Frage an Patrick Sensburg von Markus B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Damit wir uns nicht mißverstehen; es geht mir nicht darum, "die Politiker" pauschal in einem schlechten Licht erscheinen zu lassen. Aber hat Richard von Weizsäcker mit seiner Kritik an der "Machtversessenheit" der Politiker nicht doch recht? Auch wenn diese Äußerung des einstigen Bundespräsidenten schon einige Tage her ist, kann auch heute der (Helmut Kohlsche) Verweis auf die vielen ehrenamtlichen Parteimitglieder nicht zur Widerlegung der Weizsäckerschen Parteienkritik gelten gelassen werden. Denn: Die "Vielen" haben in den politischen Parteien und in der Politik im allgemeinen nämlich nicht allzu viel zu sagen!
Die von Ihnen genannten heutigen Mitwirkungsmöglichkeiten von politisch interessierten Bürgern sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung. Jetzt fehlt aber z.B. die Möglichkeit - da die Kandidatenaufstellung für öffentliche politische Ämter allein den Parteistrategen überlassen wird - von öffentlich abgehaltenen Vorwahlen im Wahlkreis zwecks unmittelbarer Bindung der potentiellen Abgeordneten an den Bürgerwilllen.
Das hätte übrigens auch für die so aufgestellten und gewählten Volksvertreter den Vorteil, sich parteiintern (sachlich begründet) eine "abweichende Meinung" von der vorherrschenden Parteilinie leisten zu können, ohne befürchten zu müssen, von der Parteiführung abgestraft zu werden.
Dann würde vielleicht auch "ehrliche Arbeit" (Norbert Blüm) in Wirtschaft und Politik wieder mehr honoriert und lächerliche Parolen von mit der Wirtschaft verfilzten Politikern ("Mehr Kapitalismus wagen") würden nicht mehr ein derartiges politischen Gewicht bekommen, wie das heute de facto noch der Fall ist - und der politischen Apathie könnte Einhalt geboten werden durch das Zubilligen von politischer Kompetenz der Bürgerschaft gegenüber, nicht gegen, sondern in Ergänzung zum gewählten Volksvertreter.
Sehr geehrter Herr Bunse,
über www.abgeordnetenwatch.de können Sie Fragen an Politiker stellen, die ich den Anfragenden auch immer gerne beantworte. Ich freue mich dabei auch sehr, die Meinung der Menschen zu erfahren, die mich sonst nicht anzusprechen trauen oder hierzu keine Zeit finden. Die von Ihnen gebrachten Zitate stimmen allerdings nicht. Weder hat Richard von Weizsäcker äußern wollen, dass (alle Politiker) "machtversessen" sind, noch hat Norbert Blüm gesagt, dass "ehrliche Arbeit" in Wirtschaft und Politik dadurch honoriert wird, dass wir Bürgerentscheide auf Bundesebene einführen.
Ebenso kann ich Ihre Meinung nicht teilen, nach der öffentlich abgehaltenen Vorwahlen im Wahlkreis die potentiellen Abgeordneten unmittelbarer an den Bürgerwillen binden würde. Es gibt "den Bürgerwillen" nicht, sondern viele unterschiedliche Interessen in unserer Gesellschaft. Ich fühle mich als Abgeordneter als Vertreter des ganzen Volkes und nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur meinem Gewissen unterworfen. So ist es in Art. 38 GG geregelt und dies ist sehr weise. Alles andere würde unsere Demokratie zu einer Interessendemokratie verkommen lassen. Die Politik muss einen gerechten Interessenausgleich der vielen berechtigten Interessen schaffen.
Ich bitte Sie aber doch einfach zu einer der vielen Veranstaltungen von mir im Sauerland zu kommen. Wir können dann gemeinsam mit anderen diskutieren.
Mit den besten Grüßen
Ihr
Patrick Sensburg