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Ottmar Schreiner
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Frage von Dieter S. •

Frage an Ottmar Schreiner von Dieter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Schreiner, Ihre Aussagen bei n-tv am 18.06. geben mir Hoffnung, daß bei Ihnen ein Vorstoß zur Änderung der Wahlgesetzgebung in guten Händen ist. Zu meiner Person: Jahrgang 1948, Dipl. Ing., nicht parteigebunden.
Meine Grundgedanken:

Die 5%-Klausel basiert auf den Erfahrungen einer unstabilen Demokratie, der sog. „Weimarer Republik“. Ich halte diese Klausel vom Grundsatz her als eine Diskriminierung und daher gegen den Geist unserer Verfassung gerichtet. - Worin liegt der substantielle Unterschied zwischen 4,999 % und 5,001 % der Stimmen? - Die Stimmen einer wählbaren Partei, die an der 5%-Hürde scheitert, werden derzeit (d´ Hondt’sches Verfahren) überproportional der stärksten Partei zugeschlagen, die aber möglicherweise diametrale Grundsätze in den wichtigsten Politikfeldern zur „gescheiterten“ Partei vertritt. Derjenigen Partei, die ihr inhaltlich am nächsten steht, gehen die Wählerstimmen jedoch verloren. Mein Vorschlag:

- Wahlkreise nach Zahl der Wahlberechtigten möglichst identisch (Abweichung <<1%)
- Zur besseren Unterscheidung gegenüber heute : Nicht „Erst-/ Zweitstimme“, sondern eine „Kandidatenstimme“ (für die Person) und eine „Parteistimme“ (für das Programm).
- Entscheidend für die von jeder Partei zu entsendenden Abgeordneten-Zahl ist der %- Anteil der „Parteistimmen“.
- Welche/r Kandidat/in dann für ihre/seine Partei ins Parlament kommt, hängt allein von den erhaltenen Stimmen ab, die sie/er innerhalb dieser Partei erhalten hat. Kein Überhang.
Ergebnis >>> Stärkung des Abgeordneten gemäß Artikel 38 GG >>>Mehr Transparenz für den Wähler Parteienzwang für Abgeordneten erheblich abgeschwächt)>>> Keine „automatische Wiederwahl“, wenn es die Partei nur will (über Absicherung Listenplatz) >>>* Hohe Wahlbeteiligung erhöht die Chancen für den Kandidaten/die Kandidatin des jeweiligen Wahlkreises
>>> Die Wahlenthaltungsausrede „der/ die kommt doch so oder so wieder `rein“ greift nicht mehr. Die Wahlbeteiligung wird steigen.

Wie stehen Sie dazu?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schoberth,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 20. Juni 2007 und für Ihre Vorschläge zur Umgestaltung unseres Wahlsystems.

Ich halte, im Gegensatz zu Ihnen, weniger das gegenwärtige Wahlsystem der Bundesrepublik für ein Problem und noch weniger für die Ursache für geringe Wahlbeteiligung der Wählerinnen und Wähler. Die historisch gewachsenen institutionellen Ausrichtungen eines parlamentarischen Systems haben oft ihre Relevanz und ihre begründete Legitimation, auch wenn sie manchmal als überholt und weniger effizient gelten. Meine Kritik an das gegenwärtige System ist inhaltlicher Natur. Ich denke in diesem Zusammenhag eher daran, dass die Folgen der unsozialen neoliberalen Politik verschiedener Bundesregierungen eine nachhaltige Destabilisierung der Funktionalität unseres freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaats bewirken könnten.

Die von Ihnen vorgeschlagenen Änderungen würden möglicherweise Verbesserungen der Wahlgesetze hervorrufen, würden aber das eigentliche Problem nicht lösen. Die geringe Wahlbeteiligung der Wählerinnen und Wähler und das Anwachsen eines Heers der Politikverdrossenen sind in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Politik als Ganzes als negativer Faktor im täglichen Leben von Menschen erlebbar wird. Ein Beispiel in diesem Zusammenhang könnte besser zur Veranschaulichung meines Ansatzes beitragen. Mit dem Begriff „Reform“ irgendeines Systems assoziiert man in erster Linie eine Verbesserung dieses System, zum Beispiel eine Verbesserung des Renten-, Gesundheits- oder Steuersystems.
Das versuchen die politischen Entscheidungsträger auch zu suggerieren.

Wenn aber die Menschen in ihrem täglichen Leben die „Reform“ stets als Verschlechterung ihrer persönlichen Situation erfahren, dann werden sie insgesamt enttäuscht und verlieren im Falle der Anhäufung solcher „Reformen“ ihr Vertrauen in die Politik als Ganzes.
Insofern handelt es sich in meiner Kritik der Entfremdung vieler Politiker von Ihren Wählerinnen und Wählern um eine inhaltliche Kritik, auch wenn ich die Integration der Elemente direkter Demokratie in unser demokratisches System für unabdingbar halte.

Mit freundlichen Grüßen
Ottmar Schreiner