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Oliver Luksic
FDP
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Frage von Thomas B. •

Frage an Oliver Luksic von Thomas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Luksic,

ich habe Sie bei der Podiumsdiskussion über Netzpolitik in der Uni Saarbrücken erleben dürfen. Sie haben dort immer wieder die Standpunkte der FDP- Fraktion zu den Themenfeldern Bürgerrechte und Meinnungsfreiheit deutlich gemacht und auf den bestehenden Koalitionsvertrag verwiesen. Sie haben auch explizit auf die Vorreiterstellung der FDP in netzpolitischen Themen wie Vorratsdatenspeicherung, Internetsperren und weiteren staatlichen Datensammelaktionen hingewiesen. Etwas verwirrt bin ich jedoch schon bzw. zweifele ich in gewisser Weise an der Aufrichtigkeit der FDP, denn in vielen Bereichen, die ebenfalls Meinungsfreiheit und Bürgerrechte betreffen, hält sich die Bürgerrechtspartei FDP dezent zurück. Wie ist das zu erklären? Zum Beispiel hat der Bundesrat am Freitag, 04.06.2010, mit Zustimmung der FDP diverse Datensammlungen des BKA (Hooligan Datei, International agierende gewaltbereite Störer- Datei usw.) gebilligt. Auch die Neufassung des JMStV konnte nur mit Zustimmung bzw. Enthaltung durch alle Länderparlamente auf den Weg gebracht werden. Beide von mir aufgeführten Beispiele spiegeln erheblich bedenkliche Faktoren gegen Bürgerrechte und Meinungsfreiheit wider, jedoch die FDP hat sich weder auf Bundesebene noch auf Länderebene im Sinne einer Bürgerrechtspartei sonderlich hervorgetan. Ich möchte Sie nun fragen, wie kann die FDP sich als Bürgerrechtspartei bezeichnen und diese immer wieder medienwirksam darstellen, wenn sie doch erhebliche Defizite offenbart? Wie kann eine wahre Bürgerrechtspartei der Neufassung des JMStV oder diesen rechtlich bedenklichen Datensammlungen durch das BKA zustimmen? Wie können Sie als FDP- Bundestagsabgeordneter erklären, das die von mir genannten Beispiele von Ihrer Fraktion ohne die geringste Beanstandung zur Legitimation geführt werden konnten?

Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Brück

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Brück,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.

