Frage an Ottmar Schreiner von Eberhard S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schreiner,
ich stamme aus Zwickau, bin anerkannter DDR-Flüchling (C-Ausweis) und lebe mit Familie (2 Kinder) in Ba-Wü. Noch heute, mit über 62 Jahren bin ich bei 40 Arbeitsstunden/Woche voll beschäftigt! Wir haben uns 1986 dem Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung (GG der BRD) unterstellt. Das jedoch nicht deshalb, weil wir hier Rente "abgreifen" wolten, sondern weil wir als Deutsche unser Leben in Freiheit und ohne politsche Indoktination selbst gestalten wollen. Mit meiner Eingliederung in der BRD habe ich schriftlich verbriefte FRG-Anwartschaften erhalten, die unstreitig durch den Artikel 14 GG geschützt sind. Unter dieser Maßgabe hätte ich als Ingenieur den gleichen Rentenanspruch, wie jeder wiedervereinigte DDR-Ingenieur. Nun bin ich auf das tiefste erschüttert, weil die RV Bund offensichtlich mit Unterstützung des BMAS mich rechtswidrig in die DDR zurück katapultiert und mir die schriftlich zugesagte Renten- Rangstelle innerhalb der Gemeinschaft wegnimmt. Sie hat mir nachträglich das RÜG übergestülpt, obgleich ich schon lange vor dem Fall der Mauer im GG lebe. Hinzu kommt, dass ich das jetzt erst erfahren habe!!! Als Flüchtling kann ich RÜG-Krtiterien nicht erfüllen. Sie wurden ja für das Beitrittsgebiet gemacht. Das bedeutet für mich eine Rentenkürzung von 50%. Die sich hierzu einstellende Rechtspraxis ist rechtsstaatlichswidrig, weil sie nicht dem Auftrag des Gestzgebers entspricht. Ich werde zwar mein Lebensende auch mit einer massiven Rentenkürzung erleben, mein Vertrauen in den Rechtsstaat indes ist durch diese Fakten tief erschüttert.
Ich frage Sie als Volljuristen:
1. Werden Sie dazu beitragen, den politischen Flurschaden und die beginnende Erosion das Rechtsstaates zu beseitigen?
2. Würden Sie eine Gesetzesinitiative zur Qualitätskontrolle der 3. Gewalt unterstützen?
3. Würden Sie eine Normenkontrolle zur Praxis der RV-Bund unterstützen?
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Eberhard Sonntag
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre zahlreichen Anschreiben im Zusammenhang mit der unzulässigen Anwendung der RÜG-Gesetze für die Rentenansprüche der Altübersiedler. Sie haben mich durch Ihre Anfragen auf eine gesetzliche Schieflage im Zusammenhang mit den Rentenansprüchen ehemaliger DDR-Übersiedler, die zwischen 1971 und 1989 nach Westdeutschland übergesiedelt waren (Altübersiedler), aufmerksam gemacht. Meines Wissens wurden über diese Website auch andere Kollegen angefragt, auch in anderen Fraktionen. Es scheint sich also um ein Problem allgemeineren Charakters zu handeln.
Das RÜG war seinerzeit dafür geschaffen worden, die Rentenbelange der Bürgerinnen und Bürger des Beitrittsgebiets nach der Wiedervereinigung zu regeln. In den erwähnten Anfragen wird mir aber geschildert, dass dieses Instrumentarium auch dazu genutzt wird, rückwirkend in die Rentenanwartschaften der Altübersiedler einzugreifen. Diese sind doch aber, wie wir wissen, bereits vor dem Fall der Mauer über Eingliederungsverfahren Bürger der alten Bundesrepublik geworden. Ihre DDR-Erwerbsbiografien waren durch diese Transformation zu bundesdeutschen Rentenanwartschaft geworden. Die Anwartschaften der Altübersiedler waren damit im westdeutschen Sozialversicherungssystem bereits fest verankert, als im Bundestag die Gesetze zum Beitritt der DDR debattiert und beschlossen wurden.
Meines Erachtens bietet das RÜG keine Grundlage dafür, gefestigte Rechtspositionen von Bundesbürgern rückwirkend noch einmal zur Disposition zu stellen. Die rückwirkende Anwendung des RÜG (insb. § 256a in Verbindung mit § 259a SGB VI) auf die FRG-gestützten Rentenanwartschaften der Altübersiedler bedeutet einen Paradigmenwechsel, der für die meisten von ihnen, insbesondere für die Hochqualifizierten unter ihnen, mit einer immensen Einbuße einhergeht. Ich habe im Übrigen den Eindruck, dass es sich hier um eine zahlenmäßig gar nicht so große Gruppe handelt.
Diese Ungerechtigkeit ist auch angesichts der vergleichsweise höheren Rentenansprüche der Angehörigen des SED-Unrechtssystems nicht hinnehmbar, zumal eine rechtliche Grundlage für eine Umbewertung der Rentenanwartschaften vom FRG auf das RÜG nicht vorhanden ist. Aufgrund dieser Umstände habe ich zwei der betroffenen Anfrager unter Ihnen zu mir eingeladen und sie angehört. Nach dem Gespräch wurde mir die falsche Handhabung beider Gesetze (RÜG und FRG) zunehmend klarer. Bemerkenswert ist auch die Reaktion der Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP-Fraktion in diesem Zusammenhang. Die Bundesregierung umgeht den Sachverhalt und versucht die einmal getroffenen Fehlentscheidungen um jeden Preis zu verteidigen und nicht zurückzunehmen. Ihre Antwort auf die kleine Anfrage der FDP-Fraktion (vgl. Drs. 16/5571) dokumentiert leider diesen fehlenden Willen.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe dieses Anliegen an die für rentenpolitischen Fragen zuständige Abgeordnete in meiner Fraktion mit der Bitte weitergeleitet, die Betroffenen bei einem Treffen anzuhören und nach Möglichkeiten zu suchen, diese Ungerechtigkeit zu beseitigen.
Mit freundlichen Grüßen
Ottmar Schreiner