Frage an Patrick Cem Öztürk von HARALD M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
wir diskutieren bürgerbeteiligung in bremerhaven, wie soll das gehen?
Sehr geehrter Herr Metzdorf,
vielen Dank für Ihre Anfrage und Ihr Interesse.
Immer mehr Menschen fühlen sich von den politischen Entscheidungen ausgeschlossen und von den regierenden Politikern nicht in ihren Meinungen und Sorgen repräsentiert. Dies zeigt sich in einer stetig sinkenden Wahlbeteiligung, in einer wachsenden Politikverdrossenheit sowie einer Zunahme rechtsorientierter Parteien und Zusammenschlüsse. Deshalb ist für mich die Frage danach wie wir mehr Menschen an Politik direkt beteiligen können eine mit großer Priorität.
Dabei müssen wir verschiedene Dinge bedenken. Im Folgenden möchte ich einige Punkte ansprechen, die ich in der kommenden Wahlperiode gern in der Bremischen Bürgerschaft ändern möchte und danach Punkte, die wir als Partei auf kommunaler Ebene in Bremerhaven ändern müssen.
Punkt 1 - Transparenz der Politik und Behörden: Innerparteiliche oder behördliche Entscheidungen sind oft wenig nachvollziehbar und das Vorgehen der Politik und Behörden oft wenig transparent.
Ich fordere daher eine absolute Transparenz für alle die Öffentlichkeit betreffenden politischen und behördlichen Entscheidungen, Beschlüsse und sonstigen relevanten Dokumente (einen entsprechende Rede zu diesem Thema habe ich bereit in die Bremische Bürgerschaft eingebracht, siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=c6QDCHLh00w). Diese sollen offen über das Internet zugänglich gemacht werden, im sogenannten „Informationsregister“ (siehe hier: http://www.bremen.de/buergerservice/amtliche_informationen/dokumentensuche), sodass jede Bürgerin und jeder Bürger direkten Zugriff auf diese Informationen bekommen kann. Dies stellt sicher, dass Bürgerinnen und Bürger nicht von relevanten Informationen ausgegrenzt werden, ist Grundlage für weiterführende Beteiligungsmöglichkeiten und schafft eine Kontrolle der Bürgerinnen und Bürger über Behörden und Politik.
Es ist darüber hinaus unerlässlich, dass Politiker und Behörden in ständigem Austausch mit Wählerinnen und Wählern stehen und eine gegenseitige Vertrauenskultur hierüber aufgebaut wird. Insbesondere das Internet bietet sich hier als Medium an. Auf Informationsplattformen kann schnell und unkompliziert Wissen ausgetauscht und über soziale Medien direkte Kommunikation stattfinden. Natürlich sind wie bei anderen internetbezogenen Fragestellungen auch datenschutzrechtliche Aspekte zu bedenken. Allerdings müssen diese zugunsten des öffentlichen Interesses der Bürgerbeteiligung abgewogen werden. Ich fordere daher, dass Behörden ihre Präsenz auf Facebook und ähnlichen sozialen Netzwerken darstellen dürfen und auch explizit sollen. Zudem sollen relevante Themen auf medialen Portalen geschildert und Entscheidungen für Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar gemacht werden.
Punkt 2 - Demokratischere Wahlen:
Im Zuge dieser sich wandelnden Verwaltungs- und Politikkultur verstehen sich Politik und Behörden als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürgern, getreu dem Leistungsprinzip und nicht zum Selbstzweck existierend. Dazu gehört, auf Seiten der Politik, dass auch politische Wahlen demokratischer werden, durch eine verstärkte Werbung für das NEUE WAHLRECHT und die Tatsache, dass Kandidatinnen und Kandidaten, die für ein politisches Amt kandidieren DIREKT GEWÄHLT werden können. Das Parteienwahlsystem, in dem lediglich eine Partei gewählt wurde und die Partei entschied, wer das politische Amt bekleidet, ist überholt und wenig demokratisch. Ich unterstütze daher ausdrücklich Initiativen wie „Mehr Demokratie e.V.“ um Wettbewerb in die Politik zu tragen, demokratische Kontrollen zu schaffen, Politikverdrossenheit zu minimieren und die Wahlbeteiligung folglich wieder zu erhöhen. Ich fordere, dass politische Wahlen demokratischer werden, durch eine verstärkte Werbung für das NEUE WAHLRECHT und die DIREKTE KANDIDTENWAHL. Wenn Politiker nur von den Wählerinnen und Wählern und nicht von Parteien abhängig sind, ist bürgernahe Politik und Kontrolle gewährleistet. Ich unterstütze daher ausdrücklich Initiativen wie „Mehr Demokratie e.V."
