Frage an Patrick Cem Öztürk von Aysel A. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Öztürk,
Sie schreiben in Ihrem Wahlprogramm, dass Sozialleistungen nur kurz- oder mittelfristig eine Lösung sind. Wie sieht denn Ihre Lösung dafür aus, dass viele Arbeitslose keine Stelle finden?
Grüße
Aysel Alkaya
Sehr geehrte Frau Alkaya,
Existenzleistungen der „Sozialhilfe“ sollten lediglich als kurz- oder höchstens mittelfristige Überbrückung gedacht sein; die hohe Arbeitslosenzahl und die enormen damit verbundenen Kosten für das Land, stellen eine sehr komplexe Aufgabe für Politik, öffentliche Träger und Wirtschaft dar. Das sozialpolitische Handeln darf sich jedoch nicht auf die Zahlung der verbindlich vorgeschriebenen Existenzleistungen der Sozialhilfe reduzieren. Stattdessen muss über eine langfristige Lösung nachgedacht werden. Gerade in Bremerhaven sind weitergehende Angebote nötig, damit die immer noch überdurchschnittlich hohe Zahl der Langzeitarbeitslosen reduziert wird. Ich setze mich dafür ein NPOs und berufsorientierte soziale Einrichtungen bei der Arbeit der Berufs(wieder)eingliederung von Arbeitslosen zu unterstützen. Dabei ist vor allem die Akquirierung von Drittmitteln (Land, Bund, EU) notwendig um die nötigen finanziellen Mittel bereitzustellen. Neben der Bereitstellung einer Beratung für NPOs und andere in diesem Bereich tätigen Institutionen zur Akquirierung von Drittmitteln, soll jedoch auch die Agentur für Arbeit bzw. die Bagis (neben den bereits bestehenden Koops) Kooperationen mit Trägerschaften eingehen, um dem Arbeitslosen verpflichtende Qualifizierungsmaßnahmen anzubieten, die jedoch auch STRENGSTENS auf Nachhaltigkeit geprüft werden müssen. D.h., dass Investitionen in diesem Bereich optimiert werden müssen, sodass die Kosten-Nutzen-Relation stimmig ist. Ich setze mich ebenso dafür ein die Mittel der ARGE bzw. der Bagis zu erhöhen um wieder Qualifikationsmaßnahmen als Arbeitsmaßnahmen anzubieten (AGH-E, etc.). Dazu muss jedoch auch die Bereitschaft der Betriebe/Institutionen geprüft werden, Arbeitslose, die sich in einer Maßnahme befinden, zu übernehmen. Es sollte geprüft werden, inwiefern Mechanismen für ein solches Vorhaben auszusehen haben. Zudem müssen alte du neue arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf den Nutzen hin geprüft werden; ich setze mich dafür ein eine Kosten-Nutzen-Evaluation der derzeitigen arbeitsmarktpolitischen Maßnahme durchführen zu lassen um die Qualität von derartigen Maßnahmen zu verbessern.
Außerdem muss eine Verstärkung der Kooperation zwischen ARGE/BAGIS und Bildungs- sowie Sozialeinrichtungen erzeugt werden; Die Anforderungen an die Arbeitsmarktpolitik sind meist oft mit Problemen, die das politische Themenfeld „Soziales/Bildung“ betreffen, verzahnt. Kinder von Harz IV Empfängern haben es beispielsweise schwieriger eine erfolgreiche Bildungskarriere zu absolvieren als andere Menschen. Um diesem Problem entgegenzuwirken bedarf es also an den Wurzeln zu intervenieren. D.h., dass die Eltern der betroffenen Kinder gezielt angesprochen werden müssen, dass man es diesen erleichtern muss, ihren Kindern eine erfolgreiche Bildungskarriere zu ermöglichen bzw. dass man ihnen auch vermitteln muss, wie ihre Kinder eine erfolgreichere Bildungskarriere führen können. Dementsprechend setze ich mich dafür ein das Bewusstsein der Verzahnung von sozialen und Bildungsaspekten in der Politik zu stärken um somit Investitionen in diese beiden Bereiche zu fördern. Oft befinden sich Hart IV Empfänger bereits in der zweiten Generation. D.h., dass soziale Benachteiligung „vererbt“ wird. Diesem Problem muss entgegengewirkt werden durch eine effektive Bildungspolitik, die dieses Problem an der Wurzel bekämpft. Nach PISA ist bekannt, dass Bildungserfolg an die soziale Herkunft gekoppelt ist. Mit der Einrichtung von Ganztagsschulen und weitergehenden individuellen Fördermaßnahmen übernimmt die Schule die Funktion zur Erziehung, Bildung und Sozialisation der Kinder aus sozial benachteiligten Familien, die wiederum auch durch die Schulen entlastet werden. Nur so können sozial benachteiligte Kinder den Teufelskreis durchbrechen und eine positive Bildungskarriere absolvieren, welche wiederrum die Voraussetzung für Arbeit und somit für ein Leben abseits des Arbeitslosengeldes ist.
