Inwiefern kann es gerecht sein die Kosten des demographischen Wandels ausschließlich auf die Beitragszahlenden abzuwälzen?
Es gibt mehrere Gruppen, die ihren Teil zu der Finanzierung des demographischen Wandels beitragen könnten: Rentner, Beamte, Selbstständige, sozialversicherungspflichtig Beschäftigte.
Allerdings sollen laut dem Rentenpaket II ausschließlich die Letzteren dafür aufkommen und das vollkommen ohne Perspektive wie ihre Renten dann ab 2040 finanziert werden sollen.
Entspricht diese einseitige Lastenverteilung ihrem Verständnis von (Generationen-)Gerechtigkeit?
Guten Tag,
die Kosten des demografischen Wandels ausschließlich auf die Beitragszahlenden abzuwälzen, wäre grundsätzlich natürlich nicht gerecht. Das macht aber auch keiner, auch wenn das von vielen Interessengruppen anders dargestellt wird.
In den vergangenen 20 Jahren wurde das Rentenniveau von 53 auf 48 Prozent abgesenkt, und aktuell wird das Renteneintrittsalter bis 2030 von 65 auf 67 Jahre angehoben. Beides führt dazu, dass wir aktuell einen deutlich niedrigeren Beitragssatz haben als in großen Teilen der Zeit seit Mitte der 1980er-Jahre. Bisher haben also fast nur die Rentner:innen die Kosten des demografischen Wandels getragen. Zudem käme man bei einer weiteren Absenkung des Rentenniveaus in eine Situation, in der 45 Beitragsjahre mit einem beinahe durchschnittlichen Verdienst nicht mehr für eine Rente ausreichen würden, die deutlich oberhalb der Grundsicherung liegt. Und eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters für alle würde dazu führen, dass ein recht großer Teil der Versicherten körperlich nicht bis zum Eintrittsalter durchhalten könnte, sondern mit Abschlägen vorzeitig in Rente gehen müsste. Da außerdem noch häufig diejenigen, die wenig verdienen, körperlich stärker im Beruf gefordert sind, wäre bei diesen beiden Stellschrauben bald ein Punkt erreicht, an dem das für viele Beteiligte nicht mehr tragbar ist. Beim Beitragssatz ist dagegen noch etwas Luft, schließlich war er schon einmal höher, ohne dass das für die Beitragszahlenden untragbar war.
Das noch wichtigere Argument ist aber: Eine Betrachtung zwischen Beitragszahler:innen und Rentner:innen zu einem einzigen Zeitpunkt ist irreführend. Denn alle waren einmal Beitragszahler:in, und jeder und jede der jetzigen Beitragszahler:innen wird selbst einmal in Rente gehen. Und wenn man jetzt das Rentenniveau weiter absinken lässt ohne eine Haltelinie, dann wird es vor allem für diejenigen, die jetzt noch jung sind, niedrig sein. Sie würden also dann in den nächsten paar Jahren ein bisschen was bei den Beiträgen sparen, würden aber dadurch vor allem bei ihrer eigenen Rente später sehr viel einbüßen. De facto würde eine weitere Absenkung des Rentenniveaus also nicht in erster Linie dazu führen, dass die jüngere Generation entlastet wird und die ältere Generation belastet, sondern dass die jüngere Generation ihre eigene Belastung ins Alter schiebt und insgesamt mehr belastet wird.
Noch wichtiger ist es aber, dafür so wie auch in den vergangenen Jahren zu sorgen, dass die Kosten des demografischen Wandels klein bleiben. Das erreicht man in einem Umlagesystem, indem das Erwerbspersonenpotential mobilisiert wird, indem man für Frauen, Migrant:innen, Ältere, Menschen mit Einschränkungen usw. Hürden der Arbeitsmarktpartizipation abbaut (z.B. durch bessere Kinderbetreuung oder Barrierefreiheit), indem man Menschen ermöglicht, gesund und fit freiwillig länger zu arbeiten. Und außerdem, indem man für gute Löhne sorgt, durch Mindestlohn, Tarifbindung, eine Wirtschaft, die nicht vom Niedriglohnsektor abhängig ist. Wenn wir das alles schaffen, bleibt die Rentenversicherung dauerhaft tragfähig für alle Generationen.
Mit freundlichen Grüßen
Ottmar von Holtz