Frage an Oliver Jörg von Bernd G. bezüglich Finanzen
Sind Sie für die Einführung einer Mindestrente und eines Mindestlohnes? Wenn ja, wie hoch soll dann diese sein?
Sehr geehrter Herr Geiger,
ich danke für Ihre Anfrage. Sie sprechen eine für Menschen mehr als unbefriedigende Situation an. Wenn trotz Arbeit der Lohn nicht zum Leben reicht oder die jahrelang erarbeiteten Rentenansprüche trotzdem keine finanzielle Sicherheit im Alter bieten, dann ist dies nicht hinnehmbar. Dieses Problem ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Dies muss auch gelten, selbst wenn derzeit davon bei einem Verdienst von weniger als € 7,50 „nur“ 6 % der Arbeitnehmer betroffen sind und bei einem Verdienst von weniger als € 6,00 „nur“ 3 % der Arbeitnehmer.
Die Vorstellungen, wie hier eine Verbesserung erreicht werden kann, sind unterschiedlich. Ich persönlich meine, dass es jetzt, nachdem die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre sehr positiv verlief, Aufgabe der Tarifvertragspartner ist, in den Bereichen, wo der Lohn kaum zum Leben reicht, mitunter höhere Löhne durchzusetzen. Auch über das Instrumentarium der Flächentarifverträge bzw. für allgemeinverbindlich erklärbaren Tarifverträge können höhere Löhne für ganze Branchen und Regionen festgeschrieben werden. Die Tarifautonomie ist ein Kernelement der sozialen Marktwirtschaft. Diese möchte ich nicht dadurch schwächen, dass Politiker/Abgeordnete an die Stelle der Gewerkschaften treten können, um die Mindestlöhne bzw. die Höhe der Mindestlöhne in Parlamenten zu beschließen. Damit wären diejenigen, die sich ehedem damit schwer tun, einen gut bezahlten Job zu erhalten, von Politikern abhängig. Im Übrigen ist belegt, dass seit der Einführung der Mindestlöhne in Frankreich die Jugendarbeitslosigkeit massiv anstieg. Dies liegt daran, dass mit Mindestlöhnen gerade im Bereich von Arbeitsplätzen für gering qualifizierte Arbeitnehmer, - dies sind oft auch Berufsanfänger - Arbeitsplätze abgebaut werden oder ins Ausland verlagert werden.
Hinzu kommt, dass zu hohe Löhne, die nicht zu erwirtschaften sind, dazu führen, dass betroffene Unternehmen wegen der Lohnkosten geneigt sind, ihren Standort ganz in unserer Region aufzugeben. Ein andere zunehmend bedenkliche Entwicklung ist, dass Tätigkeiten im Niedriglohnbereich illegaler Weise durch Schwarzarbeit erledigt werden. Eine andere Möglichkeit, wie Unternehmen auf mitunter in einer Branche von Politikern zu hoch festgesetzte Mindestlöhne reagieren würden, wäre, dass sie die Preise für Ihre Produkte erhöhen. Das wir dann letztlich wieder der Verbraucher zahlen. Im Bereich Der Briefzusteller hat man auch gesehen, dass manche Unternehmen einen Mindesttarif ausnutzen können, um Wettbewerb auszuschalten. Diese negativen Folgen von Mindestlöhnen möchte ich für Deutschland nicht riskieren.
Klar sage ich Ihnen aber auch, dass ich die unterschiedliche Entwicklung zwischen Spitzengehältern und den durchschnittlichen, wie auch unteren Gehaltsgruppen in aller Deutlichkeit kritisiere. Es kann nicht sein, dass sich die Managergehälter, die ehedem schon in keinerlei nachvollziehbarem Verhältnis zum Normalverdiener liegen, weiter überproportional nach oben bewegen.
Hinsichtlich der Mindestrenten erlauben sie mir zunächst die Bitte um Konkretisierung, wer diese finanzieren soll. Das jetzige System halte ich für durchaus geeignet. Jeder erwirbt entsprechend seiner Berufstätigkeit Rentenanwartschaften. Soweit keine erworben werden, ist ein Bundesbürger über die sozialen Sicherungssysteme nicht mittellos gestellt. Insoweit würde ich keinen Systemwechsel anstreben. Diskutabel bleibt die Höhe des Existenzminimums und auch die Frage, wie Rentenanwartschaften erworben werden können. Hier gilt es vor allem für Frauen und Männer, die aufgrund von Kinderbetreuungszeiten nicht berufstätig sein konnten, Verbesserungen anzustreben. Ich halte hier aber weniger das Instrumentarium von Mindestrenten geeignet, als die kontinuierliche Anpassung der Renten an die Preisentwicklung. Für die Zukunft – das gilt vor allem für meine Generation – muss aber auch klar sein, dass wir aufgrund der demographischen Entwicklung nicht umher kommen, dass zusätzlich eine private Altersvorsorge angestrebt wird. Da dies von der jetzigen Rentnergeneration allerdings nie verlangt wurde, müssen sie sich darauf verlassen können, dass Sie nach Beendigung Ihres meist über 40-jährigen Berufslebens auch von Ihrer Rente leben können. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil wir der heutigen Rentnergeneration in besonderem Maße den Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg und damit den heutigen Wohlstand verdanken.
Für die weitere Diskussion stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung und verbleibe einstweilen mit freundlichen Grüßen
Oliver Jörg