Portrait von Pascal Kober
Pascal Kober
FDP
100 %
18 / 18 Fragen beantwortet
Frage von Hans-Peter H. •

Frage an Pascal Kober von Hans-Peter H. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Pfarrer Kober,

die Äußerungen Ihres Parteivorsitzenden über Menschen, welche auf die christliche Solidarität eines Sozialstaates angewiesen sind, treffen diesen ins Mark! Es geht doch nicht darum ob die Hartz IV Sätze zu hoch sind sondern darum, dass Menschen in unserer Gesellschaft Teilhaben können und nicht diskrimminiert werden. Wenn Ihre Partei dafür sorgen würde, dass Löhne gezahlt werden, von denen sich menschwürdig leben läßt, benötigt es keine Neiddebatte!

Ihre Partei hat keine Scheu, den Bankern Millionen zur Verfügung zu stellen, ohne sie zur Rechenschaft zu ziehen, oder ohne Not einer kleinen Gruppe Steuervergünstigungen zu schenken, obwohl der Staat in seiner größten Finanzkrise steckt.

Mich würde nun interessieren, wie Sie diese Politik auf dem Hintergrund Ihres Glaubens begründen.

Mit freundlichen Grüßen
Hans-Peter Häußermann

Portrait von Pascal Kober
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Häußermann,

vielen Dank für Ihre Frage. Zunächst einmal sind mir keine Aussagen meines Parteivorsitzenden bekannt, die Menschen, die auf die „christliche Solidarität eines Sozialstaates angewiesen sind“, „ins Mark treffen könnten“.

Könnte es sein, dass Ihnen die angeblichen Aussagen Guido Westerwelles nur aus den Zitaten und Kommentaren der Opposition und der Medien bekannt sind?

Zum Beispiel die vielfach und häufig außerhalb ihres Zusammenhanges zitierte Aussage vom „anstrengungslosen Wohlstand“ und der „spätrömischen Dekadenz“, die von interessierten Kreisen auf die Bezieher von Hartz-IV so bezogen und umgedeutet wird, als meinte Guido Westerwelle, diese Hartz-IV-Empfänger lebten in „spätrömischer Dekadenz“.

Das Zitat lautet vollständig: „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zur spätrömischen Dekadenz ein“ und stammt aus einem Artikel, der auf die „/Diskussion/ nach der Karlsruher Hartz-IV-Entscheidung“ Bezug nimmt, wie es einleitend im Artikel heißt. Damit wird deutlich, dass nicht die Betroffenen selbst gemeint sind, sondern die, die sich an der Diskussion beteiligen und für den Verlauf der Diskussion verantwortlich sind.

Es geht Guido Westerwelle ganz offensichtlich um das Verhalten der Opposition und anderer, die sofort nach Verkündung des Urteils in Karlsruhe nach der Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze gerufen haben. So hat zum Beispiel die SPD-Bundestagsfraktion postwendend das Urteil vor ihren parteipolitischen Karren gespannt und behauptet, weitere Steuersenkungen seien damit hinfällig. Da die FDP die Steuern für kleine und mittlere Einkommen senken will, versucht die SPD die Bezieher kleiner Einkommen gegen die Hartz-IV-Empfänger auszuspielen. Ein Vorwurf, den sie selbst nun wiederum gegenüber Guido Westerwelle erhebt.

Ich sage Ihnen gerne, was meine Meinung ist: „Dekadent“ ist die gesamtpolitische Entwicklung der etwa letzten dreißig bis vierzig Jahre, die die Kosten des Staates - auch des Sozialstaates - „anstrengungslos“ auf die nachfolgenden Generationen übertragen hat: Die Staatsverschuldung der Bundesrepublik von 1, 6 Billionen Euro ist das Ergebnis. Dafür sind in diesem Bundeshaushalt rund 40 Milliarden Euro für Zinsleistungen eingestellt. Zum Vergleich: Die Gesamtkosten für Hartz IV belaufen sich auf ca. 45 Milliarden Euro. Rein rechnerisch ließen sich also ohne die Staatsverschuldung die Regelsätze und weiteren Leistungen für ALG-II-Empfänger schlicht verdoppeln. Der Zusammenhang ist klar. Staatsverschuldung geht auch auf Kosten der in der fernen Zukunft auf solidarische Hilfe angewiesenen Menschen.

Wir haben in der Bundesrepublik die gute und erfolgreiche Tradition der Tariffreiheit. Arbeitgeber und Arbeitsnehmer handeln den Lohn aus. Ohne Not sollte man an diesem Modell auch nichts ändern. In der Tat lehnen wir deshalb eine politische Einflussnahme oder gar die staatliche Lohnfestsetzung ab.

Interessiert beobachte ich dabei auch die Positionen der Opposition. Die SPD zum Beispiel fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro. In der Summe macht das einen Monatslohn von 38 x 4 x 7,50 Euro = 1140 Euro. Damit stellen sich alleinstehende Personen sicher besser als im Hartz-IV-Bezug. Für die Mehrheit der ALG-II-Empfänger - insbesondere Familien (Alleinerziehende!) - würde dieser Mindestlohn aber keine Verbesserung ihrer Situation bedeuten. Es drängt sich doch die Frage auf, warum die SPD nicht einen höheren Mindestlohn fordert - 10,00 Euro wie die Linke oder 8,50 Euro wie sie aus den Gewerkschaften heraus gefordert werden? Wären aber nicht eigentlich 20,00 Euro gerechter? Woran bemisst sich denn, ob ein Lohn gerecht ist?

