Frage an Oliver Errichiello von Nora S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Wie möchten Sie dafür sorgen, dass die Zukunft der Kinder weniger vom soziokulturellen Hintergrund der Eltern bestimmt wird?
Liebe N. S.,
Ihre Frage beschäftigt mich persönlich sehr, da sie der eigentliche Treiber für mein politisches Engagement ist. Nämlich: Wie gelingt es, dass Menschen unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern oder (wie es Soziologen vornehm schreiben) vom „kulturellen Kapital“ ihrer Eltern, sich so entwickeln können, dass sie die entscheidenden Aspekte ihrer Persönlichkeit selbstbestimmt leben können? Die Antwort darauf ist sicherlich fundiert nicht in wenigen Sätzen zu beantworten, sondern ist vor allem von Überzeugung und persönlicher Erfahrung getragen: Ich selbst bin ein „typisches Arbeiterkind“ und bin in einem gutbürgerlichen Schulkontext sozialisiert worden. Neben allen Faktoren, die politische Weichenstellungen bedingen können, geht es vor allem auch um den Zuspruch von Eltern und Familie. Hier ist die Grundlage für eine gelingende, selbstbestimmte Entwicklung. Deshalb: Familien müssen in ihrem Alltag gestärkt werden (u.a. bezahlbarer Wohnraum, flexible Arbeitszeitmodelle, aber auch individuelle Erziehungsmodelle, die vornehmlich, aber nicht nur den KITA-Gedanken in den Fokus rücken). In Schulen müssen wir die individuelle Förderung in das Zentrum stellen: Statt schneller Bildung (siehe „Bologna") gilt es die adäquate, individualisierte Ausbildung in den Vordergrund zu rücken. Jeder lernt anders. Und deshalb muss es möglich sein, Berufs- und Ausbildungswege möglichst individuell und situativ zur gestalten. Dazu müssen wir „Bildung“ als Wert verstehen und konsequent fördern … Bafög darf kein Sonderfall sein, sondern eine Investition des Staates in seine Bürger. Ob Schulen, Hochschulen oder Universitäten: In erster Linie geht es darum, den einzelnen Menschen ein Angebot zu geben, seinen individuellen Weg zu gehen … die wirtschaftliche Verwertbarkeit ist eine Folge, aber bitte kein Ursprungsgedanke, wenn wir über Menschen und ihre Lebenswege sprechen. Grundsätzlich glaube ich aber auch, dass wir in Deutschland (weiterhin, aber schwindend) die Möglichkeit bieten, durch Bildung sozial aufzusteigen. In Gesprächen oder durch lange Aufenthalte in Frankreich, Italien oder Großbritannien habe ich erfahren, dass in diesen Ländern die „Soziale Durchlässigkeit“ sehr viel geringer ist … wir müssen diese Aufstiegschancen bewahren. Dafür setze ich mich mit Überzeugung ein.
hatte die Möglichkeit, einen sehr eigenständigen beruflichen Werdegang zu entwicklen.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Errichiello