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Parsa Marvi
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Frage von David U. •

Sehr geehrter Herr Marvi, kann ich davon ausgehen, dass Sie einem AfD-Pareiverbot zustimmen werden?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr U.,

vielen Dank für Ihre Mail!

Ich habe ihnen die wichtigsten Fragen zu einem AfD-Parteiverbotsverfahren und die Antworten dazu unten aus Sicht der SPD zusammengefasst.

Kurzform: die AfD ist für mich eine gefährliche, im Kern rechtsextremistische Partei. Die Hürden für ein Parteiverbot sind aber enorm hoch. 

Viele sagen: Beweise sind doch genug da, nun macht mal was. Aber für den Rechtsstaat ist dieses Gefühl oder Einschätzung nicht ausreichend.

Zentral ist die Einstufung der AfD nicht nur als Verdachtsfall, sondern wirklich als Bundespartei als "gesichert rechtsextremistisch" durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieses Gutachten steht noch aus, aber ich rechne damit in absehbarer Zeit.

Der sogenannte Wanderwitz-Antrag ist handwerklich nicht gut. Lesen Sie bitte im FAQ nach. Wer dem Antrag zustimmt, trägt ein hohes Risiko mit, dass er beim BverfG in die Unzulässigkeit läuft und damit die AfD stärkt.

Ich bin dafür, ein Parteienverbot anzustreben, wenn zentrale Voraussetzungen erfüllt sind und wir es handwerklich sauber im Bundestag machen.

Viele Grüße

Parsa Marvi

 

FAQ zum Ablauf eines Parteiverbotsverfahrens gegen die AfD

Gegen Verfassungsfeinde stellt das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel

21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Danach sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig. Im Folgenden sollen die wichtigsten Fragen zum Ablauf eines möglichen Parteiverbotsverfahren gegen die AfD beantwortet werden.

1. Was sind die Voraussetzungen für ein Parteiverbot?

Artikel 21 Absatz 2 GG wurde in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets dahin ausgelegt, dass allein die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen für ein Verbot nicht ausreicht. Hinzukommen müssen eine aktiv kämpferische, aggressive Haltung gegenüber der freiheitlich demokratischen Grundordnung, auf deren Abschaffung die Partei abzielt, sowie konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein Erreichen der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Ziele nicht völlig aussichtslos erscheint, sie also eine gewisse Potentialität besitzt.

2. Wie kann ein Parteiverbotsverfahren eingeleitet werden?

Ein Parteiverbotsverfahren kann nur aufgrund eines begründeten Antrags versehen mit Beweismitteln vom Bundesverfassungsgericht eingeleitet werden. Antragsberechtigt sind der Bundestag, der Bundesrat und die Bundesregierung als Verfassungsorgane. Beim letztlich gescheiterten NPD-Verbotsverfahren waren alle drei Verfassungsorgane Antragsteller. Stand heute ist nicht von einem Verbotsantrag der Bundesregierung oder des Bundesrates auszugehen.

Im Folgenden wird deshalb nur die mögliche Antragstellung durch den Bundestag betrachtet.

Das Bundesverfassungsgericht prüft den Antrag und entscheidet, ob es daraufhin das Hauptverfahren eröffnet oder den Antrag bereits als unzulässig zurückweist. Dies kann der Fall sein, wenn der Antrag nicht ordnungsgemäß gestellt wurde, weil er z. B. nicht hinreichend begründet wurde. Ein Antrag ohne ausführliche Darlegung und Würdigung der Beweismittel hat mithin keine Aussicht auf Erfolg.

3. Wie muss ein ordnungsgemäßer Antrag für ein Verbotsverfahren aussehen?

Ein Verbotsantrag muss vom Antragsteller zwingend schriftlich mit den erforderlichen Beweismitteln vorgelegt werden (§ 23 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Hierzu muss der Antragsteller alle zur Verfügung stehenden Quellen auswerten. Alle Erkenntnisse über die Aktivitäten der Partei und ihrer Mitglieder, soweit sie der Partei zugerechnet werden können, sind heranzuziehen. Dazu gehören auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene Erkenntnisse.

