Frage an Ottmar Schreiner von Inrgid H. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schreiner,
Sie sind durch 3 Fragesteller mit dem Themenkreis "DDR-Flüchtlinge" konfrontiert worden. Es sind keine individuellen Befindlichkeiten geschuldeten privaten Fragen, sie haben durchaus öffentliche Relevanz. Bedauerlicherweise haben Sie sich bisher nicht zu einer Beantwortung bereit gefunden. Als Mitglied des 12. Bundestages hatten Sie sich seinerzeit mit Ihrem Aufruf, kein neues Rentenstrafrecht zu Lasten der Angehörigen des Partei- und Staatsapparates der DDR zu beschließen, sehr tapfer dem mainstream entgegengestellt. Was Ihnen von manchem als unangebrachte Parteinahme unterstellt worden sein mag, war dagegen als Votum für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates durchaus notwendig. Haben Sie damals gleichzeitig oder auch später, als Mitglied der folgenden Bundestage, Beschlüsse über eine Rückabwicklung der Eingliederungsverfahren der damaligen Bestandsübersiedler gefaßt? Wenn ja, wäre die Frage zu stellen, warum ein solcher Vorgang nicht veröffentlicht wurde, warum er nicht im Lichte des Grundgesetzes auf Verhältnismäßigkeit geprüft wurde. In den zugänglichen BT - Drucksachen sind derlei Debatten oder gar Beschlüsse nicht zu finden. Hier wäre Ihr Erinnerungsvermögen sicher hilfreich. Und des weiteren Ihre oben erwähnte Tapferkeit. Ich bitte Sie, bekennen Sie sich: "Ja, wir haben die komplette Rückabwicklung mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen gewollt." Sie werden wissen, daß diese Konsequenzen dadurch so einschneidend sind, daß den Betroffenen die Grundlagen ihrer realen DDR-Erwerbsbiografie entzogen werden. In diesem Falle wären allerdings weitere Fragen unumgänglich. Oder aber: "Sorry, es tut uns leid, das haben wir nicht gewollt; wir werden das in Ordnung bringen." Ich erlaube mir, Sie an Ihr seinerzeitiges Votum für die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates zu erinnern. An den glaube ich nämlich noch. Sehen Sie irgendeinen Grund, den "DDR-Flüchtlingen" diese elementare Auskunft vorzuenthalten?
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre zahlreichen Anschreiben im Zusammenhang mit der unzulässigen Anwendung der RÜG-Gesetze für die Rentenansprüche der Altübersiedler. Sie haben mich durch Ihre Anfragen auf eine gesetzliche Schieflage im Zusammenhang mit den Rentenansprüchen ehemaliger DDR-Übersiedler, die zwischen 1971 und 1989 nach Westdeutschland übergesiedelt waren (Altübersiedler), aufmerksam gemacht. Meines Wissens wurden über diese Website auch andere Kollegen angefragt, auch in anderen Fraktionen. Es scheint sich also um ein Problem allgemeineren Charakters zu handeln.
Das RÜG war seinerzeit dafür geschaffen worden, die Rentenbelange der Bürgerinnen und Bürger des Beitrittsgebiets nach der Wiedervereinigung zu regeln. In den erwähnten Anfragen wird mir aber geschildert, dass dieses Instrumentarium auch dazu genutzt wird, rückwirkend in die Rentenanwartschaften der Altübersiedler einzugreifen. Diese sind doch aber, wie wir wissen, bereits vor dem Fall der Mauer über Eingliederungsverfahren Bürger der alten Bundesrepublik geworden. Ihre DDR-Erwerbsbiografien waren durch diese Transformation zu bundesdeutschen Rentenanwartschaft geworden. Die Anwartschaften der Altübersiedler waren damit im westdeutschen Sozialversicherungssystem bereits fest verankert, als im Bundestag die Gesetze zum Beitritt der DDR debattiert und beschlossen wurden.
Meines Erachtens bietet das RÜG keine Grundlage dafür, gefestigte Rechtspositionen von Bundesbürgern rückwirkend noch einmal zur Disposition zu stellen. Die rückwirkende Anwendung des RÜG (insb. § 256a in Verbindung mit § 259a SGB VI) auf die FRG-gestützten Rentenanwartschaften der Altübersiedler bedeutet einen Paradigmenwechsel, der für die meisten von ihnen, insbesondere für die Hochqualifizierten unter ihnen, mit einer immensen Einbuße einhergeht.
Ich habe im Übrigen den Eindruck, dass es sich hier um eine zahlenmäßig gar nicht so große Gruppe handelt.
Diese Ungerechtigkeit ist auch angesichts der vergleichsweise höheren Rentenansprüche der Angehörigen des SED-Unrechtssystems nicht hinnehmbar, zumal eine rechtliche Grundlage für eine Umbewertung der Rentenanwartschaften vom FRG auf das RÜG nicht vorhanden ist.
Aufgrund dieser Umstände habe ich zwei der betroffenen Anfrager unter Ihnen zu mir eingeladen und sie angehört. Nach dem Gespräch wurde mir die falsche Handhabung beider Gesetze (RÜG und FRG) zunehmend klarer.
Bemerkenswert ist auch die Reaktion der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion in diesem Zusammenhang. Die Bundesregierung umgeht den Sachverhalt und versucht die einmal getroffenen Fehlentscheidungen um jeden Preis zu verteidigen und nicht zurückzunehmen. Ihre Antwort auf die kleine Anfrage der FDP-Fraktion (vgl. Drs. 16/5571) dokumentiert leider diesen fehlenden Willen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe dieses Anliegen an die für rentenpolitischen Fragen zuständige Abgeordnete in meiner Fraktion mit der Bitte weitergeleitet, die Betroffenen bei einem Treffen anzuhören und nach Möglichkeiten zu suchen, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.
Mit freundlichen Grüßen
Ottmar Schreiner