Frage an Oliver Luksic von Peter K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Luksic,
meiner Tageszeitung habe ich folgendes Zitat entnommen: die "Führerscheinfalle für Millionen Autofahrer" müsse abgeschafft werden.
Weshalb fordern Sie die Verkehrsteilnehmer nicht zum Einhalten der Regeln auf?
Jeder, der sich absichtlich oder aus sogenannter Unaufmerksamkeit nicht an die
Regeln hält, hat doch selbst schuld wenn er sich in eine solche Falle begibt. Ich kann das Geschwafel, dass man nicht immer auf die gefahrene Geschwindigkeit achten könne, nicht mehr hören. Wer sich beim Fahren nicht konzentrieren kann oder will, der hat im Straßenverkehr nichts verloren.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie sich auf meine Äußerungen zum neuen Bußgeldkatalog beziehen.
Die seit 28. April gültige Straßenverkehrsordnung (StVO) bringt viele Änderungen mit sich. Die meisten davon sind sinnvoll und waren zum Teil längst überfällig, bei einigen wenigen allerdings vermisse ich Maß und Mitte. Dies ist auch hauptsächlich Gegenstand meiner Kritik an der Novelle.
Ein verbesserter Schutz von Fahrradfahrern, etwa durch die Ermöglichung speziell ausgeschilderter Fahrradzonen oder höhere Sanktionen für innerorts mit überhöhter Geschwindigkeit rechtsabbiegende Lkw, gibt diesen mehr Sicherheit und Teilhabe im Verkehr. Diese Maßnahmen sind sinnvoll. Die Etablierung von Mindestabständen beim Überholen von Fahrrädern von 1,5 Metern innerorts und 2 Metern außerorts ist sicher gut gemeint, die Umsetzung im Verkehrsalltag könnte allerdings häufig schwierig werden. Diese Regelung muss sich in der Praxis bewähren.
Auch die neuen Regeln zum Umgang mit Rettungsgassen begrüße ich sehr. Die unberechtigte Nutzung von Rettungsgassen kann im Ernstfall das Eintreffen der Einsatzkräfte behindern und damit großen Schaden anrichten. In dieser Hinsicht ist die Einführung einer neuen Ordnungswidrigkeit für diesen Fall gerechtfertigt und ergänzt die bestehenden Verkehrsregeln zur Bildung von Rettungsgassen.
Beim Thema Halt- und Parkverstöße dagegen gibt es meiner Ansicht nach gute und schlechte Entwicklungen. Die Erhöhung von Bußgeldern beim unberechtigten Parken in Feuerwehrzufahrten oder engen Kurven ist sinnvoll, da hier große Sicherheitsrisiken entstehen. Das aber das Bußgeld für das Halten in zweiter Reihe, ohne Behinderung oder Gefährdung, mehr als verdoppelt wird, halte ich für überzogen. Gerade in Innenstädten ist es etwa für Paketdienste häufig unmöglich adäquate Parkplätze für kurze Stopps zu finden. Hier hätte eine Regelung für Lieferfahrzeuge, etwa in Form designierter Ladezonen plus intelligenter Parkleitsysteme, praxisgerechte Abhilfe schaffen können.
Auch beim Thema erhöhter Geschwindigkeiten fehlt es in der StVO-Novelle an Differenzierung. Die Regeln zu Punkten im Flensburger Verkehrsregister und zu Fahrverboten wurden deutlich verschärft, die Bußgelder in vielen Fällen verdoppelt. So griff bisher außerorts bei Geschwindigkeitsüberschreitung über 26 km/h ein Fahrverbot erst für Wiederholungstäter. Nach der neuen StVO droht dagegen direkt ein Monat Fahrverbot.
Gerade bei der Festlegung von Strafen muss neben der präventiven Wirkung auch stets das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Insbesondere im Hinblick auf die Flensburger Punktereform von 2014, die die Punktevergabe im Verkehrsregister fast nur noch im Zusammenhang mit der Gefährdung der Verkehrssicherheit festlegte, ist die neue StVO hier nach meiner Ansicht unverhältnismäßig. Es wird dadurch sowohl zu einer enormen Mehrbelastung von Polizei und Justiz kommen als auch zu massenhaften Fahrverboten.
Alle Verkehrsteilnehmer sind prinzipiell zur Einhaltung der Regeln aufgefordert. Daran gibt es nichts zu diskutieren. Es kann jedoch nicht sein dass Autofahrer, die sich vierzig Jahre lang korrekt im Straßenverkehr verhalten haben, bei einer einmaligen Geschwindigkeitsübertretung nun auf eine Stufe mit den 19jährigen Fahranfängern gestellt werden. Das ist weder verhältnismäßig, noch gerecht! Selbst routinierte Autofahrer geraten mitunter schnell in Situationen, bei denen man unbeabsichtigt und ohne Vorsatz die Höchstgeschwindigkeit überschreitet. Häufig geschieht dies auf den täglichen Gewohnheitsstrecken, beispielsweise bei Geschwindigkeitsbegrenzungen wegen temporärer Baumaßnahmen. Wird man nun geblitzt besteht nach dem neuen Bußgeldkatalog die Gefahr, den Führerschein bereits durch diese einmalige Geschwindigkeitsübertretung zu verlieren.
Bislang hatte der Gesetzgeber einen Ermessensspielraum bei wiederholten Verstößen eingeräumt und zudem deutlich zwischen PKW und LKW unterschieden. Derartige Vergehen sind nicht einfach zu entschuldigen, ihre Sanktionierung muss aber verhältnismäßig sein.
Nach den neuen Regelungen drohen tausenden Autofahrern bereits bei einmaligen Geschwindigkeitsübertretungen Fahrverbote. Hinzu kommt die erhöhte Belastung von Verwaltung und Justiz, auch da mit massenhaften Klagen gegen die Bußgeldbescheide gerechnet werden muss. Die angesprochenen Änderungen im neuen Bußgeldkatalog bedürfen daher meiner Meinung nach dringenden Änderungen, um die Verhältnismäßigkeit zwischen Vergehen und Strafe zu gewährleisten. Hier sollte der Gesetzgeber die Fehler korrigieren und Anpassungen vornehmen. Verkehrsminister Scheuer hat diesbezüglich auch bereits Nachbesserungen angekündigt.
Abschließend ist zu sagen, dass die getroffenen Änderungen in der StVO im Großen und Ganzen sinnvoll erscheinen. Ihre Zweckhaftigkeit wird sich allerdings oft erst in der Verkehrspraxis zeigen. Daher müssen die Bundesregierung und die Länder hier flexibel auf Fehlentwicklungen reagieren.
Ihr Oliver Luksic