Frage an Ottmar Schreiner von Daniel R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Schreiner,
Herzlichen Dank für Ihre inhaltlich, umfassende Antwort. Es gibt in Baden-Württemberg von der Diözese Rottenburg-Stuttgart ein Aktionsbündnis "Solidarische Alterssicherung"
Homepage: 3-stufen.de
Dieses Modell stellt eine Alternative zu den aktuellen Privatisierungstendenzen in den sozialen Sicherungssystemen dar und bietet zudem die Möglichkeit, die notwendige Reform und Fortentwicklung der GKV aus meiner Sicht finanziell verträglich und ausgeglichen zu gestalten.
Die Einführung einer bedarfsunabhängigen Mindestsicherung unabhängig von Erwerbsarbeitszeiten bewirkt, dass Erwerbsarbeit nicht mehr ausschließliche Bezugsgröße des Alterssicherungssystems ist. Die soziale Sicherung im Alter wird damit auf eine breitere Basis gestellt.
Bestandteile dieser Sicherung umfassen eine Sockelrente, Arbeitnehmerpflichtversicherung sowie betriebliche und private Altersvorsorge. Folgende Auswirkungen:
1. Eigenständige Alterssicherung für jeden und jede,
2. Verhinderung von Altersarmut,
Anreiz zur Aufnahme von Erwerbsarbeit, denn jeder Beitrag (aus Erwerbsarbeit, Kindererziehung und Pflege) führt von Beginn an zu einem Rentenanspruch oberhalb des Existenzminimums,
3. Bessere Möglichkeit, Erwerbsarbeit zu teilen, da das Existenzminimum durch die Sockelrente garantiert wird und auch niedrige Beiträge den Rentenanspruch erhöhen,
4. Wesentlich bessere Anerkennung der Familienleistungen durch Kombination von Sockelrente und Berücksichtigung von 6 Jahren Kindererziehungszeiten,
5. Beitrag zur eigenständigen Alterssicherung von Frauen,
6. Stärkung des Solidaritätsprinzips in der Gesellschaft durch eine wirkliche Reform der Alterssicherung,
Die kurze Auflistung von Argumenten dieses Modells, dass aus meiner Sicht eine wahre Bereicherung ist.
Ich freue mich über eine Antwort von Ihnen!
Herzliche Grüße
Daniel Rebholz
Sehr geehrter Herr Rebholz,
für Ihr zweites Schreiben zur gesetzlichen Rentenversicherung bedanke ich mich.
Das von Ihnen genannte 3-Stufen Modell des "Aktionsbündnis Solidarische Alterssicherung“, das von katholischen Verbänden entwickelt wurde und zu dem ich vor nicht allzu langer Zeit ein Gespräch mit dem Bundesvorstand der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) geführt habe, halte ich für einen überlegenswerten Vorschlag.
Das Modell einer steuerfinanzierten Sockelrente, die durch eine beitragsfinanzierte Arbeitnehmerpflichtversicherung und durch betriebliche und private Altersvorsorge ergänzt werden soll, ist unter sozialpolitischen Gesichtspunkten gewiss bedenkenswert, da Geringverdiener und Versicherte mit unsteten Erwerbsverläufen besser gestellt werden sollen.
Allerdings entstehen genau an diesem Punkt auch die politischen Probleme des Modells: Da die Gesamtversorgung für Durchschnittsverdiener in etwa dem heutigen Niveau entsprechen soll, bedeutet dies, dass der „Wert“ der beitragsfinanzierten Pflichtversicherung abgesenkt würde. Personen mit hohem Einkommen erhielten im Alter also eine deutlich geringere Rente als im geltenden Recht, müssten aber in hohem Maße zur Steuerfinanzierung der Sockelrente beitragen. Grundlegendes Prinzip der gesetzlichen Rentenversicherung ist jedoch die Beitragsbezogenheit der Rente. Das heißt: Die Höhe der Rente muss - vereinfacht gesehen - in Beziehung stehen zu der Höhe und der Dauer der Beitragszahlung. Die "Mindestrente" dagegen meint einen garantierten Betrag, unabhängig von der Höhe und der Dauer der Beitragszahlung. Angesichts der großen Akzeptanz, die die Beitragsbezogenheit von Leistungen in der Bundesrepublik genießt, dürfte es sehr schwer sein, ein derartiges Modell gesellschaftlich durchzusetzen.
Das Zentralkomitee der Katholiken hat sicherlich auch aus diesem Grund in dem Beschluss der Vollversammlung vom 19. November 2004 zur Zukunftsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung auf einen derartigen Systemwechsel verzichtet und stattdessen Vorschläge zur Reform innerhalb des bestehenden Rentensystems unterbreitet.
Mit freundlichen Grüßen
Ottmar Schreiner