Portrait von Ottmar Schreiner
Ottmar Schreiner
SPD
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Ottmar Schreiner zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Thorsten S. •

Frage an Ottmar Schreiner von Thorsten S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Schreiner,
meine Zustimmung zu den von Ihnen im Freitag (#17) vertretenen sozialdemokr. Positionen, wohlwissend, daß diese in der SPD eine Minderheit darstellen, weshalb diese für mich z.Zt. nicht wählbar ist. Meine besondere Zustimmung zu Ihrer Aussage "Politik darf nicht Ängste schüren", denn dies betrifft mich persönlich und möglicherweise existentiell. Vor zwei Jahren (gegen Ende meines Studiums) wurde bei mir eine chronische Darmerkrankung festgestellt, mit der ich weitgehend gelernt habe zu leben. Aufgrund eines gefragten Studiengangs, Auslandsstudium usw. war es gottlob auch kein Problem, eine sehr gut dotierte Festanstellung zu finden. Inzwischen Ende 20 und mit Berufserfahrung stehe ich nun vor einem Dilemma: Was passiert im Falle einer Berufsunfähigkeit, die momentan - Gott sei Dank - kein Thema ist, zumal die Erkrankung sich nicht notwendigerweise verschlimmern muß. Nach "Reform" des entsprechenden Teils der GRV entfiel die BUV ersatzlos, die politisch gewollte Antwort "Privatvorsorge" ist für mich jedoch mangels Kontrahierungszwang unerreichbar, so daß ich permanent mit sozialem Absturz rechnen muß, trotz Steuern und Abgaben (welche im Falle hochwertiger Leistungen etwa in der Daseinsvorsorge auch berechtigt sind, siehe Skandinavien). Ich bin nicht bereit, eine Familie (diese Frage wird aktuell) diesem Risiko auszusetzen, weswegen ich seit der (überraschenden) Diagnose und dem auftretenden BUV-Problem eine skandinavische Sprache erlerne und die Familiengründung auf den Zeitpunkt nach der Auswanderung verschieben werde. Dies ist die einzige Möglichkeit einer "Privatvorsorge", die mir eingefallen ist. In meinem Umfeld wird mir zugeraten, und ein Einzelfall bin ich auch nicht. Sehen Sie eine andere Lösung? Herzlichst, TS

PS: Anbei zwei Links zum Thema:
http://www.dccv.de/nicht-allein-mit-ced/forumsarchiv/crohn-colitis/versicherung/size/2/
http://www.expertenfinder.de/de/versicherung/berufsunfaehigkeit/gesetzliche_leistungen.html

Portrait von Ottmar Schreiner
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schneider,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 01. Mai 2007 und für Ihre ermutigenden Worte über meine politische Arbeit.

Ihr Fall zeigt erneut, welche negativen Folgen manche „Reformen“ mit sich bringen können. Die Berufsunfähigkeitsrente ist seit dem 01.01.2001 für alle Personen, die nach dem 01.01.1961 geboren sind, gänzlich weggefallen. Die Folgen aus diesem Sachverhalt sind entweder eine Privatvorsorge, wie Sie richtig feststellen, oder die Hinnahme einer Erwerbsminderungsrente, sobald die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.

Allerdings ist die Erwerbsminderungsrente sehr restriktiv ausgelegt und wird nur gezahlt, wenn Sie am Tag nicht mehr als drei Stunden arbeiten können. Sollten Sie noch zwischen drei und sechs Stunden arbeiten können, wird nur die halbe Erwerbsminderungsrente gezahlt. Dabei spielt der ausgeübte Beruf überhaupt keine Rolle mehr. So kann der soziale Risikoträger heute einem Zahnarzt zumuten, auch als Pförtner zu arbeiten.

Mir sind diese gesetzlichen Ungerechtigkeiten bekannt und habe schon damals gegen diese Kürzungen gestimmt. Die Privatisierung der Berufsunfähigkeitsversicherung halte ich nach wie vor für absolut falsch. Dadurch kann sich der Staat von seiner Fürsorgepflicht nicht entbinden.

Ich kann Ihre persönliche Schlussfolgerung einer Auswanderung in ein skandinavisches Land sehr gut nachempfinden. Allerdings ist nicht jeder in der Lage, einen derartigen radikalen Bruch in seiner Biographie vorzunehmen. Hier muss die Politik die selbst verursachten Missstände korrigieren und dafür sorgen, dass eine sozial tragbare und für alle transparente Lösung gefunden wird. Zumindest muss der Staat für die einkommensschwachen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Alternativen bereitstellen. Es ist wirklich ein Armutszeugnis für eins der reichsten und wirtschaftlich stärkten Länder der Welt, dass seine bedürftigen Bürger zum Teil unter nicht hinnehmbaren Bedingungen leben müssen.

Zum Schluss wünsche ich Ihnen, dass Sie in ihrem Leben gesund und arbeitsfähig bleiben, sodass Sie auf eine Berufsunfähigkeitsrente, auch in einem skandinavischen Land, nicht angewiesen sind.

In diesem Sinne und mit herzlichen Grüßen
Ottmar Schreiner