Auf dieser Tatsachengrundlage muss der Antragsteller nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden, ob er einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht stellt.

4. Sind wir nicht automatisch verpflichtet einen Verbotsantrag zu stellen?

Nein. Allein aus der Erkenntnis einzelner (oder aller) Verfassungsschutzämter hinsichtlich der möglichen oder auch sicheren Verfassungsfeindlichkeit einer Partei folgt kein „Automatismus“ oder eine Pflicht zur Einleitung eines Verbotsverfahrens. Selbst die sichere Erkenntnislage entbinden nicht von der Bildung einer eigenen Einschätzung und Ermessensausübung der Antragsteller.

Dies hat das Bundesverfassungsgericht schon im Parteiverbotsverfahren gegen die KPD 1956 festgestellt: Ob die antragsberechtigten Organe einen Antrag stellen „steht in ihrem pflichtmäßigen Ermessen, für das sie und sie allein politisch verantwortlich [sind]. Das Bundesverfassungsgericht hat nur die formale Zulässigkeit des Antrages zu prüfen“ (BVerfGE 5, 85 (113)).

5. Kann die Antragstellung nicht gleich an ein Expertengremium delegiert werden?

Nein. Die Antragstellung muss zweistufig erfolgen. Zunächst müsste der Bundestag beschließen, entweder selbst eine Arbeitsstruktur zu schaffen oder ein Expertengremium zu beauftragen, eine Materialsammlung mit allen Beweismitteln zusammenzutragen, einschließlich der Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter. Hieraus können und werden sich Folgefragen für die Arbeit der Verfassungsschutzämter ergeben (Herstellung von Staatsfreiheit, d. h. den Abzug etwaiger V-Leute, Beendigung des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel, etc.). Erst wenn diese Materialsammlung vorliegt, kann der Bundestag in einem zweiten Schritt über die Einbringung eines Verbotsantrags beim Bundesverfassungsgericht entscheiden. Denn der Antragsberechtigte muss sich gerade eine eigene Meinung bilden um nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden zu können, ob die dann vorliegenden Beweismittel ausreichen, damit ein Parteiverbotsverfahren Aussicht auf Erfolg hat.

6. Wieviel Zeit würde die Vorbereitung eines Verbotsantrags erfordern?

Die zur Vorbereitung eines Verbotsantrags notwendige Materialsammlung, in der alle Erkenntnisquellen ausgewertet werden, wird realistischerweise einen Zeitraum von ca. neun bis zwölf Monaten in Anspruch nehmen, bis diese in einen Antragsentwurf münden können. Dies hängt auch davon ab, wann das Bundesamt für den Verfassungsschutz weitergehende, mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnene Erkenntnisse über die AfD vorlegt, die bei der Antragstellung mit einzubeziehen sind.

7. Welche Bedeutung haben die Einschätzungen der Verfassungsschutzämter zur AfD?

Die Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder zur AfD sind ein wesentlicher Baustein in einem Parteiverbotsverfahren. Jedoch ist streng zu unterscheiden zwischen der Einschätzung einer Verfassungsschutzbehörde und den Voraussetzungen für ein Parteiverbotsverfahren. Die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts für ein Parteiverbot sind viel strenger als die für eine Einschätzung der Verfassungsschutzämter, ob eine Partei auf dem Boden des Grundgesetzes steht oder nicht. Nur weil ein Verfassungsschutzamt zu der Erkenntnis kommt, dass eine Partei verfassungsfeindlich ist, bedeutet dies noch nicht, dass auch das Bundesverfassungsgericht eine Partei auch als verfassungswidrig verbietet.

8. Wann ist mit einer weiteren Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zur AfD zu rechnen?

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat in einem Gutachten festgestellt, dass der Verdacht besteht, dass die AfD als Gesamtpartei verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. Dies bedeutet die Einstufung als sogenannter Verdachtsfall. Danach darf die Partei auch mit weitergehenden nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet werden. Hiergegen hat die AfD vor dem Verwaltungsgericht Köln geklagt. Dieses hat die Einstufung als Verdachtsfall bestätigt. Dagegen hat die AfD Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (OVG Münster) eingelegt. Das OVG Münster hat das Urteil des Verwaltungsgerichts bestätigt.

