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Frage von Irmgard R. •

Frage an Ottmar Schreiner von Irmgard R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Schreiner!

Ich habe gelesen, dass wir ca. 39 Mio. sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse haben. Andererseits werden da auch Jobs reingerechnet, die von RentnerInnen oder von Mehrjobbern erledigt werden. Stimmt diese Darstellung?

Die FAZ schreibt, dass die Statiststik verfälscht wird, und 3,2 Mio. Arbeitslose nicht von ihr erfasst werden. Frage: Warum nehmen alle Politiker diese Verfälschung einfach kommentarlos hin. Könnten Sie das bitte auch mal zum Thema machen? Nur wer eine ungeschönte Analyse macht, kann m.E. etwas ändern.

Ich habe nicht das Gefühl, dass es der Regierung sehr unangenehm ist, dass man überall von 3,5 Mio. Arbeitslosen spricht. Die Zahl dürfte aber nicht stimmen. Oder schreibt die "FAZ" die Unwahrheit?!

Mit freundlichen Grüßen

Irmgard Resch

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Resch,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes und der Bundesagentur für Arbeit (BA) beläuft sich die Zahl der Erwerbstätigen im Januar 2008 auf 39,5 und die der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auf 27 Millionen Personen. Zu den Erwerbstätigen zählen die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sowie Selbständige und Beamte.

Die Diskrepanz zwischen offizieller Arbeitslosenstatistik und tatsächlicher Arbeitslosenzahl ergibt sich zum einen aus arbeitsmarktentlastenden Maßnahmen der BA und zum anderen daraus, dass Personen, die die Kriterien für den Arbeitslosenstatus nicht erfüllen, auch nicht als arbeitslos gelten. Die Statistik der BA zählt Personen als arbeitslos, die sich arbeitslos gemeldet haben, keine Arbeit mit mehr als 15 Wochenstunden haben, eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung suchen, dem Arbeitsmarkt sofort zur Verfügung stehen und zwischen 15 und 65 Jahren sind.

Im Jahresverlauf 2007 waren durchschnittlich 5.329.000 erwerbsfähige Hilfebedürftige (eHb) registriert, von denen 2.473.000 als arbeitslos geführt wurden.

Die Arbeitslosenstatistik wird entlastet durch (Durchschnittszahlen für Januar bis September 2007):

(1) erwerbstätige Arbeitslosengeld II-Empfänger, deren Einkommen nicht ausreicht, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Das sind 524.211 nicht-arbeitslose Alg II-Empfänger mit Einkommen >400 Euro.

(2) Teilnehmer an Maßnahmen der Arbeitsförderung. Dazu gehören durchschnittlich 418.000 Personen (Ein-Euro-Jobs und Teilnehmer an Qualifizierungsmaßnahmen).

(3) eHb, die aus unterschiedlichen Gründen – z.B. Schulbesuch, 58er-Regelung, Krankheit – nicht als arbeitslos gelten. Hiervon waren bis September 2007 durchschnittlich 484.000 erwerbsfähige, die jünger als 20 Jahre und 312.000 eHb, die 58 Jahre u nd älter und nicht arbeitslos waren.

Die nicht als arbeitslos geführten Arbeitslosengeld-Bezieher summieren sich auf 286.000. Für beide Rechtskreise (Arbeitslosengeld I und II) ergibt sich mit gut 1,5 Millionen Personen eine entlastende Wirkung auf die Arbeitslosenstatistik.

Die von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) genannte Zahl i.H.v. 3,2 Millionen Arbeitslosen, die nicht als arbeitslos gelten, ist insofern irreführend, weil hier sämtliche eHb mit 2,8 Mio. Personen einbezogen werden. Dazu gehören auch Personen, die wegen Krankheit, Schule, Erziehung von Kindern, Pflege von Angehörigen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen und deshalb auch nicht als arbeitslos geführt werden. Hinzu kommen eHb in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sowie erwerbstätige mit Bruttoeinkommen von mehr als 400 Euro. Nimmt man die Zahl der Nicht-arbeitslosen Arbeitslosengeld I-Bezieher i.H.v. 286.000 hinzu, die auch wegen der 58er Regelung oder Krankheit dem Arbeitsmarkt eigentlich nicht zur Verfügung stehen, so ergibt sich die von der FAZ genannte Zahl von 3,2 Millionen, die nicht als arbeitslos gelten.

Sehr geehrte Frau Resch, wie sie sehen wird die Öffentlichkeit – das ist nicht das einzige Beispiel – häufig falsch informiert.

Richtig ist allerdings, dass sich der hochgejubelte Beschäftigungsaufbau zugunsten prekärer Beschäftigungsverhältnisse entwickelt hat und sich der Niedriglohnsektor in den letzten Jahren massiv ausgebreitet hat. Die Unsicherheit regiert jeden Lebensbereich. Diese Entwicklung kann meines Erachtens nicht erwünscht sein, denn sie hat schwerwiegende gesellschaftspolitische Folgen: Lohnarmut, Kinderarmut und Altersarmut.

Ich werde mich auch weiterhin für einen gesetzlichen Mindestlohn, eine gesetzliche Mindestrente und gegen Kinderarmut einsetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Ottmar Schreiner