Ein Mindestlohn ist in Ausnahmefällen sicherlich angebracht, nicht aber flächendeckend und generell. Denn dort, wo die Löhne niedrig sind, sind sie es hauptsächlich deshalb, weil höhere Preise beim Kunden nicht „durchgesetzt“ werden können. Wäre der Weg für höhere Preise frei, würden die Arbeitgeber ihn sicherlich gerne gehen und könnten so entweder den Gewinn oder die Löhne erhöhen. Wir wissen, dass das Preisempfinden die Kunden in einer Reihe von Branchen dazu veranlasst, Dienstleistungen, wenn sie zu teuer sind, überhaupt nicht mehr nachzufragen. Das zerstört Arbeitsplätze.

In der Abwägung, im Zweifel höherer Lohn oder Erhalt von Arbeitsplätzen, entscheide ich mich für mehr Arbeitsplätze. Denn ein Arbeitsplatz ist nach meiner Auffassung mehr als nur materielle Daseinsvorsorge. Die Entscheidung kann man anders treffen, unredlich ist es aber, dem Gegenüber eine schlechte Absicht zu unterstellen. Dass jeder von seinem Lohn leben können soll, ist auch für die FDP das Ziel. Wir wollen es aber über ein Mindesteinkommen via Lohnzuschüssen erreichen, wie es auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland gefordert wird.

Zur Situation der Finanzmärkte: Die FDP hat zusammen mit der SPD, den Grünen und CDU/CSU der Unterstützung des deutschen Finanzmarktes zugestimmt (Stichwort ‚Finanzmarktstabilisierungsgesetz‘). Das ist richtig. Zu diesem Handeln ist mir keine ernst zu nehmende Kritik bekannt. Das Handeln scheint alternativlos zu sein. Richtig ist auch, dass die FDP dem Finanzmarktförderungsgesetz der SPD und der Grünen aus dem Jahr 2002 zugestimmt hat. Nicht zugestimmt hat die FDP allerdings der Reduzierung der Mitarbeiter der Finanzaufsicht im Bundesfinanzministerium unter dem SPD-Minister Peer Steinbrück...

Wir haben eine strengere und effizientere Kontrolle der Finanzmärkte immer für gut befunden und sind mit unserer entsprechenden Initiative dazu an der SPD und den Unionsparteien in der Vergangenheit gescheitert.

Wir haben in der Tat die Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für die Hotelbranche gefordert und mit CSU und CDU umgesetzt. Eine Forderung, die übrigens auch aus der SPD, der Linkspartei und den Grünen gestellt wurde. Wir versprechen uns davon eine Auflösung des Investitionsstaus in den kleinen und mittleren Hotels, die mittelbar auch Arbeitsplätze im Handwerk stabilisieren, das durch die „Abwrackprämie“ kaum unterstützt wurde.

Entsprechende positive Effekte zeichnen sich bereits ab. Zahlen und Statistiken, die die Wirksamkeit dieser Maßnahme zur Stabilisierung von Arbeitsplätzen und Förderung von Investitionen belegen, werden demnächst vorliegen. Dann wird man mehr dazu sagen können. Vorabkritik ist wenig hilfreich.

Ich gebe Ihnen recht, dass es vor allem darum gehen muss, dass alle Menschen an unserer Gesellschaft teilhaben können. Das hat das Hartz-IV-System, wie es bisher besteht, nicht ausreichend geleistet. Daran werden wir mit aller Kraft ansetzen. Seien Sie bitte fair und geben Sie uns die im politischen Prozess notwendige Zeit dazu.

Unbestritten leistet der eigene Arbeitsplatz zur gesellschaftlichen Integration eine wichtige Funktion. Genau darauf wird die FDP in der kommenden Legislaturperiode ihre Politik ausrichten: Menschen in Arbeit zu halten und in Arbeit zu bringen.

Sie fragen explizit nach meinem Glauben? - Ich bin evangelisch und halte die Positionen meiner Kirche, wie sie in den Denkschriften der EKD zum Ausdruck kommen, für hilfreich bei der Bewertung der Politik. Ich kann aber als Sozialpolitiker keine wesentlichen Unterschiede zwischen den sozialpolitischen Prinzipien der EKD und der Sozialpolitik der FDP erkennen. Gerade deshalb bin ich in der FDP und nicht in einer anderen Partei.

Wenn Sie mich hier auf gewichtige Differenzen aufmerksam machen könnten, bin ich Ihnen aber dankbar. Gerne können Sie mit mir in die Diskussion eintreten, ob eine andere Partei die Interessen der Bedürftigen besser vertritt als die FDP. Ich glaube nicht. Vielleicht habe ich aber etwas übersehen.

Mit freundlichen Grüßen

Pascal Kober, MdB

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Pascal Kober
Pascal Kober
FDP