Punkt 3 - Neue Verwaltung:
Auf Seiten der Verwaltung sollen ebenso Veränderungen vorangetrieben werden. So sollen Behörden und Ämter zukünftig Bürgeranliegen als oberste Priorität sehen. Dazu ist es notwendig, dass die Verwaltung eine neue Struktur erhält, personell verstärkt und neue Regelungen über Fristen für die Bearbeitung von Anliegen und die Veröffentlichung von politischen und behördlichen Entscheidungen verabschiedet werden. Dafür bedarf es ebenso einem entsprechendem Personalentwicklungsprogramm für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich fordere, dass die Verwaltung eine neue leistungs- bzw. kundenorientierte Ausrichtung erlangt. Es muss in alle Bereiche der Behörden durchdringen, dass jedes Bürgeranliegen innerhalb einer festgelegten Frist bearbeitet wird, dass die Behörden gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet sind und auch Informationen herausgeben müssen. Die Verwaltung ist sehr wichtig. Seitens des Personals besteht allerdings ein zunehmender Arbeitsdruck, der durch die oben genannte Zielsetzung sogar noch erhöht würde. Ich sehe daher die kritisierten hohen Personalausgaben in der Verwaltung im Lande Bremen nicht als Manko, sondern trete für eine angemessene Entlohnung und entsprechende Versorgung des Personals ein. Gerade in der Verwaltung benötigen wir kluge Köpfe. Gute Arbeitsbedingungen sind hierfür notwendig. Auch die strikten Vorgaben zur Personalreduzierung empfinde ich daher in vielen Bereichen als verkehrt. Nur eine Starke Verwaltung kann zum Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger werden.
Punkt 4 - Entwicklungsplan Bürgerbeteiligung: Bürgerbeteiligung soll in Bremerhaven und Bremen über die gesetzlichen Vorgaben hinaus verbessert und schon vorhandenes Engagement soll mehr Unterstützung erfahren. Aber vor allem Menschen, die weniger vertraut sind mit politischen und Verwaltungsprozessen sollen zum Mitmachen und Einmischen aufgefordert werden. Dazu fordert ein zwischen SPD und Grünen vereinbarter Antrag eine Auswertung der bisher mit verschiedenen Bürgerbeteiligungsverfahren gemachten Erfahrungen zu analysieren und einen “Entwicklungsplan Bürgerbeteiligung” zu entwerfen mit konkreten Zielvorstellungen und Rahmenvorgaben. Dieses Vorhaben gilt es in der nächsten Wahlperiode weiter intensiv zu verfolgen.
Punkt 5 - kommunale Ebene Bremerhaven: Ich bin - nicht allein aufgrund meiner jahrelangen Tätigkeit als Vorsitzender der Stadtteilkonferenz Lehe - davon überzeugt, dass die Stadtteilkonferenzen in Lehe mehr Mitbestimmungskompetenzen erhalten müssen. Bislang sind die Konferenzen unabhängige Bürgerforen, ohne jegliche verbindliche Einflussmöglichkeiten. Das ist in Bremen anders: dort bestimmen die sogenannten "Stadtteilbeiräte" mit und verfügen sogar über ein eigenes Budget, das sie für Projekte in ihrem Stadtteil bereitstellen können. Ob wir ein solches Modell für Bremerhaven erreichen können, ist angesichts der politischen Meinung der Mehrheit der Kommunalpolitiker leider fraglich; ich bin aber der Meinung, dass eine Angliederung der Stadtteilkonferenzen in die Entscheidungsstrukturen des Magistrats vertretbar und wünschenswert ist. In diesem Sinne: ich kann nicht versprechen, dass wir Beiräte aus den Stadtteilkonferenzen machen, aber ich denke, dass eine Verbesserung der Mitbestimmungsrechte der Stadtteilkonferenzen machbar ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Patrick C. Öztürk, MdBB
Bremerhavener Kandidat für die Bremische Bürgerschaft
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