Die FDP steht nach wie vor für eine freiheitlich-demokratische Gesellschaftsauffassung und die Verteidigung von Bürgerrechten. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und der FDP bekennen wir uns klar „zur Freiheit, zur Freiheit in Verantwortung und Sicherheit.“ Mit der Verordnung über die Art der Daten, die nach den §§ 8 und 9 des BKA-Gesetzes gespeichert werden dürfen und der Novellierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrags (JMStV) sprechen Sie natürlich zwei kritische Fälle an. Ich möchte Ihnen die Stellungnahmen der FDP in beiden Fällen genauer erläutern und zeigen, warum wir glauben, dass bei den getroffenen Entscheidungen die Bürgerrechte nicht gefährdet sind.
Sie haben in Ihrer Frage zur BKA-Datenverordnung, die seit 1994 existierende Datei „Gewalttäter Sport“ („Hooligan-Datei“) angesprochen. Die mangelhafte Rechtsgrundlage der Datei wurde zu Recht von mehreren Verwaltungsgerichten (Hannover, Lüneburg, Karlsruhe) angezweifelt. Allerdings bemängelten die Verwaltungsgerichte und die FDP niemals die inhaltlichen Bestimmungen des BKA-Gesetzes, das eine Balance zwischen Freiheit und Sicherheit darstellte und das „Maß der Verhältnismäßigkeit“ gewährleistete. Die Richtigkeit der Existenz einer solchen Datei steht deshalb außer Frage. Zur Debatte stand aber weiterhin die demokratisch legitimierte Grundlage der BKA-Datei mit einem Umfang von über 11.000 Einträgen. Das vorhandene Legitimationsdefizit auszugleichen und damit Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten war das Bestreben der FDP in ihren Entscheidungen im Bundesrat und Bundestag. Mit der BKA-Datenverordnung sind nämlich keine inhaltlichen Neuerungen verbunden. Sie sieht die Speicherung nur solcher Daten vor, die auch bislang schon auf Basis des BKA-Gesetzes gespeichert werden durften. Jedoch verwies Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière korrekterweise auf die Bedeutung, die diese Verordnung für die Transparenz der polizeilichen Datenverarbeitung in Dateien des BKA hat. Statt Bürgerrechte durch die Datei einzuschränken, hat die FDP also durch ihre Zustimmung zur BKA-Datenverordnung vielmehr Legitimation und Transparenz geschaffen, die es vorher so nicht gegeben hat.
Nun zu Ihrem zweiten Punkt. Die Haltung der FDP zur Neugestaltung des JMStV begründet sich folgendermaßen: Wie bereits aus Antrag D1 des 61. Ord. Bundesparteitags der FDP in Köln vom 24.-25. April 2010 (auf den ich hier für eine ausführliche Begründung verweisen möchte: http://parteitag.fdp.de/files/46/D1.pdf ) hervorgeht, beanstanden wir u.a., dass das bisherige JMStV weitestgehend undemokratisch und „hinter verschlossenen Türen verhandelt“ wurde. Das führte dazu, dass Bedenken und Befürchtungen von Internetnutzern bei den Verhandlungen nicht beachtet wurden. Daher bezweifeln wir die Sicherheit, die den Jugendlichen durch die bisherigen Internetbestimmungen gewährt wird. Denn viele Vorstellungen wie Jugendschutz funktionieren soll, wurde schlicht vom Rundfunk auf das Internet übertragen, was den Erfordernissen des letzteren Mediums bei weitem nicht gerecht werden kann.
Aufgrund der Internationalität des Internets und unzureichender Rechtssicherung bzgl. Altersbeschränkungen können die bisherigen Vorgaben nicht funktionieren (strenges deutsches USK, FSM, FSK gegen schwächeres europäisches PEGI). Aufgrund des Wegfalls der „14-Jahre-Stufe“ steht zu erwarten, dass es künftig in Einzelfällen in der Praxis zu Unterschieden bzgl. der jugendmedienrechtlichen Altersbewertung und des erlaubten Zugangsalters aufgrund anderer juristischer Erwägungen für ein und dasselbe Angebot kommen wird. Eine Kollision von Datenschutz- mit Jugendmedienschutzrecht wäre hier die Folge. Anbieter von Social Communities, welche die Zustimmung ihrer Nutzer zu einer datenschutzrechtlichen Verarbeitungsklausel benötigen, sind derzeit aus datenschutzrechtlichen Gründen gezwungen, ihr Angebot erst ab 14 Jahren anzubieten.
Weitere Anbieter von Social Communities halten aus nachvollziehbaren zivil- und strafrechtlichen Erwägungen ihr Angebot für Nutzer mit einem Mindestalter von 14 Jahren bereit. Der Wegfall dieser Altersstufe im Rahmen des Trennungsgebotes stellt diese Anbieter vor das praktische Problem, dass nunmehr die Inhalte für ab 12-Jährige unbedenklich sein müssen, die Plattform aber wegen des Datenschutzes bzw. des gesetzten Mindestalters erst von ab 14-Jährigen genutzt werden darf. Das bisherige JMStV beinhaltet weitere Schwachstellen und Defizite, die im genannten Antrag näher erläutert sind und auf die ich hier nochmal verweisen möchte. Daher glaubt die FDP im Sinne der Bürgerrechte und Sicherheit der Bundesbürger zu handeln, wenn sie für eine Neufassung des JMStV stimmt.
Über die angesprochen Punkte hinaus hat sich die FDP seit der letzten Bundestagswahl bereits in mehreren Fällen erfolgreich für Freiheit, Demokratie und Bürgerrechte eingesetzt. Ein Beispiel sei nur die erfolgreiche Klage zahlreicher FDP-Politiker (u.a. auch Frau Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger) vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Praxis der Vorratsdatenspeicherung, die wir strikt abgelehnt haben und mit Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes der BRD („Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich“) für nicht vereinbar hielten. Das Bundesverfassungsgericht stimmte uns in seinem Urteil zu und verlangte die erhobenen Dateien „unverzüglich zu löschen.“ Zu diesem Erfolg kommen zahlreiche weitere bürgerrechtspolitische Vorhaben der FDP wie ihre Forderung nach einer „Stiftung Datenschutz“, einer stärkeren Verankerung desselben im Grundgesetz, der Verbot heimlicher Online-Durchsuchungen und der Gesetzentwurf, den Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberger zur Stärkung des Mandantenschutz auf den Weg gebracht hat. Diese Beispiele sind meiner Meinung nach der Beweis, dass die FDP die Partei der Grund- und Bürgerrechte ist, die unter den Regierungen vor Schwarz-Gelb stark gelitten haben.

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Luksic

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