Das OVG Münster hat ein weiteres Rechtsmittel, die Revision, nicht zugelassen. Hiergegen hat die AfD Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Erst nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist mit einer weiteren Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu rechnen, z. B. ob die AfD aus dessen Sicht gesichert rechtsextrem ist.

9. Wie lange würde ein Verbotsverfahren dann schließlich dauern?

Wie lange das Bundesverfassungsgericht für ein Verbot benötigen würde, ist schwer zu sagen.

Vergangene Parteiverbotsverfahren haben jeweils mehrere Jahre gedauert.

10. Kann das Verbotsverfahren nicht beschleunigt werden?

Es ist anzunehmen, dass das Bundesverfassungsgericht einen Parteiverbotsantrag mit einer gewissen Priorität behandeln und heute auch etwas schneller als in der Vergangenheit urteilen würde. Denn spätestens nach den NPD-Verbotsverfahren sind die verfassungsrechtlichen Grundsätze für ein Parteienverbot ausgeurteilt. Realistisch betrachtet ist aber dennoch mit einer Verfahrensdauer von nicht unter einem Jahr ab vollständiger Antragstellung zu rechnen.

11. Was kann das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz).

Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat.

Wegen dieser drastischen Folgen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei so hoch.

 

12. Könnte die AfD nicht wenigstens von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden?

Der Ausschluss einer Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung ist kein milderes Mittel.

Es müssen die gleichen Voraussetzungen vorliegen, wie bei einem Parteiverbotsverfahren. Es handelt sich hierbei also nicht um eine niedrigschwellige Alternative. Lediglich die politische Durchsetzungskraft (Potentialität) kann bei einer Partei fehlen, die von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen wird (siehe Frage 1). Die politische Durchsetzungskraft wird aber bei der AfD ohnehin nicht außer Frage stehen, weshalb sie dann auch gleich verboten werden müsste.

 

13. Was bedeutet das alles für den von Marco Wanderwitz initiierten Antrag?

Derzeit ist ein Antragsentwurf auf Initiative von Marco Wanderwitz im Umlauf, mit dem bereits jetzt die Beantragung eines Parteiverbotsverfahren durch den Bundestag beschlossen werden soll. Abgesehen davon, dass dieser Beschlussantrag die notwendige Mehrheit im Plenum aller Voraussicht nach nicht erreichen wird, leidet er auch an wesentlichen inhaltlichen Mängeln.

So soll der Bundestag bereits eine Blankovollmacht für einen Verbotsantrag erteilen, obwohl noch gar nicht alle Beweismittel zusammengetragen wurden. Damit sollen erst nach dem Beschluss Verfahrensbevollmächtigte beauftragt werden. Der Antrag würde also den zweiten Schritt vor dem ersten machen. Es besteht die Gefahr, dass der Verbotsantrag des Bundesverfassungsgerichts bereits deshalb als unzulässig verworfen wird. Denn der Bundestag hätte eben nicht auf Grundlage der später zugrunde zu legenden Beweismittel eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen. Es ist auch zweifelhaft, ob ein Verbotsantrag überhaupt noch wirksam beim Bundesverfassungsgericht durch die zu beauftragenden Verfahrensbevollmächtigten eingereicht werden könnte. Denn unter der Annahme, dass die Erstellung einer umfassenden Materialsammlung, zu der auch die Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz gehören, neun bis zwölf Monat in Anspruch nimmt, verfiele der Beschluss des Bundestages für einen Verbotsantrag mit Zusammentritt des Bundestages der 21.

Wahlperiode der Diskontinuität. Schließlich könnte durch den Beschlussantrag auch nicht die vom Bundesverfassungsgericht verlangte strikte Staatsfreiheit sichergestellt werden und es bestünde die Gefahr, dass der Antrag schon bei seinem Beschluss auch aus diesem Grund unzulässig ist (siehe Frage 5) (für weitere Informationen hierzu siehe den Beitrag im Verfassungsblog von Prof. Dr. Till Patrik Holterhus, AfD-Verbot und strikte Staatsfreiheit: https://verfassungsblog.de/strikte-staatsfreiheit/

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