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Patrick Friedl
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Bernd G. •

Frage an Patrick Friedl von Bernd G. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Friedl,

im gegenwärtigen Petitionsausschuss wurde eine Petition eingereicht, die die Aufhebung der Verjährung im ZIVILRECHT bei sexuellem Missbrauch forderte. Diese Petition wurde vom Ausschuss abgelehnt.

1. Stimmt es, dass die Verjährung dazu führt, dass sich OPFER strafbar machen, wenn sie nach der Verjährung die Namen der Täter nennen, selbst wenn, wie im Falle von Herrn D., ein schriftliches Schuldeingeständis der Kirchenleitung vorliegt?
Das Schweigen über das Erlebte ist sowohl Folge als auch Ursache von oft lebenslangem Leid für die Opfer von sexuellem Missbrauch. Die Fähigkeit, dieses Schicksal zu offenbaren, entsteht oft erst viele Jahrzehnte nach dem Missbrauch und damit oft erst nach der Verjährungsfrist.
Die gegenwärtige Gesetzeslage führt dazu, dass Opfer von sexuellem Missbrauch vom Gesetzgeber (Deutscher Bundestag) gezwungen werden, weiterhin zu schweigen, wenn das Verbrechen "verjährt" ist. Das führt zu "Rechtsfrieden" für die Täter und unter Umständen zu weiterem Leid für die Opfer.
2. Sind Sie damit einverstanden?
3. Falls Sie nicht damit einverstanden sind, was werden Sie im nächsten Deutschen Bundestag unternehmen, um die Verjährung für sexuellen Missbrauch zumindest im Zivilrecht aufzuheben?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Greschke,

zu Ihrer Frage 1:

Nach meiner Kenntnis spielt die Frage der zivilrechtlichen Verjährung für die Frage der strafrechtlichen Bewertung einer Namensnennung keine Rolle. Für die strafrechtliche Bewertung kommt es darauf an, ob wider besseren Wissens unwahre Tatsachen behauptet werden (§ 187 StGB). Das dürfte bei einem Schuldanerkenntnis kaum der Fall sein, kann und darf aber von mir im Konkreten nicht beurteilt werden, denn erstens kenne ich die Einzelheiten des Falles nicht und zweitens ist diese Feststellung Aufgabe der Judikative, also der Gerichte, und nicht der Legislative, des Gesetzgebers (da sie mich ja als Kandidat um ein Mandat im Bundestag, also der Legislative anfragen).

Zu Ihrer Frage 2:

Ich verstehe Ihre Frage so, dass Sie von mir wissen wollen, ob ich die Verjährungregelungen angemessen finde:

Die Regelung zur Hemmung der Verjährung bei Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung (§§ 825, 823 Abs. 1 und 2 BGB) in §§ 208 ff. BGB gehen auf Gesetzgebung unter Rot-Grüner Regierung im Bund zurück. Rot-Grün hat auch den § 825 BGB erst eingeführt. Ich finde die dabei geltenden Verjährungs-Regelungen (nach §§ 195 ff. BGB) angemessen.

Es gibt noch viele andere schwerste Verletzungen absoluter Rechtsgüter, die auch irgendwann verjähren, im Interesse von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit. So unbefriedigend das im Einzelfall erscheinen mag, so verkenne ich neben den berechtigten Interessen der Opfer, die unter Umständen für eine gänzliche "Aufhebung der Verjährung" eintreten, auch nicht das Bedürfnis nach Verjährungsregeln, die - gegebenenfalls nach einer langen Zeit der "Hemmung der Verjährung" (siehe oben) - eben den Rechtsfrieden durch eine Verjährung herzustellen suchen und die Rechtsgemeinschaft dadurch zu Ausdruck bringt, dass sie sich mit den zurückliegenden Rechtsverletzungen abgefunden hat.

Eine Antwort auf Frage 3 erübrigt sich daher.

Zu der von Ihnen angesprochenen Petition von "Herrn Denef" und der Ansicht der Mitglieder des Petitionsausschusses hat Ihnen bereits MdB Paul Lehrieder ausführlich geantwortet. Hier seine Antwort nochmals zur Kenntnis:

"Das Opfer sexuellen Missbrauchs hat gegen den Täter Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche nach § 825 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) (Bestimmung zu sexuellen Handlun­gen), § 823 Abs. 1 BGB (Schadensersatzpflicht bei Verletzung des sexuellem Selbstbestimmungsrecht) und § 823 Abs. 2 BGB (Schadensersatzpflicht wegen Ver­stoßes gegen §§ 174 ff. StGB). Diese Ansprüche verjähren innerhalb der regelmäßi­gen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). In den Fällen sexuellen Missbrauchs werden diese beiden Voraussetzungen im Regelfall unmittelbar mit der Tathandlung erfüllt sein. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, gilt § 199 Abs. 3 BGB: Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis verjähren die Schadensersatzansprüche in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.

