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Frage von Volker E. •

Frage an Ottmar Schreiner von Volker E. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Schreiner,

die Politik der Großen Koalition hat Vorschläge und Konzepte für alles mögliche entwickelt und zum großen Teil auch schon umgesetzt. Dass derzeit alles gut läuft, könnte man angesichts der zurückgehenden Arbeitslosigkeit und der wieder gesichterten öffentlichen Haushalte meinen. Jedoch muss man beim Thema Arbeitslosigkeit genauer hinschauen: Der Rückgang betrifft in der überwältigenden Mehrheit die Fachkräfte, die derzeit stark gefragt sind und wo es schon Mangelerscheinungen geben soll. Aber was ist eigentlich mit den Geringqualifizierten? In der öffentlichen Diskussion wird dieser Teil stiefmütterlich behandelt.

Im Großen und Ganzen geht es den Menschen in Deutschland gut, aber das drängendste Problem ist meines Erachtens die Arbeitslosigkeit für Geringqualifizierte. Niemand erwartet wohl, dass ohne gesetzgeberische Maßnahmen die Arbeitslosigkeit in Höhe von 3 Millionen in diesem Bereich von alleine abgebaut wird. Wo sind die Konzepte zur Förderung des Niedriglohnbereichs?

Warum kann man nicht die Lohnnebenkosten im Niedriglohnbereich absenken oder abschaffen, um damit die Nachfrage nach Arbeit zu erhöhen und zur Gegenfinanzierung den Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer anheben? Als Sie noch Bundesgeschäftsführer der SPD waren, hatte die Partei Vorschläge zur Umfinanzierung des Sozialstaates: Die Steuern seien zu niedrig und müssten erhöht werden und die Lohnnebenkosten (durch die Arbeit künstlich verteuert wird) zu hoch und daher gesenkt werden. Was ist aus diesen Forderungen geworden? Ökosteuer und Mehrwertsteuer haben die grundsätzliche Fehlfinanzierung des Staates nicht beendet, der Unterschied zu anderen europäischen Staaten wie Schweden und Dänemark ist immer noch eklatant. Das wäre doch mal eine Strukturreform, die wirklich Wirkung am Arbeitsmarkt entfalten würde.

Herzliche Grüße, Volker Eishold

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Eishold,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich stimme mit Ihnen überein, dass der einseitige Hinweis auf den Rückgang der Zahl der Arbeitslosen keine Auskunft über die Struktur der Neueinstellungen und die der verbliebenen Arbeitslosen gibt. Zudem handelt es sich bei den Neueinstellungen zur Hälfte um prekäre Arbeitsverhältnisse wie z.B. Leiharbeit.

Was Ihre Vorschläge zur Förderung der Beschäftigung gering qualifizierter Arbeitnehmer anbelangt, kann ich nur Ihnen versichern, dass der Weg der Verbilligung des Faktors Arbeit in diesem Sektor alles andere war, als ein Königsweg. Denn seit Jahren werden die sog. Lohnnebenkosten unmittelbar gesenkt über Kombilöhne und mit Mini-, Midi- und Ein-Euro-Jobs versucht, gerade die Beschäftigung der gering qualifizierten Arbeitnehmer zu fördern. Alle diese Maßnahmen haben einzig und allein mehr Armut aber kaum eine dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigung geschaffen.

Das Problem der Arbeitslosigkeit ist nur zum Teil in der mangelnden Qualifikation der Betroffenen begründet. Um diese Einstellungshindernisse zu reduzieren sind Qualifizierungsmaßnahmen geeignete Mittel und nicht deren künstliche Verbilligung durch Lohnsubventionen. Das eigentliche Problem in Deutschland ist, dass die Inlandsnachfrage aufgrund des Rückgangs der real verfügbaren Einkommen der Arbeitnehmer in den letzten Jahren nicht genügend Wachstumsimpulse liefert, die erforderlich wären, um gerade in den Bereichen Arbeitsplätze zu schaffen, die nicht von den Exporten abhängig sind. Es handelt sich um die Berufsfelder, die einfache bis mittlere Dienstleistungsberufe umfassen. Hier können Sie Arbeitnehmer zu sehr niedrigen Löhnen anbieten, aber sie werden trotzdem nicht genommen. Die gesamte Agenda 2010 basierte auf dieser falschen Annahme, dass das Problem der Arbeitslosigkeit in den Betroffenen zu suchen ist. Dieser Irrweg ist gänzlich gescheitert. Ich halte daher die Förderung des Niedriglohnsektors nicht für eine geeignete Lösung der Arbeitslosigkeit bei gering qualifizierten Arbeitssuchenden.

Mit freundlichen Grüßen

Ottmar Schreiner