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Frage von Willi M. •

Frage an Ortwin Runde von Willi M. bezüglich Finanzen

Bis zum Ausscheiden aus dem Senat der Freien und Hansestadt Hamburg kannte und schätzte ich Sie als sozial engagierten Politiker.
Warum stimmten Sie für die Erhöhung der Umsatzsteuer um brutale 18,75 %, ohne den Rentnern eine, wenn auch geringe Kompensation anzubieten. Arbeitnehmer erhalten einen kleinen Rabatt bei der Arbeitslosen- (Hartz IV-) Versicherung.
Warum nennen Sie und Ihre Kollegen die Erhöhung des Hebesatzes um 3 % einen Kompromiß? Frau Merkel und ihr Experte wollten 2 %, die SPD-Kandidaten null Prozent, da sind doch die drei Prozent als Kompromiß nur Spott für die Wähler.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Mittelstädt,

vielen Dank für Ihre E-Mail vom 10. Dezember. Sie fragen, warum ich für die Erhöhung der Umsatzsteuer gestimmt habe.

Zunächst einmal stehe ich nach wie vor zu den in Ihrem Schreiben zitierten Argumenten, mit denen wir im Bundestagswahlkampf gegen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gekämpft haben. Die Mehrwertsteuer ist gegenüber einer direkten Besteuerung von Einkommen, Gewinnen und Vermögen ungerechter und eine Erhöhung hätte in der damaligen Situation der Konjunktur (2005) schaden können.

Das Wahlergebnis vom 18. September 2005 hatte eine vollständige Umsetzung des Wahlprogramms der SPD unmöglich gemacht. Eine Regierungsbildung war faktisch nur in Form der großen Koalition mit den Unionsparteien möglich. Damit war auch klar: Wer in einem solchen Bündnis 50 Prozent darstellt, kann seine Positionen nicht zu 100 Prozent durchsetzen. Wir halten eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte über die Stärkung des Wachstums und den Abbau von Steuersubventionen weiterhin für richtig und realistisch. Derzeit zeigt sich auch, dass diese strategische Entscheidung, an der ich maßgeblich mitgewirkt habe, positive Wirkung entfällt.

Die Mehrwertsteuererhöhung war demgegenüber eines der zentralen Projekte der Union und deshalb nicht verhandelbar. Die Mehrwertsteuererhöhung ist also eine schwarze Kröte, die die SPD schlucken musste. Dass diese Kröte mit 3 Prozentpunkten größer ausgefallen ist, als von der Union im Wahlkampf angekündigt, hatte mit der Mehrheit der CDU-Ministerpräsidenten im Bundesrat zu tun. Mit diesem Zugeständnis an die Union waren jedoch wichtige Verhandlungserfolge im Bereich der Steuerpolitik, der Arbeitnehmerrechte und in vielen anderen Politikbereichen verbunden.

Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer konnten wir immerhin folgendes erreichen:

1. Die Erhöhung kommt statt 2006 erst 2007, um die Möglichkeit zu schaffen, die Konjunktur im nächsten Jahr soweit anzukurbeln, dass die schädlichen Auswirkungen einer Mehrwertsteuererhöhung weniger zum tragen kommen. Dies scheint zu gelingen.

2. Mit dem Impulsprogramm (25 Milliarden Euro in vier Jahren) wurden Rahmenbedingungen für eine Erholung der Konjunktur geschaffen.

3. Der ermäßigte Steuersatz auf Lebensmittel, Personennahverkehr, Bücher und Zeitungen bleibt bei 7% und wird nicht auf 9,5% angehoben.

4. Die befürchteten Auswirkungen auf das Handwerk werden durch die Möglichkeit kompensiert, Handwerkerrechnungen anteilig auf die Steuerschuld anzurechnen.

Wie oben gesagt, ist eine Mehrwertsteuererhöhung trotz all dieser Konkretisierungen aus verteilungspolitischen Gründen für mich grundsätzlich nicht der richtige Weg. Ich sah und sehe jedoch an diesem Punkt kaum Möglichkeiten, die Vereinbarungen des Koalitionsvertrags noch einmal in Frage zu stellen. Ich möchte Sie daher darum bitten, die gegebenen politischen Mehrheitsverhältnisse bei der Beurteilung der Koalitionsvereinbarungen und der Regierungspolitik der SPD zu berücksichtigen. Nicht alles was wir für richtig halten, lässt sich auch durchsetzen. Und die Verständigung über eine Koalition bedeutet auch, dass einmal eingegangene Kompromisse nicht beliebig in Frage gestellt werden können. Ich werde in den nächsten vier Jahren versuchen, soviel für die gerechtere Verteilung der Steuerlast zu tun, wie das unter den gegebenen Umständen möglich ist. Dabei hoffe ich auf Ihre kritische und konstruktive Unterstützung.

Mit freundlichen Grüßen

Ortwin Runde