Frage an Oliver Luksic von Johannes R. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Oliver,
ich habe eine Frage bezüglich deines Abstimmverhaltens über den Einsatz in Afghanistan. Wiederholt hast du für die Verlängerung des Einsatzes gestimmt. Ist dies lediglich das Befolgen der Partei- bzw. Koalitionslinie oder entspricht dies auch wirklich deiner Meinung?
Der Afghanistaneinsatz steckt seit Jahren fest. Auf winzige Fortschritte folgen Serien von Rückschlägen. Die deutsche Regierung und die militärische Führung sind bei diesem Einsatz zum Dialog mit korrupten Regimen gezwungen, die auch der deutschen Linie und Glaubwürdigkeit schadet. Wie kann dem dt. Steuerzahler erklärt werden, dass eine dt. Beteiligung notwendig und wichtig ist - immerhin begleicht er die Rechung und die Kosten sind m.E. immens mit steigender Tendenz.
Die wichtigste Inkonsistenz ist jedoch: Wieso lehnt die dt. Führung eine Beteiligung im Libyenkonflikt ab, forciert jedoch seine Anstrengungen in Afghanistan? Sicherheitspolitisch ist dies doch kaum vertretbar - allein schon wegen des Unterschiedes der geographischen Distanz der beiden Krisenregionen. Versteh mich hier nicht falsch: Ich bin gegen eine direkte und militärische Beteiligung Deutschlands bei beiden Konflikten - bin jedoch Anhänger konsistenter Entscheidung - dies ist besonders außenpolitisch sehr wichtig.
Wie stehst du zu dem Ansatz eines kompletten Truppenabzugs aller beteiligten Länder mit anschliessender Isolation des Landes und internationaler Überwachung der Grenzen und Grenzgebiete? Dies kann temporär eine potentielle Verschlechterung der Situation für Familien und Kinder in Afghanistan bedeuten, aber auf der anderen Seite zwingt es die Afghanen ihre Probleme selbst in den Griff zu bekommen und sollte den Taliban und ihren Sympathisanten weitesgehend den Wind aus den Segeln neben, da nun der "außenpolitische" Gegner fehlt. Mein Vorschlag wäre nur noch zivilen Organisationen Operationen in Afghanistan und Grenzgebieten zu erlauben - und dies auch nur wenn die Sicherheitslage dies erlaubt.
Danke für´s Lesen
Lieber Johannes,
vielen Dank für Deine Frage, die ich sehr gerne beantworte.
Mein Abstimmungsverhalten zum Afghanistan-Einsatz spiegelt eine Gewissensentscheidung wider. Auch wenn es durchaus nachvollziehbare Argumente für eine andere Haltung gibt, so bin ich doch überzeugt davon, dass die Sicherheit und der Aufbau in Afghanistan nicht durch einen abrupten Abzug gefährdet werden sollten.
Ich unterstütze daher das Ziel einer schrittweisen Übergabe der Verantwortung an die Afghanen selbst, mit entsprechender Reduzierung der deutschen Truppen. Ab Sommer soll damit begonnen werden, die Verantwortung regional an afghanische Sicherheitsstellen zu übergeben.
Um auf Deine Frage nach der grundlegenden Notwendigkeit und Bedeutung einer deutschen Beteiligung einzugehen: in Afghanistan darf die internationale Gemeinschaft nicht zum zweiten Mal ein Machtvakuum hinterlassen. Die Schaffung funktionsfähiger Regierungs- und Verwaltungsstrukturen auf Basis demokratischer Prinzipien und unter Wahrung der afghanischen Traditionen und Kultur ist die Voraussetzung für den Wiederaufbau des Landes. Deutschland und auch die deutschen Steuerzahler haben ein hohes sicherheitspolitisches Interesse daran, dass Afghanistan nicht zu einem so genannten gescheiterten Staat wird, der terroristischen Netzwerken als sicherer Hafen dient. Klar ist aber auch, dass eine rein militärische Lösung keinen Erfolg bringen wird. Anfang Dezember wird daher in Bonn die internationale Gemeinschaft unter Leitung Afghanistans auf einer Konferenz darüber beraten, wie der politische Prozess weiter voran gebracht werden kann.
Die Bundesregierung geht in ihrem aktuellen Fortschrittsbericht Afghanistan (Juli 2011) davon aus, dass die Bundeswehrpräsenz ab Ende dieses Jahres reduziert werden kann. Dabei sind die konkreten Bedingungen vor Ort ausschlaggebend dafür, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Ausmaß eine Reduzierung deutscher Truppen sinnvoll ist. Fest steht: die ISAF-Truppenstärke wird von 2011 bis 2014 schrittweise zurückgeführt. 2014 bleibt dabei das Zieldatum für die vollständige Übergabe der Sicherheitsverantwortung.
Allerdings müssen wir auch klar sagen, dass Afghanistan auch nach 2014 internationale und auch deutsche Unterstützung brauchen wird, auch wenn es sich dabei eher um eine entwicklungspolitische als um eine sicherheitspolitische Aufgabe handeln wird. Ja, die Fortschritte in Afghanistan geschehen nur langsam und oft nicht in dem Tempo, wie wir uns das wünschen würden. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass wir nur im Dialog mit der afghanischen Regierung hier weiter kommen und gerade nicht den Weg der Isolation wählen, unter dem, wie von Dir angemerkt, in erster Linie die Zivilbevölkerung zu leiden hätte.
Was Libyen angeht, so ist klar, dass die Situation kaum mit der in Afghanistan vergleichbar ist und daher auch ein jeweils auf die Situation angepasstes Handeln nötig ist. Zum einen vertreten wir ja in Libyen keine neutrale Haltung, auch wenn sich Deutschland gegen die Entsendung von Soldaten entschieden hat. Zum anderen verstärkt Deutschland sein Engagement in Afghanistan aufgrund der Erfordernisse vor Ort, um die NATO-Partner zu entlasten.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Luksic