht auf die von Frau Kipping erwähnten Sanktionen, sondern auf die Tätigkeiten, welche Schwangere unter Umständen ausführen müssen: Der Staat vermittelt nämlich Schwangere nicht in Tätigkeiten jeglicher Art, wie Frau Kipping behauptet, sondern eben nur in jene, die ZUMUTBAR sind!
Sollten Sie also das Plenarprotokoll weiter verfolgen, werden Sie zu der von Ihnen zitierten Stelle auf den Seiten 11403f. in meiner Rede die Erklärung finden: "Frau Kollegin Kipping, Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Vermittlung nur in zumutbare Beschäftigungsverhältnisse erfolgt. Das heißt, eine Hochschwangere wird kaum in eine körperlich anspruchsvolle Tätigkeit vermittelt werden können."
Mit freundlichen Grüßen
Paul Lehrieder,
Mitglied des Deutschen Bundestages