Die kurz- und mittelfrisitge Eingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt ist aber ein genauso großes Problem. Es gibt kein einfaches Rezept für eine 100%ige Lösung, mit der Arbeitslosigkeit komplett beseitigt werden könnte. Eine Kürzung der Eingliederungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die von der CDU/FDP Bundesregierung vor einigen Monaten durchgesetzt wurde, ist jedoch ABSOLUT DER FALSCHE WEG, weil dadurch Arbeitslose auf der Strecke bleiben und allein gelassen werden. Stattdessen muss vorrangiges Ziel sein, Arbeitsmarktmittel ZU AKQUIRIEREN, BEREITZUSTELLEN und SINNVOLL zu verwenden:
Vorrangig muss es darum gehen einerseits Maßnahmen zur Verbesserung der Integrationschancen von Langzeitarbeitslosen und benachteiligten Personengruppen in den ersten Arbeitsmarkt durchzuführen und andererseits auch den Unternehmen Anreize bieten Arbeitslose zu übernehmen. Den unsozialen Kürzungen der Mittel der aktiven Arbeitsmarktmittel (um ca. 60%!) muss mit Unterstützung des Landes und des Jobcenters sowie der Agentur für Arbeit entgegengetreten werden. Vor allem hoffe ich auf einen Wechsel der Bundesregierung, wodurch eine Verbesserung im Bereich der Arbeitsmarktintegrationsmaßnahmen zu erwarten wäre. Wir brauchen dazu aber auch weiterhin die bisherigen durchgeführten Programme sowie eine Vernetzung mit Kommunalen- und Landesinitiativen, um eine nachhaltige Reduzierung der Langzeitarbeitslosigkeit zu erreichen. Natürlich muss es darum gehen das kommunale Arbeitsmarktprogramm ungekürzt fortzusetzen. Dazu möchte ich unter Beteiligung aller Träger arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen prüfen, wie die Struktur der Beschäftigung- und Bildungsträger effektiver gestaltet werden kann. Auch mit der Wirtschaft sollte geprüft werden welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche nicht.
Dazu ist die Bindung von Drittmitteln wichtig; Die Mittel der europäischen Union (insbesondere Mittel des europäischen Sozialfonds und des europäischen Fonds für regionale Entwicklung) und des Bundes sind für die Umsetzung von derartigen Projekten im Bereich Beratung, Beschäftigung und Qualifizierung unerlässlich. Zur Bindung dieser Drittmittel setze ich mich dafür ein, dass kommunale und Arbeitsmarktmittel auf Landesebene in Bremerhaven und Bremen bereitgestellt werden.
Dadurch sollen auch Projekte zur Flankierung und Durchführung von Beschäftigungs- und Beratungsangeboten für Langzeitarbeitslose und besonders benachteiligte Zielgruppen angegangen werden; In Bremerhaven weisen die Stadtteile Lehe, Leherheide und Grünhöfe sowie in Bremen die Stadtteile Gröpelingen, Tenever, Walle, Huchting, Kattenturm, Vahr und Hemelingen eine hohe Konzentration ökonomischer und sozialer Problemlagen auf. Mit den offenen Stadtteilberatungsprojekten konnten in dem Bereich Arbeitsmarkt und soziale Stabilisierung gute Erfahrungen gemacht werden. Insbesondere die Zielgruppe der Frauen, Migrantinnen und Migranten, Existenzgründerinnen und Existenzgründer konnten von dem Angebot profitieren. Diese Beratungsstellen gilt es zu erhalten. Bei der Etablierung verschiedener Angebote sind eingeworbene bzw. noch einzuwerbende Drittmittel mit weiteren Arbeitsmarktmitteln zu flankieren. Beschäftigung- und Qualifizierungsträger schaffen durch ein umfangreiches Angebot an Maßnahmen und begleitender sozialpädagogischer Betreuung für viele Langzeitarbeitslose erfolgreiche Weichenstellungen für die Übergänge in den ersten Arbeitsmarkt. Ich setze mich dafür ein diese Strukturen zu erhalten, wobei ich hierbei ebenso die Unterstützung des Bundes erwarte.
Mit freundlichen Grüßen
Patrick Öztürk