Ist die Verletzung des absoluten Folterverbots im Zuge illegaler Pushbacks an der EU-Außengrenze Thema im Ausschuss LIBE?
Sehr geehrter Herr Breyer, die illegalen Pushbacks in Griechenland und die dabei verübten, teilweisen schweren Misshandlungen von wehrlosen Schutzsuchenden bereitet mir große Sorgen. https://www.amnesty.de/sites/default/files/2021-06/Amnesty-Bericht-Griechenland-Asyl-Migration-Flucht-Violence-and-Push-Backs-Juni-2021.pdf. Solche Misshandlungen werden im aktuellen Bericht des CPT dokumentiert https://rm.coe.int/1680aabe2b. In Griechenland sind die geschilderten Fälle von Folter und Misshandlung bislang nicht juristisch untersucht und geahndet worden. Ich würde mich sehr über nähere Informationen freuen, welche Maßnahmen Sie im Ausschuss LIBE zur Beendigung der rechtswidrigen Behandlung von Schutzsuchenden in Griechenland planen.
Mit freundlichen Grüßen
Theresa D.
Sehr geehrte Frau D.,
besten Dank, dass Sie sich an mich wenden. Bitte entschuldigen Sie die arbeitsbelastungsbedingt späte Antwort. Inzwischen habe ich zu Ihrer Frage recherchiert.
Ich teile Ihre Sorge um die illegalen Pushbacks in Griechenland. Meine Fraktion hat in den vergangenen fünf Jahren mehrere Initiativen des LIBE Ausschusses, in dem auch ich Mitglied bin, zu dem Thema angestoßen und teilweise federführend abgeschlossen:
- Die Einsetzung der Arbeitsgruppe Frontex (FSWG) des Europäischen Parlaments am 23.02.2021 auf Initiative meiner Fraktion nach den Enthüllungen über die Beteiligung von Frontex an Pushback-Operationen an der griechisch-türkischen Seegrenze, mit dem Mandat, alle Aspekte der Arbeitsweise von Frontex ständig zu überwachen.
Die FSWG wurde beauftragt, innerhalb der ersten sechs Monate ihres Bestehens eine Untersuchung über angebliche Grundrechtsverletzungen durchzuführen, an denen die Agentur beteiligt war, von denen sie Kenntnis hatte und/oder die sie unterlassen hat. Der Bericht über die Untersuchung wurde am 14/07/2021 veröffentlicht (Berichterstatterin war eine Fraktionskollegin), und es folgte eine Entschließung des Parlaments, die am 14/12/2023 angenommen wurde und auf solchen Untersuchungen aufbaut.
- Meinungsaustausch im LIBE-Ausschuss über den Bericht von Médecins Sans Frontières über die medizinischen Folgen der Migrationspolitik und gewalttätiger Praktiken auf den griechischen Inseln und Meinungsaustausch über die Folgen des Schiffsunglücks von Pylos (beide am 14. Februar 2024)
- LIBE-Meinungsaustausch mit dem Exekutivdirektor von Frontex über die Operationen von Frontex, mit Schwerpunkt Griechenland (18. März 2023)
- LIBE-Meinungsaustausch über die Untersuchung der Ombudsstelle zur Rolle von Frontex bei SAR-Einsätzen (8. April 2024)
- LIBE-Mission nach Athen und Samos im November 2022
- Mehrere Gespräche über Griechenland in der Überwachungsgruppe für Rechtsstaatlichkeit des LIBE-Ausschusses, insbesondere über Asyl und Migration. Das Thema wurde auch während der Ausschussreise nach Griechenland im März 2023 angesprochen.
- Jüngste schriftliche Anfragen meiner Fraktion zu diesem Thema (1, 2)
- Entschließung des Europäischen Parlaments zur Rechtsstaatlichkeit, angenommen am 7.2.2024: Das Parlament äußerte seine große Besorgnis über die Behandlung von Migranten an den Außengrenzen und im Inland nach systematischen Pushbacks und Gewalt gegen Nicht-EU-Bürger, ihre willkürliche Inhaftierung und den Diebstahl ihrer Habe. Es forderte die Kommission auf, die ihr zur Verfügung stehenden Instrumente umfassend zu nutzen, um gegen die Verstöße gegen die in Artikel 2 EUV verankerten Werte in Griechenland vorzugehen, insbesondere die Bewertung der Einhaltung der Charta bei der Durchführung der einschlägigen EU-Fonds.
Was die Zukunft betrifft, werden wir uns sicherlich weiterhin dafür starkmachen, dass Menschenrechtsverstöße in Griechenland durch solche und ähnliche Initiativen regelmäßig auf der Tagesordnung des Ausschusses stehen. Im Zuge der Umsetzung des neuen und von uns abgelehnten Pakts für Migration gehen wir davon aus, dass sich solche Verstöße in Griechenland (aber auch in vielen anderes Mitgliedsstaaten) häufen werden, und wir werden uns dafür einsetzen, dass das Parlament in der neuen Legislaturperiode eine stärkere und wirksamere Aufsichtsrolle einnimmt. Allerdings wird das Ausmaß und der Erfolg solcher Initiativen stark von der Zusammensetzung des neuen Parlaments und auch des Ausschusses abhängen. Bereits in diesem Mandat kam häufig starker Widerstand von der konservativen Fraktion EVP (deren Mitglied auch die griechische Regierungspartei ist), wenn es um Kritik an Griechenland ging. Das wird uns aber weiterhin nicht daran hindern, aus Überzeugung für die Menschenrechte der Schutzsuchenden einzutreten.
Mit freundlichem Gruß
Patrick Breyer