Frage an Oliver Jörg von Sophia O. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Jörg!
Wir haben weder Radio- noch Fernsehgerät. Wir hielten sie für unerwünschte Gäste. Radio zu hören und fernzusehen halte ich für schädlich, für ungesunde Zeitverschwendung, damit leidet die Konzentrationskraft, die Kritikfähigkeit. Es ist Gift für das Volk, auch wenn manche da eine Grundversorgung mit Information, Bildung und Unterhaltung sehen wollen. Die Rundfunkanstalten haben keinen gesetzlichen Auftrag, ihre sogenannte Grundversorgung aufzuzwingen. Gott sei dank noch nicht! Wir werden lediglich gezwungen, das unerwünschte Produkt teuer zu zahlen, nicht zu konsumieren. Gott sei dank noch nicht! Warum meinen Sie, dass Familien ohne Radio und Fernsehen, die diese Medien ablehnen, für jene Familien zahlen müssen, die ihre Zeit an der Glotze verschwenden?
Sehr geehrte Frau Orthoi,
ich danke Ihnen, dass Sie sich mit Ihrem Anliegen an mich gewandt haben.
Um auf Ihre Frage eingehen zu können, erscheint es mir zunächst ganz wichtig, an die Bedeutung von Medien in der Demokratie zu erinnern. Medien haben unter anderem eine Forums-, sowie eine Legitimations- und Kontrollfunktion. Der Meinungsaustausch verschiedener gesellschaftlicher und politischer Akteure braucht eine Plattform. Um am öffentlichen Diskurs teilnehmen zu können, ist es wiederum wichtig, informiert zu sein. Mit der zunehmenden Flut an Information erleichtert es meiner Ansicht nach die Willens- und Meinungsbildung, wenn seriöse und vertrauenswürdige Medien die Nachricht einzuordnen wissen und gegebenenfalls Hintergrundinformationen liefern.
Das Beispiel der Live-Übertragung der Schlichtungsgespräche zum Projekt „Stuttgart 21“ auf Phoenix und SWR verdeutlicht sehr gut, wie Medien das unmittelbare Nachverfolgen politischer Prozesse ermöglichen.
Im übrigen haben Medien eine Legitimations- und Kontrollfunktion, indem politisches Handeln transparent wird und politische Akteure ihre Entscheidungen begründen und somit legitimieren müssen.
Aus meiner Sicht übernimmt der öffentlich-rechtliche Rundfunk diese Funktion in besonderem Maße. Im Vergleich zum Privatfunk liefert der öffentlich-rechtliche mehr Informationen aus den zentralen Handlungsfeldern der Gesellschaft (Politik und Wirtschaft in Form von Nachrichten-, Magazin- oder Dokumentationssendungen). Dank Spartensendern wie 3sat, ARTE oder Phoenix finden auch die Teilbereiche Kultur, Wissenschaft und Religion Berücksichtigung. Ohne den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, hier vor allem auch die Dritten Programme, würden landes- oder kommunalpolitische Themen eine durchaus geringere Öffentlichkeit erfahren.
Den von Ihnen angesprochenen inhaltlichen Grundversorgungsauftrag hat das Bundesverfassungsgericht in seinem vierten Rundfunkurteil von 1986 ausdrücklich betont. Dazu gehört unter anderem auch die Darstellung der Meinungsvielfalt, die es ermöglicht, Kritik- und Urteilsfähigkeit zu entwickeln.
Die öffentlich-rechtliche Finanzierung leitet sich aus den genannten Aufgaben her, nicht aus dem Besitz eines zum Empfang geeigneten Gerätes. Rein praktisch gesehen ist eine gerätebezogene Finanzierung mit dem technologischen Fortschritt, durch welchen immer mehr mobile und stationäre Geräte Rundfunk empfangen können, außerdem problematisch geworden.
Eine von allen getragene Rundfunkfinanzierung sehe ich aus den genannten Gründen als gerechtfertigt an.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Jörg, MdL