Warum entlasten Sie die stärkeren Einkommen mehr als die geringeren Einkommen, was die Schere zwischen Arm und Reich noch weiter auseinander treibt?
Sie haben mir am 20.9.21 geantwortet und gesagt, dass Studien renommierter Forschungsinstitute bestätigen würden, dass Ihr Steuermodell von allen Parteien der demokratischen Mitte zur stärksten Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen führt.
Heißt aber auch, dass die Linke, die Sie nicht zur demokratischen Mitte zählen, die kleinen und mittleren Einkommen noch stärker entlastet als die FDP.
Nun zum entscheidenden Punkt. Sie entlasten steuerlich jeden, was im Wahlkampf natürlich gut ankommt.
Aber sie entlasten die Hochverdiener deutlich mehr als die Geringverdiener und Normalverdiener. Wenn Sie die Steuererleichterungen, die Sie Höchstverdiener zukommen lassen, auf die Gering- und Normalverdiener verteilen würden, würden Sie was für die Nachfrage und die Konjunktur tun.
Mehr Geld für Gering-und Normalverdiener kurbelt die Wirtschaft an, aber mehr Geld für die Reichen führt nur dazu, dass die Reichen ihren Mehrverdienst in Aktien und Immobilen anlegen.
Sehr geehrter Herr Q.,
vielen Dank für Ihre erneute Frage, die mir einige Klarstellungen erlaubt. Zunächst: Es stimmt nicht, dass wir die Bezieher hoher Einkommen stärker steuerlich entlasten wollen als die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Die prozentuale Entlastung bei der Einkommensteuer verteilt sich in unserem Steuermodell wie folgt (hier am Beispiel von Single-Haushalten; Quelle: IW Köln sowie eigene Berechnungen):
Bruttojahreseinkommen 25.000 Euro: Entlastung um 27,1 % der Einkommensteuer
Bruttojahreseinkommen 50.000 Euro: Entlastung um 29,3 % der Einkommensteuer
Bruttojahreseinkommen 80.000 Euro: Entlastung um 26,8 % der Einkommensteuer
Bruttojahreseinkommen 150.000 Euro: Entlastung um 10,2 % der Einkommensteuer
Bruttojahreseinkommen 1.000.000 Euro: Entlastung um 1,2 % der Einkommensteuer
Wir wollen kleine und mittlere sowie gehobene Einkommen in etwa gleich stark entlasten, sehr hohe Einkommen dagegen nur relativ gering. Aber Sie haben natürlich vollkommen recht, wir halten es nicht für sinnvoll, sämtliche Steuerentlastungen ausschließlich bei den kleinen und mittleren Einkommen zu konzentrieren, denn wir sind der Überzeugung, dass allen Einkommensgruppen durch Produktivitätswachstum und gute Arbeitsplätze am besten gedient ist. Und diese entstehen langfristig nur durch mehr Investitionen. Sie beschreiben die Realität der Jahre der Großen Koalition, als Unternehmen lieber im Ausland investiert oder eigene Aktien aufgekauft haben, statt in Deutschland zu investieren. Das muss sich dringend ändern. Meine Partei hat sich daher das Ziel gesetzt, die gesamtwirtschaftliche Investitionsquote in Deutschland bis 2025 auf 25 Prozent zu erhöhen.
Das wollen wir im Gegensatz zur politischen Konkurrenz dadurch erreichen, dass wir Investitionen in Deutschland für die Unternehmen wieder attraktiver machen. Bessere Investitionsbedingungen in Deutschland sind der Schlüssel zum Erfolg. Dazu gehört einerseits eine bessere öffentliche Infrastruktur. Wir müssen dringend in die Modernisierung des deutschen Staatswesens auf allen Ebenen investieren. Andererseits müssen wir die Unternehmen endlich entlasten und ihnen durch bessere Abschreibungsmöglichkeiten die notwendigen Investitionen in eine digitale und dekarbonisierte Wirtschaft ermöglichen. Hier unterscheiden wir uns von der LINKEN, die Leistungsträger und Unternehmen höher belasten möchte. Die Einkommensteuer ist die Unternehmensteuer der Personengesellschaften und damit der meisten Familienunternehmen. Mit einem Spitzensteuersatz bis zu 75 Prozent und einer zusätzlichen Vermögensteuer kommen die Pläne der LINKEN einer Enteignung des deutschen Mittelstands nahe.
Beim Ziel einer wirtschaftlichen Wiederbelebung sind wir uns wahrscheinlich einig, nur bin ich skeptisch, ob das allein über eine stärkere Konsumnachfrage möglich ist, auch wenn diese natürlich helfen kann. Aber ich bin überzeugt: Für einen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung, der allen Einkommensgruppen zugutekommt, brauchen wir endlich eine Rückkehr zur Angebotspolitik im Sinne Ludwig Erhards.
Mit herzlichen Grüßen
Oliver Luksic