Frage an Ottmar Schreiner von Ali A. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Schreiner!
Sie haben heute dem EU-Vertrag von Lissabon zugestimmt. Warum haben Sie das gemacht?
Sie haben ja mal kritisiert, dass die soziale Sicherheit in der EU nicht ausreichend gesichert ist.
Mit der Dienstleistungsrichtlinie, EU-Freizügigkeit, vielen Liberalisierungen usw. wird Druck auf die ArbeitnehmerInnen hierzulande ausgelöst.
Herr Kurt Beck hat das ja heute auch kritisiert. Dass das Soziale in Europa viel zu kurz komme!
Außerdem möchte ich als Bürger selbst über etwas entscheiden. Warum machte man zu diesem Thema keine Volksbefragung?
Mit freundlichen Grüßen
Ali Avci
Sehr geehrter Herr Avci,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Zustimmung zum Vertrag von Lissabon ist mir sehr schwer gefallen. Im Vergleich zum derzeit gültigen Vertrag von Nizza bringt der neue Vertrag einige Verbesserungen, v.a. was die Entscheidungsverfahren auf der europäischen Ebene angeht. Besonders wichtig ist mir dabei die Stärkung des Europäischen Parlaments, das mehr Mitentscheidungsrechte und durch die Wahl des Kommissionspräsidenten einen größeren Einfluss auf die Kommission erhält.
Ein großer Schritt in Richtung eines sozialen Europa ist mit dem Vertrag jedoch – da stimme ich Ihnen zu – leider nicht gelungen, die Grundrechtecharta wird zwar rechtsverbindlich, was ein Fortschritt ist, doch leider nicht für alle Länder. Im Sozialkapitel bleibt hingegen (abgesehen von der Aufnahme eines recht unverbindlichen Verfahrens zur Koordinierung der nationalen Sozialpolitik, der sogenannten Offenen Methode der Koordinierung) alles beim Alten, hier gibt es noch viel Verbesserungsbedarf, allerdings hat sich bereits bei der Erarbeitung des Verfassungsvertrages gezeigt, dass dies noch am Veto von Großbritannien und einiger osteuropäischer Staaten scheitert.
Was dringend nötig wäre, v.a. vor dem Hintergrund der jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (Viking, Laval, Rüffert), wäre die Ergänzung des Vertrages um eine „soziale Fortschrittsklausel“. In dieser müsste geregelt werden, dass die wirtschaftlichen Grundfreiheiten nicht weiter zu „Super-Grundrechten“ ausgeweitet werden, die nationale Sozialrechte beschränken. Hierfür werde ich mich, auch in Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften, einsetzen.
Eine Volksbefragung ist in Deutschland zu solchen Themen nicht möglich, da sie im Grundgesetz nicht vorgesehen ist.
Mit freundlichen Grüßen,
Ottmar Schreiner