Frage an Oliver Jörg von Laura Z. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Jörg,
gestern habe ich mit Freunden in größerer Runde darüber diskutiert, ob Handel mit nicht-demokratischen Regimes, welche die Menschenrechte nicht achten, von der Politik unterstützt oder unterbunden werden sollte. Dabei haben wir festgestellt, dass dieses Thema eine sehr wichtige Frage der kommenden Wahl für uns ist.
Gerade im Hinblick auf die kommende Wahl wäre es für uns interessant, Ihre Meinung hierzu zu kennen. Ihre Antwort könnte unter Umständen entscheiden, wo wir unser Kreuz setzen werden.
Ich würde mich über eine ausführliche Antwort freuen!
Mit freundlichen Grüßen,
Laura Zwosta
Sehr geehrte Frau Zwosta,
vielen Dank für Ihr Interesse an meiner politischen Arbeit. Ich will versuchen, das sensible Thema der Wirtschaftsbeziehungen mit autoritären Regimen etwas näher zu beleuchten.
Eine pauschale Beschränkung der Handelsbeziehungen ausgehend von der herrschenden Regierungsform in dem jeweiligen Land ist - jenseits von Sanktionsbeschlüssen z.B. der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union - nicht nur rechtlich schwierig. Leider ist Deutschland ein sehr rohstoffarmes Land und zum Beispiel für die Herstellung von Produkten im Bereich der Hochtechnologie auf den Import von Rohstoffen zwingend angewiesen. Für die sogenannten „kritischen Rohstoffe“, zum Beispiel Kobalt, Platin, Seltene Erden oder Wolfram, gibt es keine Ersatzstoffe. Viele dieser Rohstoffe kommen aus Entwicklungsländern, in denen der Staat die Menschen- und Bürgerrechte teilweise nicht oder noch nicht garantieren kann. Verzichten kann Deutschland leider nicht auf den Import, aber es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, den Handel so transparent als möglich zu gestalten. Transparenz bei Waren- und Zahlungsströmen ist eine Voraussetzung, um Korruption einzudämmen, die Finanzierung bewaffneter Konflikte zu erschweren oder eine ungerechte Einnahmenverteilung zu reduzieren (vgl. Entwicklungspolitisches Strategiepapier zu Extraktiven Rohstoffen, BMZ). Die Bundesregierung unterstützt beispielsweise die Extractive Industries Transparency Initiative (EITI). Ziel der Initiative ist, in den Entwicklungsländern einen verantwortungsvollen Umgang mit den Einkünften aus ihrem Rohstoffreichtum zu erreichen. Auch im Rahmen der EU setzt sich Deutschland dafür ein, dass die Länder ihre Einnahmen gezielt für die soziale Entwicklung einsetzen. Damit kontrolliert werden kann, wofür die Einnahmen verausgabt werden, unterstützt die deutsche Entwicklungszusammenarbeit auch den Aufbau von Rechnungshöfen in den Ländern, die Einbindung der Parlamente vor Ort und die Stärkung der Verwaltungen.
Sicherlich haben Sie bei Ihrer Anfrage auch an Staaten wie Russland oder China gedacht. Russland ist der wichtigste Energielieferant Europas; über 6.000 deutsche Unternehmen sind in Russland vertreten. Auch hier sind die wirtschaftlichen Beziehungen also von großer Bedeutung, müssen aber flankiert werden von einem kritischen Dialog. Erst kürzlich hat der Deutsche Bundestag auf Initiative der Fraktionen aus CDU/CSU und FDP eine Resolution zur Stärkung der Zivilgesellschaft und Rechtstaatlichkeit in Russland verabschiedet (Drs. 17/11327). Darin wird eine Reihe von repressiven Maßnahmen aufgezählt, die der Bundestag mit Sorgen betrachtet. Die Resolution fordert von der Bundesregierung unter anderem, darauf zu drängen, dass Vertreter der politischen Opposition ihre Aktivitäten frei entfalten und zur Entwicklung eines modernen Parteiensystems in Russland beitragen können.
Als „Landespolitiker“ bin ich in der Regel nicht direkt mit Fragen der Außen(handels)beziehungen betraut, unterstütze meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag jedoch in ihren Bemühungen um transparente Handelsbeziehungen, eine verantwortliche Verausgabung der Einnahmen aus dem Handel mit Deutschland und natürlich in dem kritischen Dialog mit den autoritären Staaten.
In der Hoffnung, Ihnen meine Einschätzung etwas näher gebracht haben zu können, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und dem nochmaligen Dank für Ihr politisches Interesse,
Oliver Jörg, MdL