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Ottmar Schreiner
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Frage von Michael B. •

Frage an Ottmar Schreiner von Michael B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Schreiner,

zunächst möchte ich ihnen danken, dass Sie als Abgeordneter die Interessen der Wähler (Arbeitnehmer) so gut vertreten.

Ich habe nun eine Frage zum Thema Mindestlohn. Nachdem der Mindestlohn politisch über Jahre nicht umgesetzt wurde und die jetzige Regierung auch keine Anstalten macht dies zu ändern, bleibt uns Arbeitsnehmern wohl nur noch der juristische Weg.

Nachdem Bosmann-Urteil und auch anderen diversen Verordnungen frage ich mich ob es nicht möglich ist, den Mindestlohn über den EuGH einzuklagen. 20 von 27 Ländern haben den Mindestlohn, der durchschnittlich 8,40 Eur beträgt. Ich frage mich, ob ich hier als Deutscher nicht diskriminiert werde. Ein Luxemburger oder ein Franzose bekommen einen Mindestlohn und sind so in der Lage ihren Lebensunterhalt zubestreiten. Ein Deutscher ist heute meist gezwungen bei Zeitarbeitsfirmen anzuheuern, wird hier aber meist mit 7,38 Eur abgefunden (ab 01.07.2010 sind es dann 7,60 Eur) und kann sich dann noch ALG II holen, was meist mit Demütigungen einhergeht.

Ich frage sie daher, ob Sie bzw. die SPD bereits geprüft haben oder prüfen werden, ob die Nichteinführung des Mindestlohn gegen Europäisches Recht bzw. gegen Menschenrecht verstößt. Gibt es Klagen anderer Mitgliedsstaaten der EU die gegen die Niedriglohnpolitik der Bundesrepublik klagen?

Über eine umfassende Antwort wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Mit freundlichen Grüßen

M. N. Becker

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Sehr geehrter Herr Becker,

vielen Dank für Ihr Schreiben zum Thema Mindestlohn. In der Tat müssen wir alle erdenklichen Möglichkeiten zur Einführung von Mindestlöhnen ausschöpfen. Es ist auch klar, dass die Einführung von Lohnuntergrenzen über das Mindestarbeitsbedingungsgesetz oder das Arbeitnehmerentsendegesetz nur eine mittelfristige Lösung ist, um dem Problem der negativen Lohnentwicklung insgesamt und der Ausweitung des Niedriglohnsektors entgegenzutreten. Wir müssen daher weiterhin daran arbeiten, dass in Deutschland - wie in den anderen EU-Staaten - ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn eingeführt wird. Dieser muss eine Lohnuntergrenze vorgeben, die garantiert, dass bei vollzeitiger Arbeit der eigene materielle Bedarf gedeckt werden kann. Daraus ergibt sich für Deutschland laut neuester Berechnungen (z.B. des DGB) ein Mindeststundenlohn von 8,50 Euro.

Ich selbst habe mich in diversen Beiträgen für einen EU-Mindestlohn stark gemacht. Hierbei ist es wichtig, dass man auch den Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten gerecht wird. So ist mein Vorschlag, dass sich der europäische Mindestlohn in einer ersten Phase auf 50% des durchschnittlichen Einkommens des jeweiligen Landes beläuft. In einer zweiten Phase soll die Lohnuntergrenze bei 60% des Einkommens gezogen werden. Das hieße, dass jeder Mensch, der in Europa einer vollzeitigen Arbeit nachgeht, ein Einkommen hätte, das oberhalb der von der EU definierten relativen Armutsgrenze liegt. Dies wäre also eine Lösung, die den Besonderheiten der einzelnen Länder, den Rechten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und einer nachhaltigen Armutsbekämpfung gleichermaßen gerecht wird.

Das deutsche Arbeitnehmerentsendegesetz und die darüber eingeführten Branchen-Mindestlöhne gehen zurück auf die europäische Richtlinie 96/71/EG aus dem Jahr 1996.

„Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“ , heißt es in Artikel 288 des Vertrages über die Arbeitsweisen der Europäischen Union. Doch die Richtlinie 96/71 lässt den Mitgliedstaaten sehr viel Raum zur konkreten Ausgestaltung, teilweise sogar hinsichtlich der Ziele. So enthält sie zahlreiche Hinweise auf Ausnahmen. Ein Beispiel: Die Mitgliedstaaten müssen die festgelegten Ziele nicht um setzen, wenn der Umfang der verrichteten Arbeiten gering ist. (Absatz 5) Hier wird explizit das Ziel der Mindestlöhne genannt. Ob der Umfang von Arbeiten jedoch gering ist oder nicht, legt der Mitgliedstaat selbst fest.[1]

Es zeigt sich leider, dass die Vorgaben der Europäischen Union so unscharf und butterweich sind, dass die Bundesregierung mit ihrer beharrlichen Haltung gegen Lohnuntergrenzen durchzuflutschen droht. Andernfalls wären auch schon erfolgreiche gerichtliche Ausgänge zu Gunsten der Mindestlöhne in Deutschland bekannt geworden. Der Gang zum EuGH scheint an dieser Stelle nicht erfolgversprechend zu sein. Klagen anderer Mitgliedstaaten sind mir im Übrigen auch nicht bekannt. Doch ich verspreche Ihnen, dass ich weiter jede Möglichkeit prüfen werde, um Mindestlöhne endlich auch in Deutschland umzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Ottmar Schreiner

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[1] *Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im
Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen.**/
/*/Amtsblatt Nr. L 018 vom 21/01/1997 S. 0001 - 0006./