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Patrick Cem Öztürk
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Frage von Mehmet K. •

Frage an Patrick Cem Öztürk von Mehmet K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Öztürk,

was wollen Sie bezüglich der Integrationsproblematik unternehmen? Migranten werden immer noch diskriminiert. Deutschland und besonders Bremen entwickelt sich zur Zwei-Klassen-Gesellschaft!

Freundliche Grüße
M. Kara

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kara,

zunächst ist es notwendig Integration als staatliche Aufgabe anzuerkennen; Integration ist keine „karitative“ Angelegenheit sondern eine Aufgabe, derer Lösung sich das Land Bremen verpflichten muss und der ich mich im Interesse aller Menschen in Bremerhaven und Bremen annehmen möchte. Nur wenn Integration gelingt, kommt Bremen aus dem „sozialen Sumpf“. Klar ist: Das Potential, welches in der wachsenden Gruppe der Menschen mit Migrationshintergrund liegt, wurde lange Zeit vergessen, muss jedoch genutzt werden um auch einen volkswirtschaftlichen Nutzen ziehen zu können. Klar ist aber auch, dass Integration nicht „von allein“ funktioniert sondern, dass die entsprechenden Rahmenbedingungen gegeben sein müssen. Dabei müssen die demokratischen Grundwerte, egal von welcher Seite, geachtet werden. Und Ausgangspunkt sollte die deutsche Sprache sein.

D.h., Potenziale müssen genutzt und Diskriminierung muss minimiert werden; ein Migrationshintergrund ist bislang oft mit negativen Assoziationen behaftet gewesen. Es ist an der Zeit ein Umdenken einzuleiten und Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund zu nutzen und zu fördern. So ist die Zweisprachigkeit und Interkulturalität von Menschen mit Migrationshintergrund ein riesiger Vorteil, sei es um im Sinne einer Optimierung von Marketingstrategien um Produkte für Menschen mit Migrationshintergrund attraktiver zu gestalten, sei es im Rahmen einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst oder in der Politik in welcher Migranten einen besseren Bezug zu anderen Menschen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung herstellen können oder sei es im internationalen Geschäft zwischen dem Herkunftsland und Deutschland (vor allem EU-Länder). Zweisprachigkeit und Interkulturalität ist ein klarer Vorteil, der auch riesiges volkswirtschaftliches Potenzial birgt und daher gefördert werden muss, u.a. durch ein zusätzliches Angebot an Schulen im Bereich der Fremdsprachen, durch gezieltes Anwerben von Migranten im öffentlichen Dienst bei Wahrung des Leistungsprinzips (!), durch die Förderung von Schüleraustauschen in Länder wie die Türkei und/oder die EU-Herkunftsländer wie Polen, etc. und durch eine intensive Behandlung der Konsequenzen durch das Wirtschaftsbündnis Europäische Union im Schulunterricht, durch welches viele Herkunftsländer von Migranten nun in noch engere vor allem auch wirtschaftliche Verbindungen mit Deutschland getreten sind. Ziel ist es die Stärken von Migranten in das Bewusstsein der Bevölkerung und auch der Unternehmen zu rücken, um Einstellungschancen zu erhöhen und der (wissenschaftlich nachgewiesenen) Diskriminierung von Migranten entgegenzuwirken.

Die Förderung von NPOs und anderen im Integrationsbereich tätigen Einrichtungen ist zudem wichtig; ich setze mich dafür ein, diese Einrichtungen bei ihrer Integrationsarbeit zu unterstützen, beispielsweise durch zur Verfügungsstellung einer Beratungsfachkraft zur Anwerbung von Drittmitteln, zur Verbesserung/Ökonomisierung der Organisationsstrukturen, etc.

Zudem muss sich die Politik den Entfremdungsängsten, Befürchtungen und Wünsche öffnen und diese offen ansprechen. Die Entwicklung eines Integrationskonzeptes muss dementsprechend vorangetrieben werden; es wurde bislang „verpasst“ ein schlüssiges Integrationskonzept zu verfassen und umzusetzen. Ich setze mich dafür ein, dass dies schnellstmöglich nachgeholt wird.

Frühförderung und Elternarbeit ist zudem wichtig; einer der wichtigsten Bestandteile eines Integrationskonzeptes wird es sein für die Orte, an denen hoheitlicher Einfluss (Schulen, Ämter, etc.) auf Menschen mit Migrationshintergrund besteht, Mechanismen zu finden um Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund gezielt anzusprechen und um ihnen zu helfen, dass ihre Kinder sich zu mündigen Menschen entwickeln können. Eine solche Intervention gelingt am besten in den Schulen, in denen ein ganzheitliches Bildungskonzept angestrebt wird. D.h., dass genügend Sozialpädagogen zur Verfügung gestellt werden müssen, dass solche integrativen Aufgaben wahrgenommen werden können. Des Weiteren bedarf es der Einrichtung von Mechanismen um die Kooperation zwischen Schule und Eltern zu stärken. Gerade in Schulen des Primarbereichs, sowie ebenfalls Einrichtungen zur frühkindlichen und kindlichen Betreuung wird die Integrations- und Elternarbeit einen großen Anteil ausmachen werden. (siehe weiterführend die Frage von S.S.)

