Frage an Ottmar Schreiner von Gerhard G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schreiner,
Herr Sarrazin hat jüngst - wenn man mal die überflüssigen Bestandteile weglässt - im Grunde gesagt, dass er Menschen nicht akzeptieren kann, die von einem Staat leben, den sie gleichzeitig nicht anerkennen.
Dieses Thema lässt sich vermutlich nicht allein durch höhere Ausgaben erledigen: Wie stehen Sie denn zu der Forderung, dass man neben aller Förderung auch mal Contra geben muss, wie das ja in anderen - im übrigen zutiefst demokratischen - Staaten seit jeher völlig normal ist?
Auf Ihre Antwort sehr gespannt: Gerhard Graf
Sehr geehrter Herr Graf,
vielen Dank für Ihre Frage. Zu den inakzeptablen Äußerungen von Herrn Sarrazin hatte ich mich bereits in
meiner Antwort auf Herrn Meyer geäußert. Ich würde die Aussagen von Herrn Sarrazin ungern auf einen Kern reduzieren und das andere als „überflüssige Bestandteile“ bezeichnen, denn - wie in der Antwort an Herrn Meyer geschrieben - halte ich Provokationen nur dann für akzeptabel, wenn sie niemanden in seiner Würde verletzen und dazu beitragen, die Situationen, die man kritisiert, zu verbessern. Beides ist bei den Äußerungen von Thilo Sarrazin nicht der Fall.
Dennoch ein paar Worte zu ihrer Frage: Man kann meines Erachtens nicht davon sprechen, dass Menschen „vom Staat leben“. Unsere Sozialsysteme sind - zumindest teilweise - solidarisch aufgebaut: Diejenigen, die aus welchen Gründen auch immer, in Not geraten, werden von der Gesellschaft unterstützt. Dies ist für mich ein essentiell wichtiger Bestandteil einer lebenswerten Gesellschaft. Zwar hört man immer wieder von Personen (aller Herkunft!), die die Sozialsysteme „ausbeuten“ - aber es sind Einzelfälle, das zeigt die Statistik ganz deutlich, dennoch wird immer wieder so getan, als sei dies ein Massenphänomen. Ich halte dies nicht nur für eine ungerechtfertigte, sondern auch für eine höchst gefährliche Diskussion, da auf diese Weise der Zusammenhalt in der Gesellschaft geschwächt wird. Darum ist für mich ganz klar: Egal woher man kommt und egal, ob man den Staat anerkennt oder nicht: Man hat ein Anrecht auf Hilfe, wenn man in Not gerät.
Die Frage, ob und wenn ja warum Menschen den Staat nicht anerkennen, ist überaus komplex - vielleicht nur so viel: Integration ist etwas, das von beiden Seiten ausgehen muss und es hat in der Vergangenheit sicherlich Fehler auf beiden Seiten gegeben. Hier nach einem „Contra“ zu rufen, halte ich für keine gute Forderung, viel wichtiger ist es, sich gegenseitig zuzuhören, Vorurteile abzubauen und gemeinsam Wege zu finden, wie man in einem Einwanderungsland Deutschland gut leben kann.
Mit freundlichen Grüßen,
Ottmar Schreiner