Frage an Pascal Kober von Dieter G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Kober !
Wie ich der Süddeutschen Zeitung und vielen anderen Medien entnommen habe wurde Deutschland erneut wegen Verstößen gegen die Menschenrechte gerügt:
Das Antifolterkomitee des Europarates (CPT) hat die "freiwillige" chirurgische Kastration von Sexualstraftätern in Deutschland als unzulässig erklärt. Sie sind auch Mitglied im entsprechenden Ausschuss des Bundestages.
Deshalb möchte ich Ihnen die folgenden Fragen stellen:
1. Welche Positionen vertreten Sie bzw. ihre Fraktion in dieser Sache?
2. Werden Sie sich für ein Verbot der chirurgische Kastration einsetzen?
3. Werden Sie sich an einer Debatte des Deutschen Ethikrates beteiligen?
Vielen Dank für Ihre Antworten.
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Gieseking
Sehr geehrter Herr Gieseking,
vielen Dank für Ihre Anfrage zu diesem komplexen Thema.
Die FDP wie auch ich nimmt die Rüge des Antifolterkomitees des Europarates an der freiwilligen chirurgischen Kastration von Sexualstraftätern in Deutschland sehr ernst.
Vor einem so weitreichenden Eingriff mit unumkehrbaren Folgen wie einer operativen Kastration muss in jedem Fall und ohne Zweifel sichergestellt werden, dass dies auf Basis einer tatsächlich freiwilligen Entscheidung geschieht.
Bezüglich der freiwilligen chirurgischen Kastration ist festzuhalten, dass in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren weniger als fünf Sexualstraftäter pro Jahr operativ kastriert wurden. Es handelt sich also um Einzelfälle und nicht um eine weit verbreitete Praxis. Um zu verhindern, dass sie vorschnell durchgeführt wird, müssen Betroffene älter als 25 Jahre sein, sie müssen vorher umfassend über die Folgen und möglichen Nebenwirkungen informiert werden und müssen dem Eingriff schriftlich zustimmen. In ihrer Stellungnahme begründet die Bundesregierung diese Praxis unter anderem durch den Verweis auf eine medizinisch-wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 1997. Diese belege, dass die Rückfallquote unter Sexualstraftätern durch eine Kastration signifikant verringert werde.
Der Vorwurf des Antifolterkomitees des Europarates, es sei nicht sichergestellt, dass Betroffene sich immer "wirklich frei und gut informiert" für den Eingriff entscheiden, ist natürlich trotz dieser Vorkehrungen ernst zu nehmen. Inwiefern es überhaupt möglich ist, eine solche Freiwilligkeit zu gewährleisten, muss in jedem Fall geprüft werden.
Aufgrund der komplexen Vermischung von ethischen, juristischen und gesundheitlichen Argumenten hat daher hat die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zu Recht eine multidisziplinäre Debatte über die freiwillige chirurgische Kastration von Sexualstraftätern unter Beteiligung des Deutschen Ethikrats angeregt. Natürlich würde sich auch die FDP und auch ich der Beteiligung an einer solchen Debatte nicht verweigern. Bevor wir uns also möglicherweise zu einem Verbot der freiwilligen chirurgische Kastration entschließen, wollen wir daher zunächst die Ergebnisse einer solchen breiten und wissenschaftlich geführten Debatte abwarten, um sie in eine eventuelle gesetzliche Änderung einfließen lassen zu können. Im Anschluss daran werden wir weitere Schritte erwägen.
Mit freundlichen Grüßen,
Pascal Kober