Frage an Patrick Schnieder von Anton L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schnieder,
sind Sie für die Volksabstimmung, damit mehr direkte Beteiligung der Bürger an demokratischen Entscheidungen möglich wird?
Mit freundlichem Gruß
Anton Lang
Sehr geehrter Herr Lang,
vielen Dank für Ihre Frage.
Auf Landes- und Kommunalebene, wo es um Problemlösungen vor Ort geht, kann die Stimme des Bürgers in unserem föderalen System auf vielfältige Weise Ausdruck finden, etwa bei Befragungen sowie durch Bürgerinitiativen und Bürgerentscheide. Auf Bundesebene jedoch, können Volksentscheide oder ähnliche Verfahren den oft komplexen Fragen unserer Gesellschaft kaum gerecht werden. Denn meist bieten Volksentscheide nur einfache „Ja“ oder „Nein“ Antworten an. Die Gesetzgebung ist oftmals aber sehr vielschichtig und muss eine kaum überschaubare Vernetzung mit anderen Regelungsbereichen sowie verschiedene Interessen innerhalb der Gesellschaft berücksichtigen. Um hier zu zufriedenstellenden Antworten zu gel.en, wird im Deutschen Bundestag auf dem Wege der Gesetzgebung ein Verfahren angewandt, dass ein hohes Maß thematischer Tiefe und Flexibilität erlaubt. Durch drei Lesungen, Ausschussberatungen, Sachverständigenanhörungen und Berichterstattergespräche wird eine ausgewogene und faire Gesetzesfindung und nicht zuletzt auch die Möglichkeit für Kompromisse sichergestellt.
Volksentscheide erlauben solche detailreiche Diskussionen und Abstimmungen nicht. Die für Volksentscheide übliche Verkürzung vieler Sachthemen könnte leicht zu populistisch beeinflussten Ergebnissen führen, bei denen notwendige Kompromisse auf der Strecke blieben. Dieses würde insbesondere zu Lasten von Minderheiten und gesellschaftlich benachteiligten Gruppen gehen.
Ein weiterer wesentlicher Grund der gegen die Einführung eines bundesweiten Volksentscheids spricht, ist das in der Bundesrepublik Deutschland grundgesetzlich festgelegte System des Föderalismus. Ein bundesweiter Volksentscheid müsste immer auch die Bel.e des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen. Eine bloße vorherige Beteiligung des Bundesrates mit der Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben, reicht hierzu mit Sicherheit nicht aus.
Unser System der repräsentativen Demokratie ist bewährt und hat sich in den letzten 60 Jahren als Garant für Stabilität und soziale Gerechtigkeit erwiesen. Es hat sich gezeigt, dass eine Vielzahl von Entscheidungen des Bundestages nicht nur in der Bevölkerung unpopulär waren, sondern auch erst viele Jahre danach ihre berechtigte Akzeptanz gefunden haben. Gleichwohl ist unstreitig, dass sie für die positive Entwicklung der Bundesrepublik von herausragender Bedeutung waren (z.B. Nato-Doppelbeschluss, Einführung des Euro).
Sie sehen also, dass wir Elementen der direkten Demokratie auf Bundesebene kritisch gegenüberstehen, während sie im kommunalen Bereich eine praxistaugliche Ergänzung sein können.
Mit freundlichen Grüßen
Patrick Schnieder