Frage an Oliver Möllenstädt von Traudl H. bezüglich Wirtschaft
Herr Dr. Möllenstädt,
es ist ja viel los in Ihrer Partei, beim Bremer Wahlkampf und in der deutschen Wirtschaft. Die FDP wird gerne als wirtschaftsliberale Partei bezeichnet. Lange kämpft die Partei gegen neue Positionen zur Pflichtmitgliedschaft in IHK´n und HWK´n, und den Meisterzwang im deutschen Handwerk. Ich bei all dem Gerumpel, dass die FDP in diesen Wochen durchschüttelte immer die Hoffnung gehabt, dass eine Erneuerung Ihrer Partei auch der Gewerbefreiheit und dem Umbauen zu Freiwilligen-Kammern Vorschub leisten wird.
Wie sehen Sie das?
- Wird die FDP eine oder beide Positionen binnen der nächsten Monate postulieren?
- Wie stehen Sie zur Pflichtmitgliedschaft?
- Wie stehen sie zum Meisterzwang?
- Was werden Sie als Mitglied der Bürgerschaft in den ersten 12 Monaten in Zusammenhang mit diesen Themen auf den Weg bringen?
Vielen Dank
Sehr geehrte Frau Hopp,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich gern wie folgt beantworte:
Gesetzliche Pflicht- bzw. Zwangsmitgliedschaften in Kammerorganisationen sind genauso wie eine vermehrte staatliche Aufgabenwahrnehmung niemals optimale Organisationsvarianten. Gleichwohl profitiert der Staat von den historisch gewachsenen Strukturen der Kammern. So wird argumentiert, dass die Kammern, anders als Branchenverbände, für die gesamte Wirtschaft ihrer Region sprechen könnten.
Aus liberaler Sicht wäre eine Organisationsform optimal, in der jeder Unternehmer einzig auf der Basis seines Nutzens über eine Mitgliedschaft entscheiden kann. Das Kammerwesen muss daher auf der Grundlage des Wettbewerbsgedankens reformiert werden.
Vordringlichen Handlungsbedarf sehe ich in drei Bereichen:
1. Kleinstfirmen, die keinen originär gewerblichen Charakter haben und nicht ausbilden können, sollten auf Dauer von den Kammerbeiträgen befreit werden. Dies gilt im Übrigen auch für jene Unternehmen, die aufgrund ihrer geringen Größe spezifische Dienstleitungen der Kammern nicht nutzen.
2. Die Kammern müssen für mehr Transparenz in ihrer Rechnungslegung, Geschäftsführung sowie Qualität sorgen. Hierfür sind entsprechende Leistungskennzahlen einzuführen, wie sie auch im unternehmerischen Controlling üblich sind. Weiterhin sollten sich die Kammern künftig auf ihre Kernaufgaben, wie die Betreuung von Auszubildenden und die Unterstützung bei Existenzgründungen, beschränken.
3. Die innere Verfassung der Kammern muss stärker als bisher an den Prinzipien von Demokratie, Transparenz und Effizienz ausgerichtet werden. So müssen, um nur ein Beispiel zu nennen, Einzelkandidaturen für die Vollversammlungswahlen künftig auch ohne eine Mindestzahl von Unterstützerunterschriften möglich sein. Zudem müssen Wirtschaftspläne für sämtliche Mitglieder öffentlich zugänglich gemacht werden. Ausführliche Informationen hierzu können Sie dem Beschluss des FDP-Bundesparteitags zur "Reform des Kammerwesens" vom Mai 2006 entnehmen.
Ich persönlich könnte mir vorstellen, die Kammern längerfristig in die Freiheit zu entlassen und in privatrechtlich organisierte Vereine zu überführen. Sie können sich dann akkreditieren, um staatliche Aufgaben wahrzunehmen.
Zudem sind Alternativen zum so genannten „Meisterzwang“ zu prüfen. Allerdings müssen diese Alternativen auch den Erfordernissen des Verbraucherschutzes genügen. Ein erster pragmatischer Schritt kann die Aufhebung des „Meisterzwangs“ für Berufe sein, in denen dieser nicht mehr benötigt wird. So wurde mit der letzten Handwerksrechtsnovelle der "Meisterzwang" für zahlreiche Berufe aufgehoben und auf nunmehr 41 zulassungspflichtige Handwerke beschränkt. Diese Entwicklung ist zu begrüßen.