Frage an Ortwin Runde von Jürgen K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Guten Tag sehr geehrter Herr Runde,
spät komme ich, aber ich komme auf diese Frage zurück, weil ich heute, 25.12.07, mit einem Nachbarn sprach, der bei einer Leiharbeitsfirma arbeitet und offiziell mit Euro 6,80/Stunde im Hafen Ballasttanks und Tankfahrzeuge reinigt. Offiziell arbeitet er 40 Stunden die Woche, faktisch, weil er seine Arbeit in der vorgegebenen Zeit nicht schafft, bringt er wohl so 48 - 52 Stunden zusammen. Ich habe relativ stetigen Kontakt zur Person, seine Angaben sind für mich plausibel. Ich habe nachgerechnet, was dem Mann unter dem Strich pro Stunde effektiv übrig bleibt. Das ist natürlich erheblich mehr als ein Mescitoindianer für Landarbeit bekommt und auch viel mehr als ein Wanderarbeiter, der in Shanghai auf dem Hochbau sein Leben riskiert und zum Schluss sogar um seinen ganzen Lohn betrogen wird - mit Duldung der dortigen Behörden.
Nun lese ich, dass Sie gegen den o.g. Antrag gestimmt haben.
Bisher habe ich zahlreiche Studien zum Thema gelesen, speziell die unter http://www.werkstadt-dortmund.de/werkstadt/fair/Niedriglohn.php
verfügbaren und die Arbeit von Prof. Gerhard Bosch.
Ich bin angesichts Ihres Abstimmungsverhaltens in Anbetracht der vorliegenden Sachverhalte und wissenschaftlichen Arbeiten eigentlich entsetzt über Ihre politische Entscheidung. Ist Ihre Entscheidung darauf gegründet, dass Sie die Interessen der Menschen, die der Lohnerpressung ausgeliefert sind der Entscheidung, gegen die Linkspartei zu stimmen unterordnen? Oder muss ich in der Begründung Ihrer Entscheidung einen Hinweis darauf sehen, dass Sie für die Interessen eintreten, die von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft mit an Agitpropmitteln erinnernden Instrumenten verbreitet?
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnacht und den Wohlgefallen der Wähler an den von Ihnen getroffenen politischen Entscheidungen
im kommenden Jahr.
Mit bestem Dank für meine Aufklärung und Grüßen
Jürgen Klinger
Sehr geehrter Herr Klinger,
vielen Dank für Ihre Frage.
Die SPD will Mindestlöhne - daran ist nicht zu rütteln. Wir wollen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von ihrem Lohn auch leben können und nicht zusätzlich staatliche Unterstützung in Anspruch nehmen müssen. Es kann nicht sein, dass Unternehmen ihr Geschäftsmodell ganz gezielt auf Niedriglöhne aufbauen und die Kosten auf die Beschäftigten und die Allgemeinheit abwälzen. Deshalb brauchen wir Regeln gegen Dumpinglöhne, damit der Wettbewerb nicht auf dem Rücken der Menschen ausgetragen wird.
Wir wollen in diesem Bereich einen nachhaltigen sozialen Fortschritt. Es geht nicht um den kurzfristigen Effekt, den eher populistische Aktionen auslösen, sondern um dauerhafte Regelungen, die den berechtigten Interessen der Beteiligten gerecht werden. Die Tarifpartner müssen einbezogen werden, um die Tarifautonomie nicht auszuhöhlen. Deshalb sind die Wege über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz oder das Mindestarbeitsbedingungen-Gesetz zwar langwierig und nicht ohne Konflikte zu haben, sie etablieren aber konkrete Verfahren und Abstimmungsprozesse, die unsere Kultur der Sozialpartnerschaft stärken. Ich bin mir sicher, dass auch unser Koalitionspartner sich dem auf Dauer nicht widersetzen kann.
Ich glaube nicht, dass man den wichtigen Anliegen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch taktische Spielchen im Parlament gerecht werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Ortwin Runde