Wie wollen Sie Ihre Reformpläne, die ein Minus von 88 Milliarden in der Staatskasse reißen, finanzieren? Und warum entlasten Sie die stärkeren Einkommen mehr als die geringeren Einkommen?
Sehr geehrter Herr L.
Ein Wissenschaftsteam des ZEW Mannheim hat in den Wahlprogrammen die Auswirkungen der Reformvorschläge zu Steuer-, Mindestlohn und Sozialversicherung ausgerechnet. Bei der FDP werden am stärksten die Spitzenverdiener entlastet. Ihre Pläne reißen eine Lücke von 88 Milliarden in den Staatshaushalt und treiben die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. SPD, Grüne und Linke entlasten dagegen untere und mittlere Einkommen mehr und finanzieren dies über höhere Steuern für Spitzenverdiener, was unterm Strich Milliarden in die Staatskasse bringt. Während die Linken, SPD und Grünen mit ihren Entlastung der geringen und mittleren Einkommen die Wirtschaft antreibt, werden die Steuergeschenke der FDP von den Gutverdienern irgendwo angelegt und sorgen nicht für mehr Konsum.
Finden Sie Ihre Reformpläne wirklich sozial gerecht und wie wollen Sie damit die angestrebte schwarze Null halten?
Sehr geehrter Herr Q.,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Entlastungen.
Die großen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, können nur mit einer neuen wirtschaftlichen Dynamik bewältigt werden. Nach acht Jahren Große Koalition ist Deutschland heute Weltspitze bei der Steuerbelastung. Deshalb sind Steuererhöhungen oder gar die Erhebung einer Vermögensteuer oder -abgabe der völlig falsche Weg aus der Krise. Vielmehr müssen wir alles dafür tun, in den kommenden Jahren schrittweise Spielräume für notwendige steuerliche Entlastungen zu erarbeiten.
In unserem Wahlprogramm zur Bundestagswahl sehen wir Freie Demokraten deshalb ambitionierte Steuersenkungen vor allem für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen und für Unternehmen vor. Dabei bestätigen Studien renommierter Forschungsinstitute, dass unser Steuermodell von allen Parteien der demokratischen Mitte zur stärksten Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen führt und dass wir am meisten für Beschäftigung und gegen Armutsrisiken tun wollen.
Die positiven Wirkungen von Steuerentlastungen auf das wirtschaftliche Wachstum stellt überzeugend eine aktuelle Studie des Münchner ifo-Instituts vom 23. August (https://www.ifo.de/publikationen/2021/aufsatz-zeitschrift/wie-beeinflussen-steuerentlastungen-die-wirtschaftliche) heraus: Demnach führt eine Senkung der Körperschaftsteuer-Einnahmen um 1 Euro zu einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 2,79 Euro. Dagegen würgen Steuererhöhungen die Wirtschaft ab: Eine Erhöhung der Einkommensteuer-Einnahmen um 1 Euro führt zu einem Rückgang des BIP um 3,59 Euro.
Dies führt dazu, dass Steuersenkungen aufgrund ihrer Wachstumswirkungen langfristig für die öffentlichen Haushalte sogar aufkommensneutral sein können (so etwa laut Berechnungen des ifo-Instituts eine Kombination einer Senkung der Körperschaftsteuer um fünf Prozentpunkte mit beschleunigten Abschreibungsregeln).
Das ifo-Institut sieht Steuersenkungen deshalb als eine Investition in die Zukunft: „Langfristig wäre das Steueraufkommen nicht niedriger als ohne die Reform, für eine Übergangszeit gibt es allerdings Steuerausfälle. Diese wären als Investition des Staates anzusehen, um künftig höhere Löhne, mehr Beschäftigung und ein höheres Konsumniveau zu ermöglichen.“ Die Wiedererhebung einer Vermögensteuer würde hingegen durch ihre wachstumsfeindliche Wirkung die Steuereinnahmen des Staates mittelfristig sogar absolut senken.
Für die Zwischenzeit, bis sich die Wachstumswirkungen unseres Steuerprogramms voll entfaltet haben, könnten die Steuerausfälle durch die existierenden hohen Rücklagen des Bundeshaushalts von über 70 Mrd. Euro, durch Privatisierungserlöse und nicht zuletzt durch eine gezielte Kürzung auf der Ausgabenseite kompensiert werden. So hat meine Fraktion in den Beratungen für den Bundeshaushalt 2021 insgesamt 527 Änderungsvorschläge gemacht und dabei u. a. den Abbau schädlicher oder unnützer Subventionen wie etwa des Baukindergelds oder der E-Auto-Prämie (ca. 6,8 Mrd. Euro) vorgeschlagen. Mit einem flexibleren und effizienteren Rentensystem könnten pro Jahr rund 7,5 Mrd. Euro im Bundeshaushalt gespart werden. Viele weitere Beispiele ließen sich anführen.
Auf einen weiteren Aspekt der FDP-Steuersenkungsvorschläge möchte ich Sie gern hinweisen: Da die weitere Erhebung des Solidaritätszuschlags nach unserer festen Überzeugung dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung verfassungswidrig ist, ist es selbstverständliche Aufgabe jeder künftigen Koalition, ohne diese Einnahmen auszukommen. Die Verfassungsbeschwerde der FDP-Abgeordneten gegen den Soli ist weiterhin in Karlsruhe anhängig.
Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen versprechen, dass es – mit der Ausnahme digitaler Großkonzerne wie Amazon und Google – mit der FDP keine Steuererhöhungen geben wird und dass wir die Schuldenbremse nach Ende der Corona-Krise wieder einhalten werden.
Mit herzlichen Grüßen
Oliver Luksic