Darüber hinaus findet sich in § 208 BGB eine besondere Hemmungsvorschrift für die Verjährung von Ansprüchen wegen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung: Die Verjährung ist bis zur Vollendung des 21. Lebensjahrs des Gläubigers des Schadensersatzanspruchs gehemmt. Lebt der Gläubiger bei Beginn der Verjährung mit dem Schuldner in häuslicher Gemeinschaft, so ist die Verjährung auch bis zur Beendigung der häuslichen Gemeinschaft gehemmt. Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Dies führt zu einer faktischen Verlängerung der regelmäßigen Dreijahresfrist.

Die Aufnahme sowohl des § 825 BGB als auch des § 208 BGB in das Bürgerliche Gesetzbuch in den letzten Jahren zeigen, nach Ansicht des Petitionsausschusses, dass sich der Gesetzgeber der speziellen Thematik sexuellen Missbrauchs durchaus bewusst ist und Regelungsbedarf gesehen hat. Die die Verjährungsfrage betreffende Vorschrift des § 208 BGB schützt die Entscheidungsfreiheit des Schadensersatzan­spruchgläubigers, der ohne fremde Einflussnahme darüber entscheiden können soll, ob er seinen Anspruch durchsetzt oder nicht. Insbesondere im Fall des Missbrauchs Minderjähriger wurde darüber hinaus die Notwendigkeit erkannt, dem Geschädigten die Möglichkeit emotionaler Verarbeitung zu belassen. Aus diesem Grund wurde die Altersgrenze nicht bei Erreichen der Volljährigkeit angesiedelt, sondern auf die Vollendung des 21. Lebensjahrs abgestellt, so dass das volljährig gewordene Opfer eine längere Bedenkzeit hat. Die Hemmung in den Fällen einer häuslichen Gemein­schaft zwischen Täter und Opfer trägt der Erkenntnis Rechnung, dass durch die häusliche Gemeinschaft häufig eine Nähebeziehung begründet wird, die die Ent­schließungsfreiheit des Opfers häufig in vergleichbarer Weise beeinträchtigt, wie die Minderjährigkeit.

Auch lässt sich nach Ansicht des Ausschusses mit Blick auf für vergleichbare Scha­densersatzansprüche geltende Verjährungsfristen nicht rechtfertigen, bestimmte Schadensersatzansprüche ganz von der Verjährung auszunehmen oder die Verjäh­rungsfristen für diese Ansprüche zu verlängern. Für Ansprüche wegen der Verlet­zung anderer absoluter Rechte wie Körper, Gesundheit oder Freiheit, gilt die regel­mäßige Verjährungsfrist. Auch bei diesen Ansprüchen gibt es Fallgruppen, bei denen es nicht untypisch ist, dass die Opfer die erlittenen Verletzungen zunächst ver­schweigen, z.B. bei Kindern und auch Erwachsenen, die ohne sexuellen Bezug von Familienangehörigen oder anderen Personen, von denen sie abhängig sind, gequält und misshandelt wurden. Die daraus entstandenen Verletzungen können je nach Einzelfall auch ebenso schwer oder schwerer wiegen als in den Fällen sexuellen Missbrauchs. Bei der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung trägt die beson­dere Verjährungshemmung für Ansprüche verletzter Minderjähriger einer solchen Situation dieser Geschädigten besonders Rechnung.

Auch bei den Ansprüchen wegen der Bestimmung zu sexuellen Handlungen kann nach Ansicht des Ausschusses nicht auf Verjährungsregelungen verzichtet werden. Verjährungsregelungen sind vielmehr zur Aufrechterhaltung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit unabdingbar. Der Rechtsverkehr benötigt klare Verhältnisse und soll deshalb vor einer Verdunkelung der Rechtslage bewahrt werden, wie sie bei später Geltendmachung von Rechtsansprüchen auf Grund längst vergangener Tat­sachen zu befürchten wäre. Auch ist es im Interesse von Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zu befürworten, möglichst einheitliche Verjährungsfristen zu schaffen. Deshalb gelten für die Verjährung von Ansprüchen wegen der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung dieselben Regelungen wie für Schadensersatzansprü­che wegen der Verletzung vergleichbarer Rechtsgüter.

Der Petitionsausschuss ist der Ansicht, dass die geltenden Verjährungsvorschriften für zivilrechtliche Ansprüche von Opfern sexueller Misshandlungen bereits in ausrei­chendem Maße den besonderen Schutzbedürfnissen der Opfer Rechnung tragen. Sie geben den Opfern ausreichend Zeit, ihre Schadensersatzansprüche geltend zu machen."

Mit freundlichen Grüßen,

Patrick Friedl

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