Frage an Pascal Kober von Kai T. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Kober,
der Begriff Hartz IV soll nach dem Willen von Frau Dr. von der Leyen abgeschafft werden, weil er negativ besetzt ist. Die Koalition unternimmt aber nichts, wenn aufgrund von Begrifflichkeiten arbeitende Menschen diskriminiert und diskreditiert werden. Ca. 826.000 Mitarbeiter in der Zeitarbeitsbranche werden von Kritikern der Zeitarbeit als "Leiharbeiter" bezeichnet. Leihe ist gem. BGB die aber die unentgeltliche Gebrauchsüberlassung einer Sache (BGB §§ 598 - 606). Mit der Verwendung des Begriffs "Leiharbeiter" werden MitarbeiterInnen zu einem Objekt herabgewürdigt und versachlicht. Sie tun nichts, um Mitarbeiter in der Zeitarbeitsbranche vor Herabwürdigungen zu schützen und etwas an der Verwendung des Begriffs "Leiharbeit" und den damit verbundenen negativen Assoziationen zu ändern. Das 40 Jahre alte Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), in dem das Wort Leiharbeit verwendet wird, sollte dringend geändert werden. In aktuellen Tarifverträgen der Branche wird sowohl vom DGB als auch vom Bundesverband Zeitarbeit (BZA) nur von Zeitarbeit gesprochen. Auch die Unternehmen und Mitarbeiter der Branche sehen sich als Zeitarbeitsunternehmen bzw. ZeitarbeitnehmerInnen. Niemand sollte berechtigt sein, motivierte MitarbeiterInnen mit falschen Begrifflichkeiten zu diskriminieren. Der BZA fordert, die Verwendung der Begriffe "Zeitarbeit, Zeitarbeitnehmer, Zeitarbeitsunternehmen und Einsatzbetrieb" im AÜG und anderen Gesetzen anstelle der bisherigen Bezeichnungen "Leiharbeit, Leiharbeitnehmer, Verleiher und Entleiher" zu ersetzen, da die geforderten Bezeichnungen im allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt sind und die diskriminierenden und im Wortsinn irreführenden Begriffe "Leiharbeit, Leiharbeitnehmer, Verleiher und Entleiher" vermeiden. Warum wollen Sie hart arbeitenden Menschen nicht den gleichen Schutz vor negativ besetzten Begriffen zukommen lassen wollen, wie nicht arbeitenden Menschen, und einen Gesetzentwurf zur Änderung des AÜG einbringen?
MFG KT
Sehr geehrter Herr Thiele,
vielen Dank für Ihre Frage vom 28.September zum Thema Zeitarbeit.
Ihre Ansicht, dass der Begriff Leiharbeit und Leiharbeitnehmer falsch ist, teile ich vollkommen. Daher spreche ich, wie auch meine Kollegen innerhalb der FDP-Bundestagsfraktion, immer von Zeitarbeitern, wie Sie zum Beispiel in meinen Bundestagsreden zum Thema nachsehen können. Schon das BGB macht recht deutlich, dass es sich nicht um eine Leihe handelt. Dort wird die Leihe als unentgeltliche Überlassung des Gebrauchs einer Sache definiert. Dies zeigt in zwei Punkten, dass die Nutzung des Begriffs Leiharbeit falsch ist. Zum einen ist die Überlassung nicht unentgeltlich und zum anderen wird keine Sache, sondern ein Mensch überlassen. Darauf haben Sie in Ihrer Frage völlig zu Recht hingewiesen.
Die Oppositionsparteien und andere Akteure nutzen den Begriff Leiharbeit jedoch bewusst, um den Bereich zu diskreditieren. Dies halte ich für falsch und den Menschen gegenüber für verletzend.
Der korrekte Begriff der Arbeitnehmerüberlassung bzw. des überlassenen Arbeitnehmers wird öffentlich nur sehr selten verwendet. Eine Umbenennung der Begriffe "Leiharbeit, Leiharbeitnehmer, Verleiher und Entleiher" im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz hin zu einer korrekten und wertneutraleren Formulierung halte ich auch für sinnvoll. So könnte der Gesetzgeber seine Neutralität zur Begrifflichkeit zeigen. Ich greife diesen Gedanken gerne auf.
In der Realität und in der öffentlichen Wortnutzung wird es jedoch sehr schwierig sein, den Begriff der Leiharbeit zu verändern. Die Opposition wird weiterhin von Leiharbeitern reden, und auch einige Medien werden sicherlich den Begriff weiter verwenden – ganz unabhängig davon, was im Gesetz steht.
Sodann haben Sie das Beispiel der möglichen Umbenennung von Hartz IV angesprochen. Schon heute ist die korrekte Bezeichnung dafür Grundsicherung für Arbeitssuchende oder Arbeitslosengeld II. Dennoch verwendet der Großteil der Menschen den Begriff Hartz IV, der mittlerweile auch stigmatisierend geworden ist. Eine Umbenennung des Begriffs würde meines Erachtens jedoch nicht dazu führen, dass der Begriff nicht mehr verwandt wird. Die Verwendung eines Begriffs in der deutschen Sprache ist von seiner Akzeptanz in der Bevölkerung, in den Medien und bei den Meinungsbildern abhängig. Dabei glaube ich, dass man jedes Gesetz leichter ändern kann als die Verwendung eines Begriffs durch die Menschen.
Sie können jedoch versichert sein, dass die FDP weiterhin vom Bereich der Zeitarbeit und Zeitarbeitern sprechen wird, da wir den Wert der Menschen und ihrer Arbeit nicht diskreditieren wollen.
Mit freundlichen Grüßen
Pascal Kober MdB