Frage an Patrick Sensburg von Wiese N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Sensburg,
seit einigen Wochen geistert ein neues, stark umstrittenes Thema durch den Raum - es handelt sich um ACTA ("Anti-Counterfeiting Trade Agreement").
Ein Gesetz, das mehr oder weniger, das Urheberrechtsgesetz ablösen soll und über das Sie als mein gewählter Vertreter im Europäischen Parlament abstimmen werden.
Vielleicht ist noch nicht ganz klar warum ich meine Beitrag unter der Thematik "Demokratie und Bürgerrechte" eingeordnet habe - das hat aber einen ganz einfachen Grund. Im ARD-Nachtmagazin von 02. Februar 2012 gab es einen Beitrag zu eben diesem Thema. Dort sagte der polnische Politiker Janusz Palikot (Partei: Ruch Palikota) soviel wie es handle sich bei ACTA um ein "Attentat auf die Freiheit".
In einem Online-Informationsblatt (bereitgestellt von der Europäischen Kommision) zum Thema ACTA heißt es "Durch das ACTA wird niemandem der Internetzugang gesperrt" es werden allerdings weder Informationen zu Punkten wie der kompletten Überwachung durch die Internetprovider gegeben noch zu der daraus resultierenden Problematik eine "Privatisierung der Rechtsdurchsetzung" (wie es Markus Beckedahl vom Verein digitale Gesellschaft nennt).
Ich möchte nun wissen was:
1. Sie selbst von ACTA halten.
2. ob es zu einer Überwachung sämtlicher Internetnutzer durch die Provider kommen wird, was mit einem Verstoß gegen das Kommunkationsgesetz / das Postgeheimnis, welches im Artikel 10 des Grundgesetzes geregelt ist, gleichzusetzen wäre.
3. wie Sie über dieses Thema im Europäischen Parlament abstimmen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Niclas Wiese
Quellen:
Informationen der Europäischen Kommision: http://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2012/february/tradoc_149034.pdf
ARD-Nachtmagazin von 02. Februar 2012: http://www.youtube.com/watch?v=vMz5De_k6-M
Sehr geehrter Herr Wiese,
für Ihre Frage bedanke ich mich. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass ich Abgeordneter des Deutschen Bundestages für den Hochsauerlandkreis bin. Ich bin nicht, wie Sie annehmen, Mitglied des Europäischen Parlaments.
Gerne gehe ich aber auf Ihre Fragen ein.
1) Ich unterstütze das Ziel von ACTA, dass die Unterzeichnerstaaten gegen gefälschte Markenartikel vorgehen, unter denen heute viele Unternehmen, Künstler, Autoren und Musiker in Europa leiden. Wegen den in Milliardenumfang gehandelten gefälschten Produkten und der ständigen Verletzung des geistigen Eigentums sind in Europa bereits tausende Arbeitsplätze verloren gegangen oder gar nicht erst entstanden. Wir müssen etwas tun, um hier unsere Interessen durchzusetzen: ACTA ist ein Baustein, der beispielsweise dabei hilft, dass europäische Modedesigner, Künstler oder Automobilhersteller ihre Rechte ausreichend geschützt wissen, wenn sie sich mit der Fälschung ihrer Produkte außerhalb Europas konfrontiert sehen. Wir "exportieren" also durch ACTA europäische Standards und importieren nicht ausländisches Recht.
2) Im ACTA-Abkommen geht es nicht um die Kontrolle oder Überwachung privater Internetkommunikation oder die Zensur von Websites. Ziel ist es, einschlägigen Rechtsverletzungen im digitalen Umfeld entgegenzuwirken. Durch ACTA werden keine neuen Rechte des geistigen Eigentums, insbesondere des Urheberrechts, geschaffen. Stattdessen wird nur das im jeweiligen Land festgelegte Urheberrecht von den Unterzeichnerländern von ACTA durchgesetzt. Dies alles hat der Rechtsdienst des Europäischen Parlaments in zwei vom Außenhandelsausschuss (INTA) und vom Rechtsausschuss (JURI) beauftragten Rechtsgutachten eindeutig bestätigt. Beide Gutachten sind auch im Internet verfügbar unter http://lists.act-on-acta.eu/pipermail/hub/attachments/20111219/59f3ebe6/attachment-0010.pdf (Rechtsgutachten des Legal Service für den JURI ab S.1 und für den INTA ab S. 9).
3) Meines Erachtens basiert die Kampagne gegen ACTA, wie sie zurzeit in der Öffentlichkeit geführt wird, massiv auf Fehlinformationen statt auf sachlichen Argumenten gegen den eigentlichen Text des Abkommens. Das Desinteresse einiger Akteure an der Durchsetzung geltenden Urheberrechts im Internet sollte hierbei nicht unterschätzt werden. Denn ACTA dient in erster Linie der Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen im großen Stil, wie sie oft von kriminellen Organisationen und Internetplattformen begangen werden, deren Geschäftsmodell auf den Upload von urheberrechtlich geschützten Inhalten abzielt. ACTA ist kein geheimes Abkommen: Der endgültige Vertragstext von ACTA ist in allen Amtssprachen der EU verfügbar. Die deutsche Version ist unter http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/11/st12/st12196.de11.pdf abrufbar. Zudem stellt die Europäische Kommission umfangreiches Informationsmaterial in englischer Sprache unter http://ec.europa.eu/trade/creating-opportunities/trade-topics/intellectual-property/anti-counterfeiting/ zur Verfügung.
Mit besten Grüßen
Ihr
Patrick Sensburg