Zur Sprache: v.a. für Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund ist die Sprache der Schlüssel zum Erfolg; daher setze ich mich dafür ein, dass die Sprachstandserhebungen in den Kindertagesstatten und in der Grundschule fortgeführt werden und dass Kinder mit Verzögerungen in der Sprachentwicklung noch gezielter und intensiver als bisher gefördert werden.

Auch die Jugendbildungsarbeit sollte sich v.a. auf Integrationsarbeit konzentrieren; ich setze mich dafür ein, dass die Jugendbildungsarbeit in Bremerhaven/Bremen fortgesetzt wird, dass jedoch auch eine verstärkte Einbeziehung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund im Rahmen von Vereinbarungen festzulegen ist.

Der nächste Ansatz wäre eine gezielte Anpassung des öffentlichen Dienstes an gesellschaftliche Gegebenheiten; Obwohl die oberste Priorität bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst die Leistung und Qualifikation ist, sollen gezielt Menschengruppen angeworben werden, die im öffentlichen Dienst weniger vertreten sind. D.h., dass es beispielsweise wünschenswert wäre mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Polizisten oder Lehrer zu sehen.

Gleiches gilt für die Verwaltung: ich setze mich dafür ein, dass gerade in den Verwaltungen gezielt Menschen mit Migrationshintergrund angeworben werden (interkulturelle Öffnung). Es ist wichtig, dass Menschen mit Migrationshintergrund erstens Ansprechpartner finden, zu denen sie einen Bezug aufbauen können und zweitens auch Vorbilder in diesen erkennen.

Ein anderer wichtiger Punkt ist die Verankerung der interkulturelle Bildung im Bremischen Schulgesetz; orientiert an den Erkenntnissen in der interkulturellen Bildung sollen Inklusion aber auch interkulturelle Bildung explizit im Bremischen Schulgesetz verankert werden. Interkulturelle Bildung in der Schule soll den SchülerInnen Verständnis für fremde Kulturen, Religionen und Traditionen vermitteln. Verständnis ist der erste Schritt zur Integration.

Der nächste zu nennende Aspekt ist "Sport als Integrationsmaßnahme"; Sport ist ein unverzichtbares Element unserer Gesellschaft. Ihm kommt eine zentrale Bedeutung für das Gemeinwohl und - angesichts eines beschleunigten sozialen Wandels - eine zentrale gesellschaftliche Integrationsfunktion zu. Ich setze mich dafür ein weiterhin den Sport zu fördern und für Jugendliche attraktiv zu gestalten.

Des weiteren plädiere ich für eine Prüfung des Wahlrechts; es sollte geprüft werden inwiefern es Möglich ist das Wahlrecht für Menschen mit Migrationshintergrund, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben, hier arbeiten und eine Familie haben, jedoch nicht Wählen dürfen, zu ändern.

Auch die Änderung der asylrechtlichen Gegebenheiten ist ein wichtiger Punkt; viele Asylbewerber werden in Bremen seit Jahren beschult ohne Aussicht darauf die Möglichkeit zu bekommen arbeiten zu dürfen. Es sollte geprüft werden inwiefern bei Menschen, deren Rückkehr in die Heimat aufgrund von Krieg oder anderen längerfristig andauernden Gegebenheiten eher unwahrscheinlich ist, die Chance auf einen anderen Rechtsstatus zu erhalten um ihnen die Möglichkeit zu arbeiten einzuräumen, was ebenfalls deren Motivation in der Schule steigern könnte.

Funktionierende Strukturen wie der „Rat auslandischer Mitburgerinnen und Mitburger“ (RAM) und das Migrationsnetzwerk Bremerhaven bleiben außerdem zwei wichtige Säulen im Integrationskonzept; ich setze mich dafür ein sicher zu stellen, dass der RAM weiterhin lediglich für Menschen ohne deutschen Pass zur Verfügung steht und dass diese Strukturen mehr Stimmrechte bei politischen Entscheidungsprozessen erhalten.

Der Ausbau der Strukturen innerhalb von „Migranteneinrichtungen“ soll angegangen werden; es soll geprüft werden, welche Arbeit Vereine, Verbänder oder ähnliche Einrichtungen, die sich mit Integrationsarbeit oder mit der Arbeit mit Migranten beschäftigen, leisten. Außerdem soll geprüft werden, inwiefern die Politik einen Beitrag dazu leisten kann diese Einrichtungen bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

Auch Aufklärungsarbeit für Menschen mit Migrationshintergrund ist wichtig; ich setze mich dafür ein in den Vierteln, in denen Menschen mit Migrationshintergrund überwiegend leben, vermehrt politische Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit durchzuführen, beispielsweise durch Stadtteilmentoren. Diese Stadtteilmentoren sollen jedem Sozialenbrennpunktviertel zugeteilt werden und in ausreichender Zahl den Problemen in den Vierteln entgegenzuwirken.

Ich hoffe Ihnen hiermit weitergeholfen zu haben. Bitte schauen Sie sich auch weiterführend meine Antwort auf die Frage von S.S. an oder schauen Sie auf meiner Internetseite vorbei: www.patrick-oeztuerk.de)

Beste Grüße
Patrick Öztürk